Aus den Feuilletons

Der Bühnenbeglücker ist tot

Gerard Mortier
Gerard Mortier (1943-2014) © dpa / picture alliance / Kote Rodrigo
Von Adelheid Wedel · 09.03.2014
Die Feuilletons beschäftigen sich mit der Ukraine und ihrem Verhältnis zu Russland, dem Wechsel an der Spitze des Grimme-Preises und dem Tod von Gerard Mortier, dem Musiktheatermacher, der "die Opern entflammte".
"Was eine Ukrainerin dem Land des mächtigen Nachbarn zu sagen hat", ist am Montag in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zu lesen. Die 1983 geborene Tanja Maljartschuk kleidet ihre Anklage in naiv klingende Fragen: "Russland, du bist ein großes und reiches Land. Sage mir bitte, wozu brauchst du jetzt auch noch mein Land und mein Geld?" Oder: "Russland, du bist ein intelligentes Land, dennoch verwendest du das Wort 'Bruder' immer noch falsch. Du nennst uns, die Ukrainer, Brudervolk, gleichzeitig schickst du deine Armee in unser Land. Hören wir lieber mit diesem Familienspiel auf und werden einfach Nachbarn. Sonst muss ich dich Kain nennen."
Die nächste Frage mündet in Anklage und schließlich Drohung: "Wie lange wirst du noch, Russland, Befreier der Welt, auf den Sieg im Zweiten Weltkrieg stolz sein und damit manipulieren? Seien wir ehrlich, du hast 'die braune Pest' mit dem roten Terror ersetzt, einen halben Kontinent zum Gefängnis gemacht. Russland, du sagst, du willst uns Dummerchen retten… Bitte rette uns nicht! Lass uns untergehen!... Wir sind pleite, das letzte Geld nahm der geflohene Präsident mit. Du bekommst von uns nichts außer einer neuen Partisanenarmee."
"Die USA aus dem Kalten Krieg lotsen"
In der Tageszeitung TAZ stellt Friedrich Küppersbusch im Wochenrückblick zum Thema klar: "Die EU hätte in der Ukraine die Chance klarzumachen: Europa ist nicht der Samthandschuh über der Panzerfaust Nato. EU und Russland sind Nachbarn", sagt Küppersbusch, "die gemeinsam der heillos verschuldeten Ukraine aufhelfen können." Einzige Bedingung: "Man müsste nur behutsam die USA aus dem Kalten Krieg lotsen."
"Der Hüter von Marl", wie die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG Ulrich Spies respektvoll nennt, war 33 Jahre lang für den angesehenen Grimme-Preis zuständig. "Nun verlässt er das Institut. Nicht alle mochten, wie er sich mit Leidenschaft und Ausdauer einsetzte für das, was er Qualität im Fernsehen nennt."Der 66-jährige räumt seinen Schreibtisch im Jahr der 50. Grimme-Preis-Verleihung. Die Bedeutung dieses Preises steht außer Frage: "Er ist Deutschlands einziger wirklich unabhängiger Fernsehpreis, der für Qualität stehen soll – ohne mächtige Interessengruppen oder Konzerne im Hintergrund."
Wie soll es nach Spies weitergehen mit dem Grimme-Preis? Die Frage kann derzeit niemand beantworten, Hans Hoff schreibt, Spies würde gern mitbestimmen, wer sein Erbe antritt. "Er ist einer vom alten Schlag. Mehr als 1000 Mal hat er während seiner langen Laufbahn" am Telefon die freudige Nachricht weitergeben können: Sie sind Grimme-Preisträger. "Als Leuchtturmwärter des Fernsehens wurde er schon bezeichnet, und das hat ihm gut gefallen."
"Magier, Weltverbesserer, Bühnenbeglücker"
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG berichtet auf einer ganzen Zeitungsseite über "Stefan Georges geheimes Leben in Berlin. In der Zeittafel zu Leben und Werk Georges finden sich allein für Berlin über vierzig Straßennamen", in denen der Dichter wohnte. Er war – wie Norbert Hummelt schreibt – "in seinem Leben immer nur auf der Durchreise", von der Schwedter Straße über die Kleiststraße, die Bayreuther, die Ansbacher, die Kantstraße und andere. George liebte Berlin so wenig wie er die Menge liebte. "Und zu Berlin-Gedichten, wie sie der von der Großstadt faszinierte Gottfried Benn verfasste, ließ er sich sein Lebtag nicht hinreißen. Berlin war ihm die kalte Stadt von Heer- und Handelsknechten."
Die Zeitungen vom Montag nennen ihn "den Magier, Weltverbesserer, Bühnenbeglücker oder einfach den Mann, der Opern entflammte", wie es in der FAZ heißt. "Er atmete, dachte, lebte die Oper", schreibt Manuel Brug in der Tageszeitung DIE WELT über den verstorbenen Gerard Mortier. "In der Nacht zum Sonntag verlor der belgische Musiktheatermacher in Brüssel den Kampf gegen den Krebs. Er hat beides erlebt, die Liebe und die Tränen – bei dem, was ihm das Höchste war und wo sein geisteshelles Vermächtnis lange nachwirken wird: in der Oper."