Aus den Feuilletons

Das Problem Angela Merkel

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verfolgt am 08.09.2016 während der Fortsetzung der Haushaltswoche des Deutschen Bundestages in Berlin die Rede von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).
Muss zurzeit ganz schön einstecken: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) © picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm
Von Gregor Sander · 15.09.2016
Die "FAZ" beschäftigt sich mit dem "Volkssport" Merkel-Kritisieren – und stellt sich in der Flüchtlingsfrage demonstrativ an die Seite der Kanzlerin. Viele andere Feuilletons betreiben sehr unterhaltsames Justin-Bieber-Bashing.
"Eine gigantische Bienenwabe, ein überdimensionierter Basketballkorb, eine mehrdimensionale Himmelsleiter, die größte Musicaltreppe der Welt, ein Fitnesscenter mit nur einem Gerät."
All das sind Spottnamen für eine geplante Skulptur in New York, berichtet Gerhard Matzig in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
"Erst im Jahr 2018 wird man 'The Vessel' – deutsch: das Gefäß – daraufhin befragen können, ob es neben seiner Bestimmung als Zentrum eines im Entstehen befindlichen Gebäudekomplexes namens Hudson Yards auch noch zu allem anderen taugt."
Ein amerikanischer Milliardär, der den Gebäudekomplex mit 15 Wolkenkratzern an den Hudson River klotzt, hat den britischen Designer Thomas Heatherwick mit dieser begehbaren Kulturkirsche beauftragt, die laut Matzig eher an eine riesige Ananas erinnert.
"Big Apple wird also zum noch größeren big pineapple umgedeutet."
Und was sagt Heatherwick zu alldem?
"Man könne seine Skulptur, die an die in die Irre laufenden Treppen von Piranesi erinnert, ruhig als Gym begreifen und begehen."
Kann man, aber muss man ja zum Glück nicht.

Auf die Kanzlerin kommt es an

Patrick Bahners fragt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG rhetorisch
"Ist Merkel-Kritik jetzt Volkssport?"
Und knöpft sich dann die vielen Kritiker vor:
"Die Sachdimension der Asyl- und Migrationspolitik ist durch die persönliche Dimension fast komplett überlagert worden. Durch die Suggestion, das Problem trage den Namen von Angela Merkel, entledigen sich die Kritiker der Verpflichtung, in die inhaltliche Auseinandersetzung einzutreten und Gegenvorschläge zu machen."
Wenn es in letzter Zeit sehr einsam um Merkel geworden ist, so stellt sich Bahners demonstrativ neben sie:
"Die Position der Kanzlerin hat sich das ganze Jahr über nicht verändert. Der phantastische Aufwand der hilflosen Merkel-Kritik bestätigt nur, dass der vom Grundgesetz gewollte Normalzustand andauert: Auf die Kanzlerin kommt es an."
Auf den Kultursenator in Berlin kommt es dagegen nicht so an. Denn es gibt ihn in der Hauptstadt ja gar nicht, sondern nur einen Kulturstaatssekretär. Das ist derzeit Tim Renner. Am Sonntag wird in Berlin allerdings gewählt. Soll man also sagen, war Tim Renner?
"Das weiß ich genauso wenig wie Sie",
sagt Renner dazu im Interview mit der TAZ. Auf dem Foto darüber hat er die Füße auf den Kulturstaatssekretärsschreibtisch gelegt. Das wirkt etwa so provokant, wie solche Sätze:

Tim Renner glänzt mit feinstem Politikerdeutsch

"Mir geht es nicht darum, ob der freundliche Syrer oder Texaner sein bisheriges Kulturleben hier fortsetzt. Können Sie gerne machen. Aber wichtig ist eher, dass sie Kultur zusammen mit den bisherigen Berlinerinnen und Berlinern leben und sich damit die hiesige Kultur verändert."
Feinstes Politikerdeutsch vom Quereinsteiger aus der Musikbranche. Am Ende wird er aber doch noch konkret. Zumindest ein bisschen:
"Wir haben es mit Rot-Schwarz hinbekommen – und gehen davon aus, dass wir es erst recht mit Rot-Rot-Grün hinbekämen."
Ein Justin-Biber-Konzert im Feuilleton zu besprechen ist natürlich ein bisschen gemein, weil man ja eigentlich vorher weiß, was in diesen Kritiken steht. Aber es macht natürlich trotzdem Spaß, sie zu lesen. Und deshalb hier die schönsten Biberbashingbonbons vom Konzert in Berlin:
"Kaugummikauend und mit gewohnter Scheiß-drauf-Attitüde führt Biebs seine Songs auf",
beginnt Julian Gutberlet in der Tageszeitung DIE WELT fast harmlos. Er verrät auch, dass eine Konzertkarte für den Teenie-Star sagenhafte 150 Euro kostete. DER TAGESSPIEGEL klärt schon in der Überschrift die Verhältnisse:
"Ich kau Kaugummi, ihr kreischt."

Ist Justin Bieber seinen Fans egal?

Und Juliane Libert von der SZ fasst dann zusammen, worum es wirklich geht:
"Wenn er singt, dreht die Menge durch. Wenn er nicht singt, dreht die Menge durch. Wenn er in einem Glaskasten sitzt, dreht die Menge durch. Wenn er eine Rampe hochläuft, dreht die Menge durch. Wenn er sie wieder herunterläuft – genau. Er könnte übel ins Mikrofon schimpfen, die Menge drehte durch. Sind Justin Bieber seine Fans egal? Tja, auf jeden Fall ist – in gewissem Sinne – Justin Bieber seinen Fans egal."
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