Aus den Feuilletons

Das Pferdegerippe vom Trafalgar Square

Die Skulptur "Gift Horse" von Hans Haacke in London
Die Skulptur "Gift Horse" von dem Deutschen Hans Haacke wurde am 3. März 2015 in London am Trafalgar Square eingeweiht. © picture alliance / dpa / Foto: Facundo Arrizabalaga
Von Arno Orzessek  · 05.03.2015
In London wurde jetzt die Skulptur "Gift Horse" des deutschen Künstlers Hans Haacke eingeweiht und die "SZ" lässt Bürgermeister Boris Johnson zu Wort kommen: "Das ist nicht nur ein 'Pferd', sondern ein 'Ur-Pferd', ja sogar ein 'Ur-Pferd-Denkmal'."
Zu menschlichen Autoren später, liebe Hörer…
Das erste Wort hat heute der Hund, der in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG den Feuilleton-Aufmacher geschrieben hat.
Das heißt: Der Hund hat über seine vierbeinigen Erlebnisse beim 10. Lübecker Literaturtreffen Tagebuch geführt – und die NZZ druckt es nach.
"Samstag, 28. Februar. Gut geschlafen. Hotelfrühstück, kaum Zeit für meine Morgentoilette auf dem Spaziergang. […] [Mein Herrchen] versuchte, mich zu motivieren. Der, zu dem wir uns auf den Weg machten, also der Gastgeber, sei sehr berühmt (ich gähnte, alle seine Freunde sind immer sehr berühmt) und habe ein Buch über Hunde geschrieben, Jahre und Hunde oder Jahre mit Hunden oder so ähnlich."
Bescheidwisser wissen jetzt, dass Hund und Herrchen unterwegs waren zu Günter Grass, dem Autor der "Hundejahre".
"Ich nahm die Gelegenheit wahr [so der Hund] und fragte ihn, warum er sich denn das antue, all diese Schreiber einzuladen. […] Er komme ja nicht mehr so viel herum, sagte er […]. Und da sei es doch gut, wenn die jungen Kollegen ihn besuchten. Aber warum, wollte ich nachhaken, setze er sich denn der Kritik dieser vermeintlich jungen Kollegen aus, doch da wurde ich schon bestaunt und allseits überschwänglich begrüßt. Mir ist das immer peinlich, denn sprechende Hunde sollten zumindest Literaten vertraut sein",
bekennt des Hundes Tagebuch, von dem die NZZ verrät: "Zur Einsichtnahme beschafft von Ingo Schulze".
Ein mund- und mausetotes Pferdeskelett namens "Geschenkter Gaul" hat derweil der Künstler Hans Haacke auf dem Londoner Trafalgar Square platziert.
Hans Haackes Pferdeskelett in London
Wie die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG unter dem Titel "Heute noch auf hohen Rossen" berichtet, wusste Bürgermeister Boris Johnson das Skelett bei der Enthüllung sofort sachgerecht zu interpretieren.
"´Manche werden sagen, dieses unbestreitbar unterernährte Tier, dieser ausgemergelte Vierfüßer, sei ein Memento Mori, Symbol einer exzessiven Sparsucht […]. Ich sage: Nein, meine Freunde! Es steht für das Pferd, so viele Jahrhunderte wichtiger Teil der Transportinfrastruktur dieser Stadt. […] Das ist nicht nur ein ‚Pferd‘, sondern ein ‚Ur-Pferd‘, ja sogar ein ‚Ur-Pferd-Denkmal‘! Bestätigung dafür, dass London nicht nur die Wirtschafts- sondern auch die Kunst- und Kulturhauptstadt der Welt ist!`",
frohlockte Johnson laut SZ-Autor Alexander Menden.
Hans Haacke selbst fördert in der SZ ein anderes Gerippe-Verständnis.
"´In New York, in London und wo immer ein Börsenticker generiert und installiert wird, werden wir mit den Launen von Finanzjongleuren konfrontiert. 2008 haben sie uns einen globalen Kollaps beschwert.`"
Euro-Krise und Sparzwänge
Die Folgen sind bekannt: Finanzkrise, Euro-Krise, Sparzwänge. In Griechenland regiert die fremdgeldsüchtige Partei Syriza.
Weshalb die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG erklärt, "Was Deutschland von Spanien zu erwarten hat".
Falls dort Syrizas Pendant Podemos unter Pablo Iglesias ans Ruder kommt.
"Wichtig für Deutschland ist […], dass Podemos die große Geschichtserzählung über den Weg in die Demokratie [im Jahr 1978] verwirft. […] Wo die ideellen Väter der Demokratie […] die segensreiche Bindung an […] die EU besingen, spricht Podemos respektlos vom ‚Regime von 1978‘. […] Deshalb Pablo Iglesias‘ medienwirksamer Blitzbesuch bei [Syriza-Chef] Tsipras 48 Stunden vor der griechischen Wahl: Der Süden steht auf, war die Botschaft, und: Sagt Angela Merkel, dass die Zeiten sich ändern. Das könnte, wenn es sich in Europas viertgrößter Volkswirtschaft abspielt, ungemütlich werden",
sorgt sich der FAZ-Autor Paul Ingendaay.
Nena am 3. März im Berliner SO36
Sängerin Nena am 3. März im Berliner SO36. Auftakt für ihre Clubtour zum neuen Album "Oldschool".© picture alliance / dpa / Foto: Britta Pedersen
Aber lassen wir das. Reisen wir mit dem Berliner TAGESSPIEGEL "Bis ans Ende dieser Welt"…
Das Nena in dem Song "Ich geh mit dir, wohin du willst" beschwört.
Nena - ja, genau! die dreifache Großmutter, die einst dreimal dreiunddreißig Luftballons fliegen ließ - hat im Berliner SO36 ihr Album "Oldschool" vorgestellt und alte Sachen gesungen.
Esther Kogelboom vom TAGESSPIEGEL fand’s prima, sich "Nena-Liebe reinzuspülen":
"Wer als platter Schlauch ins SO36 schlurfte, rollte als praller Reifen auf die Oranienstraße zurück."
Soweit, liebe Hörer. Mit Blick auf das nachfolgende Programm sagen wir nur – mit einer Überschrift der BERLINER ZEITUNG: "Hört euch das jetzt an!"