Aus den Feuilletons

Das letzte bisschen Coolness

Sinead O'Connor singt in ein Mikrofon und hat eine Gitarre umgehängt.
Anstrengend, aber witzig: die irische Popsängerin Sinead O'Connor © AFP / FRED TANNEAU
Von Arno Orzessek  · 22.07.2014
Im Interview mit der "SZ" erklärt die irische Popsängerin Sinead O'Connor, wie sie ihren Kindern gegenüber ihre Coolness bewahrt. Weniger Coolness als vielmehr Geduld braucht es für die wiederholungskranken Chronistentexte zum Streit zwischen dem Suhrkamp-Verlag und Hans Barlach.
"'Ich bin der Boss'",
ruft in einer Überschrift der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG… -
nein, natürlich nicht der Boss, Bruce Springsteen, der sich selbst unseres Wissens nie so ruft;
"I'm Not Bossy, I'm the Boss" heißt vielmehr das neue Album der irischen Popsängerin Sinéad O'Connor, die von der SZ so vorgestellt wird:
"Ein guter Teil der Weltbevölkerung und ungefähr 99,9 Prozent aller Iren halten Sinéad O'Connor für eine die katholische Kirche und die Männer hassende Irre, die in eine geschlossene Anstalt gehört."
O'Connor selbst betrachtet sich allerdings keineswegs als Einzelfall:
"'Jeder, der in diesem Land seine Meinung sagt, und der sich gegen die Kirche, überholte Traditionen und U2 wendet, wird für verrückt erklärt.'"
Das Interview lässt erahnen, warum es um die anstrengende O'Connor zuletzt ruhiger geworden war - witzig ist es dennoch.
Ob sie ihr neues Album ihren Kindern vorgespielt habe, will SZ-Autor Marcel Anders wissen. Antwort O'Connor:
"Man spielt seinen Kindern nicht seine Alben vor – einfach, weil das nur dazu führte, dass sie dich für ziemlich uncool halten. Es würde wahrscheinlich das letzte bisschen Coolness zerstören, das sie dir zugestehen."
Der Schrecken ist seinem Ende nicht nähergekommen
Das letzte bisschen Geduld, dass wir für die ewige Causa "Suhrkamp Verlag gegen Hans Barlach" aufbringen konnten, ist schon lange zerstört.
Und warum?
Auch darum, weil man über die Prozess-Posse offenbar nur noch graue, langatmige, wiederholungskranke Chronistentexte schreiben kann – wie Sandra Kegel in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:
"Hatte es zuletzt so ausgesehen, als sei der Sanierungsplan und also die Umwandlung in eine Suhrkamp AG unter Dach und Fach, so hat Karlsruhe das Spiel wieder neu eröffnet. Zwei Beschlüsse des Landgerichts Berlin haben die BGH-Richter aus formalen Gründen aufgehoben und an die untere Instanz zurückgewiesen. Dort sei 'nunmehr umfassend über die Zulässigkeit und Begründetheit der sofortigen Beschwerde der Medienholdung zu befinden', so der BGH. Über die zentrale Frage, ob Barlach durch die Planinsolvenz bei Suhrkamp schlechter gestellt ist, als er es in einer klassischen Insolvenz gewesen wäre, darüber hat bislang kein Gericht, weder in Berlin noch in Karlsruhe, inhaltlich entschieden, sondern immer nur formal. Nun ist Berlin auferlegt, diese Frage inhaltlich zu prüfen."
Womit der Schrecken seinem Ende allerdings nicht wesentlich näher gekommen sein wird, wie FAZ-Autorin Kegel unterstreicht.
"Fest steht heute nur eines: dass Suhrkamp seine AG-Träume verschieben muss. Eine Entscheidung aus Berlin wird nicht vor Jahresende erwartet. Und sollte das Landgericht den Insolvenzplan zum zweiten Mal genehmigen, kann Barlach aufs Neue Beschwerde in Karlsruhe einlegen. Seine Medienholding kündigte bereits an, sich diesen Schritt vorzubehalten."
Intellektuelles Highlight des Tages
Liebe Hörer, nach so viel Formalitäten-Rhetorik haben Sie sich ein Quantum schöner Sprache verdient, wie sie im Feuilleton oft aus Begeisterung entspringt.
Und begeistert ist SZ-Autor Helmut Mauró zwar nicht von der "Tristan und Isolde"-Aufführung der Regisseure Jossi Wieler und Sergio Morabito in Stuttgart insgesamt, wohl aber von der Leistung des Dirigenten Silvain Cambreling:
"Er kann […] zwischen sachlicher Erzähldistanz und Überwältigungs-Sinnlichkeit oft unmerklich hin- und herschalten, er kann das lächerlich schaukelnde Theaterschiff [im Bühnenbild] auf dem lächerlich auf- und niedergeschobenen Schaumwellenprosekt auf weichen Streicherwogen schaukeln lassen, dass sich alles hebt und senkt wie der Busen der Liebenden, und er kann dem klamaukigen Getändel der berauscht Begehrenden die Größe einer kosmisch weiten Liebesmusik entgegensetzen, dass die nur so schauen aus ihren drogenglasigen Augen."
Intellektuelles Highlight des Tages ist indessen das Interview, das die BERLINER ZEITUNG mit dem Filmemacher und Schriftsteller Alexander Kluge "über den Gaskrieg und seine Lieder, über Verlust, Trauer und Brockenhexen" führt.
Wir empfehlen es zur Lektüre… -,
müssen jetzt aber dringend zum Schluss kommen und verabschieden uns mit einer Behauptung Kluges, die längst nicht jeder von Ihnen, liebe Hörer, tatsächlich für klug halten wird. Sie lautet:
"Am gefährlichsten sind die Waffen für den Waffenbesitzer selbst."
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