Aus den Feuilletons

"Das Buch wird bleiben"

Der Maler David Hockney, aufgenommen auf der Frankfurter Buchmesse 2016
Der Maler David Hockney war zum Auftakt bei der Pressekonferenz der Frankfurter Buchmesse. © imago/Hoffmann
Von Arno Orzessek · 18.10.2016
Hauptredner auf der Pressekonferenz der Frankfurter Buchmesse war in diesem Jahr weder ein Autor noch ein Verleger, sondern ein Maler: David Hockney. Der gab sich im "FAZ"-Interview optimistisch. Das Buch werde uns auch in Zukunft erhalten bleiben.
"Terror als Populisten-Porno" – titelt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Und falls Sie, liebe Hörer, aus der Wortwahl schließen, dass da einer keine Premium-Laune hat – stimmt!
Tatsächlich schnaubt der SZ-Autor Heribert Prantl regelrecht über "Terror – Ihr Urteil", den Film, der am Montag im Ersten lief.
Pilot schießt Passagier-Flugzeug ab, um 70.000 im Stadion zu retten, Gericht tagt… und am Ende sollten die Zuschauer entscheiden: 'schuldig' oder 'nicht schuldig'; fast alle plädierten auf 'nicht schuldig'.
Prantl findet den Film gelungen, die Zuspitzung auf die Alternative 'lebenslänglich' oder Freispruch aber umso skandalöser.
"Der Film belehrte die Zuschauer […] sehr fein […]; gleichzeitig behandelte er […] [sie] wie Deppen, weil er so tat, als gäbe es nur zwei Möglichkeiten und nichts dazwischen. Das aber war falsch und das ist und bleibt falsch. Es gibt die Möglichkeit, die tragische Schuld des Angeklagten festzustellen – und ihn gleichwohl milde oder nicht zu bestrafen. Um der Spannung willen hat der Themenabend das gar nicht thematisiert. Und so lockte und nötigte man 'das Volk' zu dem Votum, dass man halt im Extremfall, im Kampf gegen den Terror, Rechtsprinzipen beiseite schieben müsse, um das Recht und die Menschen zu verteidigen: Im Kampf gegen den Terror sei jedes extralegale Mittel legal."
Uns macht Prantls Rage stutzig.
Wir glauben, vielen Zuschauern dürfte die zugespitzte experimentelle Situation, die der Film konstruiert und als solche auch benennt, völlig klar gewesen sein.

Broder: "Demokratie aber ist kein exklusiver Golfklub"

Um beim Thema zu bleiben:
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG knöpft sich Michael Hanfeld Gerhard Baum vor. Und zwar, weil der Ex-Bundesinnenminister hinter dem 'nicht schuldig' der Zuschauer schieren Populismus vermutet hat.
"Wir vermuten etwas anders [hält Hanfeld dagegen]. [Nämlich] Das sichere Gespür dafür, dass es sich jemand zu leicht macht, der nicht darüber nachdenken will, ob 164 unschuldige Opfer, deren Tod man nicht verhindern kann, und 70.164 unschuldige Opfer, von denen man 70.000 retten könnte, dasselbe sind."
Unterdessen proklamiert die Tageszeitung DIE WELT "Weniger Demokratie wagen", meint es aber gar nicht so.
Es handelt sich also um Sarkasmus – und da ahnt man: Henryk M. Broder ist am Werk
"Lange hieß es [so Broder], die Menschen sollten sich mehr für Politik interessieren. Heute tun sie es – sind aber gegen Energiewende, gegen Islamisierung, gegen Merkel. Und jetzt ist es der moralischen Mehrheit auch wieder nicht recht."
Denn merke, so Broder:
"Die deutsche Demokratie baut auf den Konsens und ist radikal mittig. Wer die neudeutsche 'Willkommenskultur' für eine Autoimmunschwäche hält, der wird umgehend dem 'rechten Rand' zugeschlagen oder gleich zum Nazi erklärt. Demokratie aber ist kein exklusiver Golfklub, dessen Mitglieder darüber entscheiden, wer neu aufgenommen wird."
Taufrisch klingt‘s nicht, was Broder schreibt, eher wie ein Aufguss seines Standard-Lamentos über den linksliberalen Mainstream.
Aber vielleicht ist 'taufrisch' auch ein blödes Kriterium.

Ingo Schulze kritisiert den Spruch der Kanzlerin

Im Briefwechsel zwischen dem Schriftsteller Ingo Schulze und dem ungarischen Übersetzer Laszlo Györy – der Berliner TAGESSPIEGEL dokumentiert ihn auf zwei Seiten – geht‘s ja auch noch einmal um den Spruch unserer Kanzlerin, den keiner mehr hören kann, Sie wissen schon…
"[Merkels] Ansatz ist falsch, er muss scheitern [distanziert sich Schulze]. Denn so wunderbar […] dieses 'Wir schaffen das' klingt, so impliziert es doch auch die Zeit danach, also das Geschafft-Haben, das Es-Hinter-Sich-Bringen, den Feierabend, den Urlaub. Die Situation der Ungleichheit unserer Welt ist aber nichts, was sich mit einem zupackenden Hauruck bis zum übernächsten Quartal schaffen lässt."
Nun denn. Verpassen Sie nicht das Interview, das die FAZ mit dem Maler David Hockney führt.
Anlässlich der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse prophezeit Hockney: "Das Buch wird bleiben."
Sollten Sie diese These abgedroschen finden, liebe Hörer – die WELT würde das verstehen.
Sie beklagt in einer Überschrift die "Verfloskelte Lebenszeit".
Mehr zum Thema