Aus den Feuilletons

"Brutal durchkalkulierte Studioakustik"

Blick in den Großen Saal der Elbphilharmonie während des Eröffnungskonzertes
© AFP PHOTO / POOL / Christian Charisius
Von Gregor Sander · 12.01.2017
Es kann ja nicht nur gejubelt werden: Laut "FAZ" ist der Sounddesigner der Elbphilharmonie seiner Schwäche für Überakustik erlegen. Und die "Welt" stellt enttäuscht fest: "Auf halber Höhe und hinten geht es gar nicht".
Nun war endlich auch etwas in ihr zu hören. Das Eröffnungskonzert in der Elbphilharmonie vom Mittwoch ist Geschichte und die Kritiken für die Feuilletons sind geschrieben. Eröffnen wir hier mit Eleonore Büning von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:
"Dass Yosuhisa Toyota, der das Hördesign schon so vieler guter Konzertsäle entwarf, eine Schwäche hat für leichte Überakustik: klar, hell, durchsichtig, ist bekannt. Aber so eine brutal durchkalkulierte Studioakustik ist ihm noch nie unterlaufen."
Reinhard Brembeck von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zeigt sich da gelassener:
"Leises und Feines ist stets genau zu hören, da gibt es keine Nebel oder Undeutlichkeiten. Zudem gibt der Raumklang seine dunkle romantische Wärme ganz unangestrengt dazu."
Manuel Brug bekennt in der Tageszeitung DIE WELT.
"Ich hätte so gern gelobt."
Doch das will ihm nicht gelingen und am Ende steht dort schwarz auf weiß.
"Weltklasse geht einfach anders. Ich weiß nicht, wie es frontal und oben ist, aber auf halber Höhe und hinten geht es gar nicht. Ich bin enttäuscht. Und total traurig."

Neues über den Herrenanzug

Wer die Akustik des neuen Hamburger Konzerthauses selbst testen möchte, könnte sich ja dafür mal wieder in Schale schmeißen und vorher noch Anja Meyerroses.
"Herren im Anzug" lesen "Eine transatlantische Geschichte von Klassengesellschaften im langen 19. Jahrhundert".
Hedwig Richter hat das für die SZ getan und bekennt:
"Der Herrenanzug! Großartiges Thema! Das Kleidungsstück steht für die Verbürgerlichung der Gesellschaft im 19. Jahrhundert, für den Abbau von Privilegien und den Aufstieg des Kapitalismus."
So richtig begeistert ist die Kritikerin dann aber nicht, dafür stehe Anja Meyerrose auf zu…
"… dünner empirischer Grundlage."
Trotzdem könne der Leser und natürlich auch die Leserin Interessantes über dieses biedere Männermodestück erfahren, etwa…
"… dass sich das Schwarz des Anzugs in der industrialisierten, luftverschmutzten Moderne als besonders praktisch erwies."

Der Sound von The xx taut langsam auf

Ganz in schwarz sieht man auch die Musiker von The xx in der TAZ. Wenn auch natürlich nicht im Anzug. Die Londoner landeten mit ihrem Debutalbum 2009 einen Welterfolg. Diviam Hoffmann bespricht nun das neue Album "I see you", das am Freitag erscheint:
"Statt der Melodieführung aus kühlen Keyboard-Riffs, Bass, elektronischer Gitarre und Beats, die eher das i-Tüpfelchen als die Säule des Sounds darstellten, ist das dritte Album der ehemaligen Kinder des Sublimen nun viel tanzbarer. Aber man erahnt auch eine reichere Instrumentierung, die zwar noch immer nicht analog eingespielt ist, aber dennoch den Sound von The xx langsam auftaut."
Doch auch so frisch angewärmt bleibt sich The xx treu. Der spezifisch leise Gesang von Romy Madley Croft und Oliver Sim ist geblieben auch wenn beide bei den Texten dieses Mal neue Wege gegangen sind. Denn…
"… diese haben Romy Madley Croft und Oliver Sim nun zum ersten Mal nicht nur miteinander, sondern auch füreinander geschrieben. Sie singen nun die Worte des anderen, ihre lyrische Expression verschmilzt."
Dass Amazon nicht nur unseren Bücherkonsum verändert hat, sondern die ganze Literatur verändern wird, erläutert Adrian Daub in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Er hat für die vielen verschiedenen Möglichkeiten Gedrucktes innerhalb der Amazon-Welt zu veröffentlichen, einen interessanten Vorreiter ausgemacht:
"In gewisser Weise hat das Writing-Program hier Vorarbeit geleistet: Genauso wie Kindle Direct Publishing war die Literatur, die aus den Schreibkursen kam, populär ausgerichtet. Beide vertrauen auf den gesunden Geschmack des Publikums. Beide gehen davon aus, dass in jedem ein Schriftsteller schlummert, frönen dem Handwerk mehr denn dem Geniekult."
Wer vor dem gesunden Geschmack des Publikums eher Angst hat und sich etwas mehr Geniekult wünscht, den beruhigt Daub am Ende mit dem Holzhammer:
"Viel Gutes wird dem Umbruch leider zum Opfer fallen, aber schlechte Gewohnheiten und falsche Pietät ebenso."