Aus den Feuilletons

Böhmermann: Merkel hat mich einem Despoten zum Tee serviert

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und ZDF-Moderator Jan Böhmermann in verschiedenen Aufnahmen nebeneinander.
Die Bundeskanzlerin "hat mich filetiert, einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert und einen deutschen Ai Weiwei aus mir gemacht.", sagt Jan Böhmermann in der "Zeit". © dpa / Robert Ghement
Von Tobias Wenzel · 03.05.2016
Nach der Aufregung um sein Schmähgedicht auf den türkischen Präsidenten war der Satiriker Jan Böhmermann abgetaucht. Nun hat er der "Zeit" ein Interview gegeben – allerdings nur schriftlich. Darin lobt er vor allem sich selbst.
"Gibt es jemanden, der Sie in den vergangenen Wochen besonders enttäuscht hat?"
... fragt DIE ZEIT Jan Böhmermann. Die wunderbar tragikomische Antwort des Satirikers, dessen Haus Papparazzi offensichtlich noch immer belagern:
"Der Lieferservice von Rewe."
Es ist eine der wenigen lohnenden Stellen in Böhmermanns erstem Interview nach der kleinen Staatsaffäre. Ausgelöst durch ein Schmähgedicht auf den türkischen Präsidenten Erdogan, das Böhmermann in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" als ein nicht von der Kunst- oder Meinungsfreiheit gedecktes Beispiel angeführt und dann vorgelesen hat.
Nun hat Böhmermann den ZEIT-Mitarbeitern Matthias Kalle und Moritz von Uslar nicht etwa ein gewöhnliches Interview gegeben, sondern nur ein schriftliches. Nicht gerade souverän wirkt das. Hinzu kommt, dass Böhmermann keinerlei Selbstkritik äußert, sondern sich vielmehr selbst lobt, ob nur aus Überzeugung oder aus taktischen Überlegungen mit Blick auf den drohenden Gerichtsprozess, sei einmal dahingestellt:
"Ich habe gegenüber Freunden und meiner Familie in den letzten Wochen immer gesagt: 'Das war eine wahnsinnig gute Nummer – bloß schade, dass sie von mir war.' Künstlerisch war unser humoristisches Proseminar Schmähkritik ein unglaublicher Erfolg.""Kann der Straftatbestand einer Beleidigung dadurch unwirksam werden, dass der Beleidigende seine Beleidigung ankündigt?", fragt DIE ZEIT. "Es geht und ging nie um Beleidigung. Ich habe mir den Text ja eben gerade nicht zu eigen gemacht",
... antwortet Böhmermann, und man glaubt nicht nur an dieser Stelle seinen Anwalt Christian Schertz herauszuhören, den Böhmermann in früheren Sendungen von einem kleinwüchsigen Mann als Scherz-Anwalt Dr. Christian Witz persiflieren ließ.
"Die Bundeskanzlerin darf nicht wackeln, wenn es um Freiheit und Menschenrechte geht", kritisiert Böhmermann nun im schriftlichen Interview. "Doch stattdessen hat sie mich filetiert, einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert und einen deutschen Ai Weiwei aus mir gemacht."
Sein Glaube sei darin erschüttert worden,
"dass jeder Mensch in Deutschland ein unverhandelbares, unveräußerliches Recht auf gewisse Grundrechte" habe: "die Freiheit der Kunst und die freie Meinungsäußerung".
Dass die aber mit dem Persönlichkeitsrecht selbst eines "wannabe-Diktators", wie Böhmermann Erdogan nennt, kollidieren können, scheint dem Satiriker gar nicht in den Sinn gekommen zu sein. Dabei könnte ihm das sein Anwalt gut erklären. Wie wohl der Medienexperte der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, Michael Hanfeld, der Böhmermann als "doof" bezeichnet hat, auf das Interview des Moderators reagieren wird ...

Die britische Labour Party und der Antisemitismus

Schon jetzt ist in der FAZ Folgendes zu lesen:
"Was ist nur mit der Labour Party los, die in ihrer Geschichte bisher meist Antisemitismus bekämpfte und sich nun ständig mit dem Antisemitismus in den eigenen Reihen beschäftigen muss?"
Raphael Groß fragt das. Zwei Untersuchungsausschüsse gebe es schon zu diesem Thema. So habe sich der ehemalige Londoner Bürgermeister Ken Livingstone zu Hitlers angeblicher Unterstützung für den Zionismus geäußert. In den Worten des FAZ-Autors:
"Livingstone zündelte mit der Behauptung, Hitler habe, bevor er 'mad' geworden sei, die Sache der Zionisten unterstützt und Juden 'nach Israel geschickt'. Dafür wurde er von seinem Parteikollegen John Mann vor laufender Kamera als 'Nazi-Apologet' beschimpft – was Mann wiederum eine Rüge der Parteiführung einbrachte", schreibt Raphael Groß. "Dass man Historiker brauchte, um darauf hinzuweisen, dass Israel (Livingstone spricht nicht von Palästina) überhaupt erst nach dem Tod Hitlers gegründet wurde, ist nur ein Detail dieser insgesamt deprimierenden Episode."
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