Aus den Feuilletons

Bier als Treibstoff der Geschichte

Maß Bier in Bayern
Beim Kulturgut Bier höre hierzulande der Spaß auf, schreibt Eckhard Fuhr in der "Welt". © picture alliance / dpa / Foto: Karl-Josef Hildenbrand
Von Ulrike Timm · 18.02.2016
Das Reinheitsgebot feiert 500. Geburtstag. Im Feuilleton der "Welt" ist deshalb eine fulminante Bierflasche abgebildet: Zur Besprechung der großen Jubiläumsausstellung im Technoseum Mannheim, die das "kulturelle Elementarphänomen Bier" erklärt.
Plopp? Oder ... Fffump? Ist vielleicht eine Glaubensfrage und soll uns nicht aufhalten. Jedenfalls ziert das Feuilleton der WELT eine fulminante Flasche Schultheiss Bier und ein fettes "Fump!". Die Flasche ist ein älteres Semester, stammt aus dem 19. Jahrhundert. Gefeiert werden 500 Jahre Reinheitsgebot, Eckhard Fuhr hat die dazugehörige Landesausstellung besucht – im Technoseum Mannheim, nicht in München. Bier als "Treibstoff für historische Prozesse", Hopfen, Gerste und Wasser beruhigten aufgeregte Mythenwesen - im sumerischen Gilgamesch-Opus vor 4000 Jahren, sie sorgten noch 1960 für Streik am Arbeitsplatz – wegen gestrichener Bierpause und bescheren sprudelnde Steuereinnahmen – seit 500 Jahren.
"Mit Bier fängt in Deutschland der Spaß an, beim Bier hört er aber auch auf. Über Weinpanscher gibt es nette Witze. Für Bierpanscher gibt es in der Humorzone keinen Platz",
lesen wir in der WELT. Fazit des Autors, der vom Gang durch die Biergeschichte schwer angetan scheint: Wenn man
"über das kulturelle Elementarphänomen Bier nachdenkt, geht man mit anderen Augen durch den Getränkemarkt."

Drohender Zerfall Europas

Gut gestärkt nehmen wir uns eine Doppelseite der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG vor, die sich Europa widmet. Das ist
"bedroht, heißt es, es könnte zerfallen, zerstieben, zerrinnen. Und wenn es so wäre? Wenn die Zeit vor Brüssel und Schengen wiederkehrt, als wir noch Pässe brauchten und Stempel sammelten?"
Diese Frage hat die SÜDDEUTSCHE gleich acht Schriftstellern aus Ost und West gestellt, die Antworten lesen sich zumindest teilweise angenehm politiksprech-schwarzbrotfrei, wobei das Bekenntnis zu Europa ein glühendes ist.
Von seiner erklecklichen Pässesammlung und vom "Pilze suchen ohne Pass" erzählt Ales Steger aus Slowenien, "wir zerstören keine Säulen im Namen der Religion!" – so beschwört Mario Fortunato leidenschaftlich, was Palermo mit Helsinki verbindet, Andrzej Stasiuk denkt kritisch über sein sich noch immer selbst suchendes Heimatland Polen nach, Eva Menasse entwirft eine Groteske, "einen Wirtshaus-Dialog zweier Einheimischer im Konditional", Tenor: "Endlich wieder Frittatensuppe statt 'Rinderbrühe mit Pfannkuchenstreifen". Einen grandiosen Saunabesuch beschreibt Jaroslav Rudis, so tschechisch-schwarzhumorig, dass man's nicht nacherzählen sollte.
Lesen kann man's unter der Überschrift "Ein Grab ist was fürs Leben" in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.

Kopflose Kunst in Essen

Kaputte Kunst melden gleich mehrere Zeitungen, mit und ohne Bild – eine vier Meter hohe Skulptur von Thomas Schütte wurde versehentlich geköpft. Beim Abbauen, offenbar zerbarst eine Schweißnaht. Der Sammler Thomas Olbrich hatte die Aktion veranlasst – aus Sorge, vor Beschädigungen und Metalldiebstahl. Jetzt ist die Kunst kopflos, zuvor hatten die "Großen Geister" mehr als 12 Jahre stabil vor der Essener Philharmonie ausgeharrt. Ist das nun Künstlerpech, Sachbeschädigung oder Wink des Schicksals? Wir wollen's nicht entscheiden.

Komponist György Kurtág wird 90

Einem ganz Leisen, einem ganz Großen gratulieren FRANKFURTER ALLGEMEINE, NEUE ZÜRCHER ZEITUNG und SÜDDEUTSCHE, der Komponist György Kurtág wird 90. Reduktion und Verdichtung kennzeichnen seine Tonsprache, ein Kurtág-Stück von sagen wir sieben Minuten ist schon ein recht langes Kurtág-Stück. Am berühmtesten bis heute sein langer Zyklus kürzester Lieder nach Kafka-Texten, komponiert für Stimme und Violine.
"Es geschieht etwas – und es wird geantwortet", so zitiert die FAZ den Meister der akribischen, skurrilen, gewitzten, seligen oder auch verzweifelten Suche nach der Farbe jedes einzelnen Tons. Dass es dieser Komponist der Neuen Musik zu beträchtlichem Publikumserfolg gebracht hat, macht froh! Derzeit komponiert Kurtág Becketts "Endspiel", jedes einzelne Wort. Das kann dauern. Möge ihm die Zeit gegeben sein. Glückwunsch. Und Verbeugung!
Mehr zum Thema