Aus den Feuilletons

Bewusstes Bummeln mit der Bimmelbahn

Zwei Bahnen der Harzer Schmalspurbahnen (HSB)
Bewusste Entschleunigung empfiehlt uns die NZZ © imago/chromorange
Von Klaus Pokatzky · 23.06.2015
Die NZZ empfiehlt uns Deutschen das Bahnfahren als Mittel für "das ungestörte Landschaftserlebnis" und schickt deshalb ihren Reporter mit der Bahn durch das Saale-Tal. Im Senegal hingegen mutiert eine HipHop-Akademie zum Vorzeigeobjekt.
"Die Deutschen schimpfen immer gern auf die Bahn", lesen wir in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, "besonders, wenn wieder die Lokführer streiken", schreibt Norbert Hummelt.
"Seltener wird an das ungestörte Landschaftserlebnis gedacht, das man sich durch Bahnfahren immer noch verschaffen kann."
Und so nimmt uns der Schriftsteller Norbert Hummelt mit auf eine wundersame Bahn-Reise durchs Tal der Saale: durch die "sanfte, berückend schöne Gegend mit ihren Weinbergen, Wiesengründen, Burgruinen und alten Städten."
Und achtet stets darauf, dass er Grossheringen mit seinen Burgruinen nicht mit den Dornburger Schlössern verwechselt, wo Goethe sich so gern aufhielt. Deutsche Kulturlandschaft mit allen Glanz- und Schattenseiten:
"Wer durch Naumburg geht, geht auch durch Kaisersaschern, die Stadt, in der Thomas Mann seinen 'Doktor Faustus' ansiedelte. Auf dem Weg zum Nietzsche-Haus am Weingarten 18 komme ich an der Jüdengasse vorbei, wo eine Gedenktafel auf die am 14. Mai 1494 erfolgte Ausweisung aller Juden aus Naumburg verweist."
Die Bahn wartet, die Lokführer streiken gerade nicht.
"Bei Weissenfels, wo Novalis begraben liegt, verlasse ich die Saale und fahre heim ins allzu zeitgenössische Berlin."
Essen nach Dialekt
Und da geht’s hart zu. Der Berliner hasst vor allem einen Dialekt – und das ist leider nicht sein eigener. "Man isst, was man sagt. Die Sprache macht den Geschmack", klärt uns die BERLINER ZEITUNG darüber auf, wie Essen und Sprechen zusammenhängen. "Es ist ein Unterschied, ob man das Wort Stulle oder das Wort Bemme isst. Es schmeckt anders, es fühlt sich anders an", schreibt Dirk Pilz, der aus dem sächsischen Vogtland stammt und daher sein belegtes Brot natürlich "Bemme" nennt und nicht "Stulle", wie der das Sächsische verachtende Berliner.
"In Berlin ist man als Bemmenesser Ausländer. Es gibt hier, soweit ich weiß, keine Kioske und keine Kneipe, in denen Bemmen angeboten werden. Überall nur Stullen, die nie wie Bemmen schmecken, sondern immer nach Stullen. Berlin ist bemmenfrei."
Berlin, Kollege Pilz, ist auch Schnittchen- und Semmeln- und Weckenfrei.
HipHop als Bildungsmotor
"Zwischen HipHop-Postern, Computertischen und Bücherregalen stehen Grüppchen von Studenten beieinander und diskutieren", das steht in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG – mit der wir in ein Land reisen, in dem keine Bemme und keine Stulle verspeist werden, sondern eine Tartine. In der senegalesischen Hauptstadt Dakar residiert eine HipHop-Akademie, "immerhin Afrikas einzige Einrichtung dieser Art", die Jonathan Fischer besucht hat.
"Bereits seit den 90er Jahren gelten die senegalesischen Rapper als Vorreiter des politischen HipHop in Afrika. Ihre Konzerte in den Vierteln gleichen wilden Wahlversammlungen. Ihre Beats und Parolen haben die Kraft, Regierungen zu stürzen."
Die HipHop-Akademie in Dakar wird auch vom Goethe-Institut gefördert; Tontechniker, Grafiker, Videofilmer werden hier ausgebildet. "Du musst nicht nach Europa gehen, um dein Glück zu suchen", sagt Akademie-Gründer Matador. "Fast alle Studenten der HipHop-Akademie folgten schon Einladungen zu Austauschprogrammen in den Westen", hat Jonathan Fischer erfahren.
"Alle sind zurückgekommen."
Und nach dem Ermunternden das Traurige. Der "Virtuose des Zwielichtigen", so die NEUE ZÜRCHER, "einer der letzten Granden des alten österreichischen Theaters", so die SÜDDEUTSCHE, ist gestorben: Helmut Lohner, einst Direktor am Theater in der Josefstadt in Wien, einer der "ganz Großen der Bühnenkunst", wie Alfred Schlienger in der NEUEN ZÜRCHER würdigt.
"Es gibt wohl wenige Schauspieler, denen man in Goethes 'Faust' bedenkenlos sowohl die Titelrolle als auch den Mephisto anbieten kann. Der feinnervige Wiener spielte sie beide bravourös, mit dem Mehrwert des Alter Ego, des konträren Charakters in sich."