Aus den Feuilletons

An gedankenloser Wurschtigkeit kaum zu überbieten

Die britische Königin Elizabeth II. und Bundespräsident Joachim Gauck kommen am 24.06.2015 in Berlin im Schloss Bellevue zu einem Staatsbankett zusammen.
Die britische Königin Elizabeth II. und Bundespräsident Joachim Gauck kommen am 24.06.2015 in Berlin im Schloss Bellevue zu einem Staatsbankett zusammen. © picture alliance / dpa - Michael Kappeler
Von Paul Stänner · 27.06.2015
Nun ist sie also wieder weg, die Queen - im Gepäck das drollige Bild, welches Joachim Gauck ihr schenkte, und das sie als kleines Mädchen hoch auf einem Pferd zeigt. "Farbige Dutzendware", meint "Die Welt", gedankenlos und wurschtig.
Sie sei auf rührende Weise naiv, schreibt Alan Posener in der WELT über Nicole Leidenfrost, jene Malerin, die das weltweit als drollig empfundene Bild gemalt hat, welches der Bundespräsident der Queen schenkte. Posener geht sehr freundlich mit der Malerin um, die im Internet ihre kindlich wirkende Malkunst offenbar mit ebenso kindlich unbeholfener Grammatik anbietet und gönnt ihr den explorierenden Marktwert. Heftig dagegen geht er mit den auswählenden Institutionen im Außenministerium und Präsidialamt ins Gericht:
"Dass also eine Anbieterin farbiger Dutzendware beauftragt wurde, das Gastgeschenk für die Königin zu malen – das wusste der Bundespräsident. Das ist an gedankenloser Wurschtigkeit kaum zu überbieten. Ist ja bunt, ist ja billig, die Königin hat nicht so einen besonderen Kunstgeschmack, das weiß man, da tut's auch etwas, was man sich selbst auf keinen Fall ins Arbeitszimmer hängen würde", schreibt Posener.
Selbst mal mit gedankenloser Wurschtigkeit titelt die WELT: "Serienstar Patrick Macnee gestorben". So kann man nicht an Patrick Macnee erinnern, den John Steed aus der – zugegeben – Serie „Mit Schirm, Charme und Melone". Er war eine Leitfigur in jener Zeit, als sich das Fernsehen noch als Bildungsanstalt begriff, die versuchte, der Bevölkerung Benehmen-durch-Unterhaltung beizubringen – diese Eleganz, diese Unerschütterbarkeit, diese vollendeten Manieren unter allen widrigen Umständen: "Patrick Macnee war das Inbild eines britischen Gentleman...", schreibt Harald Jähner in der BERLINER ZEITUNG. "Nie öffnete er den Knopf seines perfekt sitzenden Jacketts. Ein scheinbar altmodischer, in Wahrheit irritierend moderner Mann, der sich selbst genügt, das Gegenteil des altbackenen Flirtgockel namens James Bond." Recht hat er.
In Berlin hat die australische Band AC/DC vor 70.000 Zuschauern gespielt. Den groben James Bond könnte man sich in einer Film-Szene auf einem Konzert von AC/DC vorstellen, der kultivierte John Steed wäre dort völlig undenkbar. Warum? Es schreibt Maurice Summen in der BERLINER ZEITUNG: "Wer die Gleichförmigkeit der Lieder, mangelnde kompositorische Finesse oder fehlende Abwechslung im Repertoire bemängeln wollte, der hat AC/DC nicht verstanden. Hier ist Stumpf wirklich Trumph" – und wer jetzt noch Zweifel hegt, kann von Kai Müller im TAGESSPIEGEL lesen: "Die Kraft der Wiederholung hat diese Musik mit ihrem natürlichen Widersacher ausgesöhnt, der Intelligenz."
Angesichts so viel fröhlicher, selbstverliebter Hirnlosigkeit hätte John Steed nach Schirm und Melone gegriffen und wäre gegangen.
Damals hätte man ihn noch fotografieren können, vor dem Buckingham Palace, dem er diente. In der FAZ beschreibt Andrea Diener die Gefahren, die von der Aufhebung der so genannten Panoramafreiheit ausgehen. Diese Freiheit erlaubt es bislang, Gebäude im öffentlichen Raum zu fotografieren und die Fotos kommerziell zu nutzen. Nun soll diese Regelung durch eine Neufassung des europäischen Urheberrechts abgeschafft werden. Das betrifft im Grunde jeden, wenn er im Urlaub ein Foto vom Eifelturm oder Brandenburger Tor macht hat und zum Beispiel auf Facebook hochhält. "Die Tage der Panoramafreiheit könnten also gezählt sein", befürchtet Andrea Diener.
Malte Lehming hat sich im TAGESSPIEGEL von einer Statistik-Website inspirieren lassen. Anhand ihrer Zahlen über das Auftreten von Politikern in Talkshows kommt er zu dem Schluss, dass Politikerinnen und Politiker der Linken, gemessen an ihrem Wahlergebnis, deutlich überrepräsentiert sind. Und er kommt zu dem Schluss: "In gewisser Weise sind Talkshows das Gegenteil von Proporz. Doch auf ein Publikum, dem das nicht in jeder Sendung bewusst ist, kann sich diese Regel manipulativ auswirken."
Als ob es darauf noch ankäme! Bei dieser Flut von ewiggleichen Talkshows zu ewiggleichen Themen mit den ewiggleichen Figuren! TAGESSPIEGEL-Autor Malte Lehming sollte lesen, was TAGESSPIEGEL-Kollege Kai Müller über AC/DC schrieb: "Die Kraft der Wiederholung hat diese Musik mit ihrem natürlichen Widersacher ausgesöhnt, der Intelligenz."
Gilt das nicht auch für Talkshows?
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