Aus den Feuilletons

Alles für den Film

Film, Filmrolle, Kino, Filmprojektor, Zelluloid
Die Filmindustrie verändert sich, was man gerade in Cannes gut beobachten kann. © dpa / picture alliance
Von Hans von Trotha · 17.05.2015
Ein gutes Gefühl. Dieses Urteil fallen die Feuilletons über die Filmfestspiele in Cannes und den Zustand des Films im Allgemeinen. Auch wenn man sich über die Vertriebskanäle nicht einig ist - und Netflix einen guten Bösewicht abgibt.
"Verheerungen durch Krieg und Terror gehören zu den Konstanten der Menschheit", schreibt Margarete van Ess, die Leiterin der Außenstelle Bagdad des deutschen Archäologischen Instituts, in der NZZ. Sie berichtet, wie sehr Palmyra auch jetzt schon, ohne die drohenden Übergriffe des sogenannten IS unter dem Bürgerkrieg leidet - "wurden doch immer wieder Grabskulpturen oder auch Teile der römischen Stadtarchitektur für den Verkauf auf dem Kunstmarkt abgeschlagen. Einiges davon konnte aufgegriffen … werden", schreibt van Ess.
"Anderes jedoch wird auf illegalen Wegen in den Weltmarkt gelangt sein und von Kunstliebhabern, die die Augen vor den Herkunftsbedingungen verschließen, aufgekauft werden. Man sollte sich nichts vormachen: Es sind nicht nur die Bürgerkriegsparteien, Terrorherrscher oder mafiaähnlich vernetzte Profiteure, die das Kulturerbe der Region und die zukünftige Lebensgrundlage der Menschen in Syrien zerstören."
Punkt. Van Ess verzichtet auf das "Sondern", das dem Satz zu fehlen scheint. Ein ein-dringlicher Appell, erst einmal vor der eigenen Haustür zu kehren.
"Berliner Groteske"
Da sieht es nicht besser aus. In der Süddeutschen Zeitung erinnert Willibald Sauerländer an einen, wie er es nennt, "ideologisch aufgeheizten Bildersturm, ähnlich wie wir ihn gegenwärtig im Irak erleben". Er meint die Sprengung des Berliner Schlosses im Jahr 1950.
Nun ist es ja so, dass, wenn sich die Münchner im Feuilleton der Bundeshauptstadt annehmen, ein Attribut wie "grotesk" eher zu den harmlosen Befunden gehört. Insofern deutet die Überschrift "Berliner Groteske" auf feuilletonistisches business as usual.
"Da wird ein ganzes Schloss künstlich wiederaufgebaut", empört sich Sauerländer – wobei die Zwischenfrage erlaubt sein mag, wie ein Wideraufbau anders vonstatten gehen soll als "künstlich" – " und dann vergisst man das einzig Echte, was die Sprengung überlebt hat: die Möbel". – Fazit Sauerländer:
"Wie bei der Möblierung des wieder aufgebauten Schlosses die Erinnerung an dessen ehemalige Ausstattung einfach übergangen oder schlicht vergessen wurde, das verschlägt einem doch den Atem."
Den verschlägt es bisweilen auch den Berichterstattern aus Cannes. Die können ja nicht einfach über Filme schreiben, sondern müssen immer Trends ausmachen oder irgendwelche Gesetzmäßigkeiten So wie Hans-Georg Rodek in der Welt:
"Natürlich, und tief in uns wissen wir das auch, sind alle Gefühle im Kino das Resultat eines Herstellungsprozesses."
Entweder ihr spielt mit - oder seid bald tot
Akut in Cannes bedeutet das für ihn: "Vom Gefühl her haben wir ein gutes Gefühl". Verena Lueken wird emotional allgemein und überschreibt ihren Bericht "Zur Lage der Liebe in Cannes" – um dann erst einmal zu fragen: "Wenn Sie die Wahl hätten, ein Tier zu sein, warum nicht ein Hummer?". Und Susanne Ostwald stellt in der NZZ fest:
"Es wird persönlich an der Croisette: Liebesfilme und Ehedramen beherrschten am Wochenende die Leinwand, fanden aber nicht immer die Gegenliebe des Publikums."
Ach ja, das Publikum. Zu dem müssen die Filme am Ende ja auch irgendwie kommen. Dazu hat David Stein in der Süddeutschen das Neueste: Ted Sarandos, laut Visitenkarte kreativer Chef des Streaming-Dienstes Netflix und laut David Stein "derzeit in Personalunion die wichtigste Hass- und Galionsfigur der Filmindustrie", hat in Cannes einen Vortrag gehalten. "Und weil", berichtet Stein,
"für einen Heimvideo-Verfechter wie Sarandos das Kinoparadies Cannes kein leichtes Pflaster ist, hat der geübte Schwurbelredner sein Netflixisch noch mal verfeinert. Das klingt dann zum Beispiel so: 'Wir sind nicht gegen Kinos, wir sind für Filme.' Ins Deutsche übersetzt heißt das: Entweder ihr alten Kinodinosaurier spielt unser Streaming-Spiel mit – oder ihr seid bald tot."
Ob es dann noch so schöne Serien wie Mad Men gibt? Da ist gerade die letzte Folge gelaufen. Dabei meint der Werbeprofi Marc Schwieger in der Welt: "Don Draper hätte uns noch so viel zu sagen gehabt". Und dann kommt noch so ein Satz, den wohl nur Werber sagen und auch nur Werber verstehen können: "Jetzt müssen wir Werber nur noch verstehen, was unsere Kunden längst wissen".
Wohl dem, der sich darum nicht kümmern muss und in aller Ruhe darüber nachdenken kann, ob er gern ein Hummer wäre oder vielleicht doch lieber nicht.
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