Aus den Feuilletons

Abschied vom gedruckten Buch

Ein iPad mit Apps auf dem Bildschirm liegt auf einem aufgeschlagenen Buch.
Ein iPad mit Apps auf dem Bildschirm liegt auf einem aufgeschlagenen Buch. © picture alliance / Marc Tiri
Von Hans von Trotha · 29.11.2016
Die Deutsche Nationalbibliothek setzt auf Digitalisierung und sperrt den Zugang zu Büchern, die auch elektronisch vorliegen. Welche Tücken das hat und was dabei verloren geht, erklärt die "FAZ".
"Aufzeichnungen aus dem Kellerloch" nennt Thomas Thiel seinen "Bericht aus einer Bibliothek, die keine mehr sein will" in der FAZ:
"Die Deutsche Nationalbibliothek nimmt Abschied vom gedruckten Buch und sperrt es weg, lügt sich mit der Digitalisierung aber in die Tasche. … Der Beschluss der Deutschen Nationalbibliothek (DNB), den Zugang zu gedruckten Büchern, die auch elektronisch vorliegen, zu sperren, beruft sich auf ein leicht verständliches Argument: Die Bücher werden vom Leser benutzt, und es ist teuer, sie immer wieder instand zu setzen. Die DNB verabschiedet sich damit von der Kernaufgabe einer Bibliothek: einen Raum zu bieten, in dem man Bücher leihen und lesen kann."
Thiel kann es aber nicht lassen.
"Wir machen die Probe und bitten, uns Michael Hagners Monographie 'Zur Sache des Buches' auszuhändigen, das in der elektronischen Version keine Seitenzahlen hat und für die Wissenschaft so nicht zu gebrauchen ist."
Ausnahmsweise bekommt er es. Thiel weiter:
"Wir lesen: 'Laut Berechnungen des Schweizerischen Bundesarchivs in Bern ist die digitale Konservierung eines Meters Archivmaterial neunmal teurer als dessen analoge Konservierung'."

Hören Sie auch das "Kompressor"-Gespräch mit Gabriele Berger, Leiterin der Staats- und Universitätsbibliothek in Hamburg, zum Thema Digitalisierung von Büchern und Bibliotheken als Leseorte.

Da wechseln wir doch auch gleich in die Schweiz, schlagen das Feuilleton der NZZ auf, und da lacht uns die Überschrift an:
"Die Wörter bringen es ans Licht".
Und wer hat´s geschrieben? Michael Hagner, Verfasser der Monographie "Zur Sache des Buches". Hier versucht er, uns zu erklären, dass Menschen, die Bücher machen, also zum Beispiel Verleger, auch unsere Sprache machen, oder so ähnlich:
"Keine der in den Wörtern 'editions', 'publisher' und 'Verlag' enthaltenen Bedeutungen ist treffender als die andere, keine vermag den Anspruch zu erheben, das Büchermachen vollständig zu erfassen. Büchermacher sind sogar in den Wörtern, die sie als solche benennen, an der 'Sprachmache' beteiligt. Man kann das auch Sprachpflege nennen, die ebenso hoch zu veranschlagen ist wie die Körperpflege."
Das ist jetzt vielleicht eine etwas überraschende Assoziation, aber es ist schon klar, worauf sie zielt: Hier geht es um die Kultur als Ganze. Und die ist nicht nur in der Deutschen Nationalbibliothek, der DNB, auf dem Weg ins Kellerloch, sondern auch in der zentralistischen Kulturnation Frankreich, wie Joseph Hanimann in der SÜDDEUTSCHEN erklärt:
"Frankreichs Kulturpolitik ist schon lange keine leuchtende Vision mehr. Noch unter dem ersten Minister André Malraux verkam sie zu einer Sache der großen Worte, dann der rauschenden Feste unter Jack Lang, schließlich zur symbolischen Zahl – ein Prozent des Gesamtstaatshaushalts – und heute zu fast gar nichts mehr."

"Flow" für Frauen, "Wolf" für Männer

Immerhin schleusen die Franzosen immer noch Kultur zu uns herüber – und zwar gedruckte. Wie hält es die DNB eigentlich mit gedruckten Zeitschriften? Derselbe Joseph Hanimann nämlich, der uns gerade erklärt hat, wie die Kultur in Frankreich zugrunde geht, meldet in derselben SÜDDEUTSCHEN, wie die französische Kultur weiter zu uns kommt:
"Zunächst hielt man es für einen neuen Charlie-Witz. 'Charlie Hebdo' auf Deutsch, das ist ein bisschen wie Rumpelstilzchen auf Hocharabisch. Doch an diesem Donnerstag ist es so weit. Dass dem Humor und dem Spott beim Sprung über die Sprach- und Kulturgrenze hinaus leicht die Spitze bricht, ist auch den 'Charlie'-Autoren klar."
Das ist aber immer noch besser, als die Deutschen ihre eigenen Zeitschriften gründen zu lassen. Die nehmen dann einfach eine Frauenzeitschrift, sagen wir die Zeitschrift Flow, lesen den Namen rückwärts, dann heißt das Wolf, und das ist dann, klar, eine Männerzeitschrift. Und das ist kein Witz, behauptet David Denk in der SÜDDEUTSCHEN:
"Das Magazin 'Flow' erklärt weiblichen Lesern schon seit einer Weile, wie sie sich am besten auf sich selbst besinnen. Wolf – also Flow von hinten – tut nun dasselbe für den männlichen Leser.Wolf will 'das Männer-Magazin fürs Wesentliche' sein. Auf den ersten Blick klingt das wie ein Widerspruch in sich; auf den zweiten leider auch."
Nicht, dass die bei der DNB jetzt auf die Idee kommen, auch so einen Anagrammableger zu gründen. Das wäre sicher nicht gut für die im Kellerloch geparkten Bücher. Der hieße nämlich BND.
Mehr zum Thema