Aus dem Abseits

11.02.2010
Die deutschen Fußballfrauen errangen 2003 und 2007 den Weltmeistertitel, im Jahr 2009 setzten sie sich als Europas beste Spielerinnen durch. Doch zuvor gab es einen langen Kampf um Anerkennung für die kickenden Frauen, wie Rainer Hennies und Daniel Meuren in ihrem Buch "Frauenfußball" darstellen.
Es ist eine Herkulesaufgabe: Wie kriegt man die Geschichte einer Sportart zwischen zwei Buchdeckel, ohne etwas Wichtiges auszulassen, aber auch ohne den Leser mit viel zu vielen Details zu überfordern? Reiner Hennies und Daniel Meuren lösen die Aufgabe mit Bravour.

Natürlich geht es in England los, wo die "Dick, Kerr Ladies", Betriebssportlerinnen einer Munitionsfabrik, stellvertretend für ihre Männer, die während des Ersten Weltkriegs im Dreck der Schützengräben lagen, in der Freizeit gegen den Ball traten, und es endet beim immer kommerzieller werdenden Frauenfußball der Gegenwart.

Abgesehen vom rührenden, aber sogleich gescheiterten Versuch der Kabarettistin Lotte Specht, 1930 in Frankfurt am Main Frauenfußball populär zu machen, geht es in Deutschland erst in den 1950er-Jahren richtig los. Doch der DFB stellte sich quer, verbot den Frauen Fußball zu spielen. Die gedemütigten männlichen Kriegsheimkehrer sollten wenigstens auf dem Fußballplatz die Hosen anbehalten.

Dabei war Frauenfußball damals sehr beliebt. Weil die Stadien leicht mit Schaulustigen zu füllen waren, gründeten Geschäftsleute eigene Verbände und sogar eine inoffizielle Nationalmannschaft. Ein wilder Spielbetrieb entstand. Erst nach und nach begriffen die DFB-Funktionäre, dass sie die Frauen in den Verband integrieren mussten, wenn sie die Kontrolle zurückerobern wollten.

Erst 1972 wurde das Frauenfußballverbot vom Verband aufgehoben. Und erst 1982 bestritt eine deutsche Frauennationalmannschaft ihr erstes offizielles Länderspiel. Inzwischen zählen die deutschen Fußballerinnen mit zwei Weltmeister- und sieben Europameistertiteln zu den erfolgreichsten Teams der Welt.

Das Buch arbeitet sehr gut heraus, wie sich der DFB durch personelle Erneuerung in den vergangenen Jahrzehnten vom Gegner zum Förderer des Frauenfußballs gewandelt hat und wie die Professionalisierung voranschritt. 1990 wurde die Bundesliga gegründet. Immer mehr große Klubs wie Bayern München oder Werder Bremen haben Frauenmannschaften gegründet.

Sie verdrängen die traditionellen, reinen Frauenvereine, die in den vergangenen Jahrzehnten die Meisterschaften unter sich ausmachten. Trotzdem kommen im Schnitt bisher nur rund 1000 Zuschauer zu den Bundesligaspielen in die Stadien. Hennies und Meurer stellen fest, dass in Deutschland nur rund ein Dutzend Spielerinnen als Vollprofis von ihrem Sport leben können.

Verschiedene Autoren steuern die Geschichten zu "Frauenfußball" bei. Sie sind gut recherchiert und reich an Fakten; allerdings manchmal ein wenig schlampig redigiert. In einem sehr informativen Sonderkapitel wird über den Frauenfußball in der DDR berichtet, bei dem es bemerkenswerte Parallelen zur Entwicklung in Westdeutschland gab.

In Interviews und Porträts werden Trainer, Vereine und wichtige Funktionäre vorgestellt. Am Ende gibt es eine Menge Tabellen und Statistiken, die den organisierten Spielbetrieb in beiden deutschen Staaten lückenlos dokumentieren. Zahlreiche Fotos machen das Buch zu einer leicht lesbaren, abwechslungsreichen Lektüre.

Besprochen von Thomas Jaedicke

Reiner Hennies, Daniel Meuren (Hrsg.): Frauenfußball. Der lange Weg zur Anerkennung
Die Werkstatt, Göttingen 2009
382 Seiten, 24,90 Euro