Aufstieg und Fall eines Lyranten

13.07.2012
Mozart und Schikaneder. Das Musikgenie und der mit allen Wassern gewaschene Theaterpraktiker. Der Historie dieses ungleichen Paars geht Eva Gesine Baur in ihrer aufwändig recherchierten, salopp erzählten Schikaneder-Biographie nach.
Er liebte die Show: der Vollblutschauspieler, Theatermacher und Impresario Emanuel Schikaneder aus dem bayerischen Straubing. Aus kleinen Verhältnissen stammend, arbeitete er sich vom 'Lyranten', also Straßenmusiker, und Kleindarsteller zum umjubelten Bühnenstar und waghalsigen Geschäftsmann hoch.

Alles war ihm recht: mit aufwändigem Maschinenspuk und dummen Späßen lockte er sein Publikum ins Haus, mit Zaubermärchen, Massenspektakeln und derbem Klamauk. Seine Glanzrolle, in der er mehr als ein Jahrzehnt auf der Bühne stand, war Papageno, der Vogelfänger.

55 Schauspiele und 44 Textbücher für Singspiele und Opern schrieb Schikaneder. Sein berühmtestes Werk ist das Textbuch zu Mozarts "Zauberflöte". Der Theaterzettel des k. k. privilegierten Theaters an der Wieden vom 30. September 1791 verrät, wer in seinen Augen der Wichtigere war:

"Zum Erstenmale : Die Zauberflöte. Eine große Oper in 2 Acten, von Emanuel Schikaneder. Und klein gedruckt nach der Auflistung der Sänger und Sängerinnen: Die Musik ist von Herrn Wolfgang Amade Mozart."

Mozart und Schikaneder. Das Musikgenie und der mit allen Wassern gewaschene Theaterpraktiker. Der Historie dieses ungleichen Paars geht Eva Gesine Baur in ihrer Schikaneder-Biographie akribisch nach. Ausführlich schildert sie das Theatermilieu und zeigt die Motive, beleuchtet die fruchtbare Mischung aus Sympathie und gemeinsamen Geschäftsinteressen.

Beide Künstler befanden sich, als sie sich im Frühsommer 1791 zusammentaten, finanziell in einer Krise. Vor allem auf Mozart lastete ein Schuldenberg. Mit ihrem Singspiel hofften sie das Steuer herumzureißen. Tatsächlich wurde Die Zauberflöte ein überwältigender Erfolg; nur starb Mozart zu früh, um die Früchte seiner Arbeit noch ernten zu können. Schikaneder dagegen wurde kurzfristig reich.

Doch irgendwann verlässt ihn das Glück. Er kommt aus der Mode. 1806 bricht Schikaneder nach Pfiffen und Geschrei auf der Bühne zusammen. Eine Zeit lang tingelt er noch mit seiner Truppe durch die Provinz. Im September 1812 stirbt der "erste Papageno" in "geistiger Umnachtung" bitterarm in Wien.

Schikaneders Leben fällt in eine bewegte Zeit der Umbrüche und politischen Machtverschiebungen. Und Baur versteht es vorzüglich, dessen Laufbahn mit historischem Treibstoff zu füllen. Sie reicht von der ausgehenden Ära Maria Theresias bis zu Franz II., dem ersten 'Kaiser von Österreich'. Von den Anfängen der Französische Revolution bis zu Napoleons Einzug in Moskau und dessen Niederlage. Von der Wiener bis zur Weimarer Klassik. Von Mozart, Haydn und Beethoven bis Goethe und Schiller.

Aber diese aufwändig recherchierte, salopp erzählte Biographie hat einen Schönheitsfehler. Baur schildert breit und faktenreich, sie zitiert wichtige Zeitzeugen und entlegene Quellen, aber sie zieht daraus keine eigenen Schlüsse. Was bedeutet uns heute dieses Theatergenie aus vergangenen Zeiten? Mozarts Größe bedarf keiner Erklärung, seine Musik steht als Garant. Aber wie ist Schikaneders Persönlichkeit und sein immenses Œuvre zu bewerten? Ist der Verfasser unzähliger Possen und Singspiele - wie der Dichter HC Artmann und sein Wiener Kollege Gerhard Rühm meinen - nicht ein Vorläufer des "literarischen Cabarets", ja im weitesten Sinne ein früher Perfomancekünstler gewesen?

So weit muss man nicht gehen, aber ein Ausblick auf die Gegenwart hätte dieser rezeptionsgeschichtlich so ausladenden Biographie durchaus nicht geschadet und uns den "Mann für Mozart" noch näher gebracht.

Besprochen von Richard Schroetter

Eva Gesine Baur: Emanuel Schikaneder. Der Mann für Mozart
C.H. Beck, München 2012
464 Seiten, 24,95 Euro

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