Aufgehängte Katzen und Fußabdrücke des Teufels

23.06.2013
Stephen Dobyns pendelt zwischen Natürlichem und Übernatürlichem: Er lässt abgetrennte Köpfe aus Fenstern schauen und Gerüchte über Satans Anwesenheit streuen. Aber vor allem spielt er virtuos mit den Gefühlen des Lesers.
In Neuengland ist der Teufel los. Zumindest in Brewster, Rhode Island. Wo eben noch ein Baby im Bettchen lag, räkelt sich jetzt eine riesige Schlange. Kojoten von einer Sorte, die es eigentlich gar nicht geben dürfte, verbreiten Angst und Schrecken. Menschen werden auf vielfältige Art und Weise ermordet, gar skalpiert. Abgetrennte Köpfe schauen durch die Fenster in die Häuser mancher Leute. Katzen werden aufgehängt, und möglicherweise vergewaltigt Satan persönlich junge Frauen, die sich zu seltsamen Riten und Festen in den Wald haben locken lassen. Richtig unheimlich wird die Angelegenheit, als man Abdrücke auf dem Waldboden in der Nähe eines Tatortes findet, die entweder von den Hinterbeinen einer sehr großen Ziege stammen oder aber …

Der Roman "Das Fest der Schlangen" pendelt zwischen Natürlichem und Übernatürlichem, zwischen Thriller und Horror-Roman. Dabei kombiniert und variiert Dobyns zwei "Standard"-Konstellationen der amerikanischen Literatur: Brewster, Rhode Island, ist Small-Town-America, die gefährdete Idylle – von Autoren wie Hawthorne über Faulkner bis Bradbury immer wieder thematisiert und als Neurosenherd beschrieben und interpretiert.

Es ist aber auch das Neu-England von Stephen King, in das das Übernatürliche einbricht und dabei die Strukturen des Realen sichtbar macht. Dobyns spielt in seiner Geschichte lange virtuos mit diesen beiden Optionen und entscheidet sich am Ende dann doch für eine Lesart, die vermutlich die bösartigere ist, nicht ohne sie ganz am Ende noch einmal ironisch zu brechen.

Zum kleinen Juwel wird der Roman durch seine literarische Dimension: Nicht nur, dass Dobyns ein riesiges Figurenensemble so souverän bewegt wie selten ein Autor, er geht auch virtuos mit der Erzählperspektive um: Sein auktorialer Erzähler schwebt wie eine Kamera hoch am Kran über dem Geschehen, kommentiert, rhythmisiert, parodiert und persifliert und macht sich so lange lustig über die Handlung und die Figuren, bis wir merken, dass er sich eigentlich über uns Leser lustig macht.

Weil er mit unseren Affekten spekuliert, weil er auf unseren Voyeurismus setzt, auf unser Angstlust auf das ganz und gar Grausige und metaphysisch Böse. Schön wär´s, wenn hier der Teufel unterwegs wäre, aber die Realität ist notfalls viel ekliger.

"Das Fest der Schlangen" ist bei all dem auch ein sehr unterhaltsamer Thriller, der eine der edelsten Tugenden von Kriminalliteratur pflegt: Er löst neuralgische Problemlagen von Gesellschaften in Handlung und Action auf, klinkt sich damit in aktuelle Diskussionen ein, ohne selbst Diskurs zu werden.

So wie in diesem Buch, in dem es nicht nur um den spirituellen "Wert" von Menschen, also um die Seele geht, für die ggf. der Teufel eher zuständig wäre, sondern um den buchstäblich materiellen Wert eines Individuums. Mehr können und wollen wir nicht verraten. Nur so viel noch: "Das Fest der Schlangen" ist daneben auch noch witzig, hat brillante Dialoge, schräge Figuren und ein paar sehr hübsche Schockmomente.

Besprochen von Thomas Wörtche

Stephen Dobyns: "Das Fest der Schlangen"
Aus dem amerikanischen Englisch von Rainer Schmidt
C. Bertelsmann Verlag, München 2013
543 Seiten, 14,99 Euro