Auferstanden aus Ruinen

Dem Denkmalschutz in Sachsen-Anhalt droht die Revision

Blick auf die Kirche St. Stephan in Tangermünde, der Hansestadt an der Elbe, aufgenommen am 16.06.2008. Der Turm der im 14. Jahrhundert umgebauten gotischen Hallenkirche ist der höchste Kirchenturm in der Altmark. Das gotische Dachgewölbe ist 600 Jahre alt.
Die aus dem 14. Jahrhundert stammende Kirche St. Stephan in Tangermünde © dpa / Jürgen Strauß
Von Christoph Richter · 07.10.2015
Seit der Wende wurde viel investiert in den Wiederaufbau ostdeutscher Städte, auch in Sachsen-Anhalt. Dort sind heute wieder zauberhafte Altstädte zu besuchen, aber es gibt auch viel Leerstand. Und um den Denkmalschutz wird erbittert gestritten.
"Jetzt sehen Sie das Haus, wie es jetzt aussieht. Jetzt zeige ich Ihnen mal, wie das Haus früher ausgesehen hat."
Werner Eifrig ist 68, Mitglied im Arbeitskreis Werbener Innenstadt. Ein kleines Fachwerk-Städtchen in der nördlichen Altmark. Wer durch dieses Städtchen spazieren geht, kann das Gefühl bekommen, in einem anderen Jahrhundert gelandet zu sein. Der mittelalterliche kreisförmige Straßen-Grundriss ist komplett erhalten. Spätgotische Backsteinbauten, die an Lübeck erinnern, barocke und klassizistische Fachwerkhäuser mit den markant kreuzförmig verlaufenden schwarzen Balken und den typischen Spitz- und Walmdächern prägen das Stadtbild.
"Nun stellen wir uns mal vor diese beiden Bilder, da kann man sehen, so sah es in Werben aus. Keine Dachrinnen an den Gebäuden, hier lief das Wasser an der Wand runter, hat den Pilzfraß an dem Holz ausgelöst."
Die Altmark war die Wiege Preußens
Werben in der Altmark 1989: Alles war grau, trist, kurz vor dem Einfallen. Aus den Mauern wuchsen Birken. Werner Eifrig ist Besitzer eines alten Fachwerkhauses am Marktplatz, in dem sich früher auch der Gebetsraum der Werbener Juden befand:
"Ja, es war kurz vor dem Abriss. Und als ich anfing mit dem Bauen, da haben mich wirklich Leute für verrückt erklärt und haben gesagt, reiß doch diesen Mist weg, was willste damit. Und die jetzt hierher kommen, sagen, mein Gott, ist das schön geworden."
Dass die Altmark die Wiege Preußens war - wo die von Bismarcks, von Kattes, von Bredows oder von Wulffens gelebt hatten, kam erst nach 1989 wieder ins Bewusstsein. Die Herrenhäuser, Landschlösser und Kirchen, die Trutzburgen ähneln, sind saniert und leuchten im Sonnenlicht.
Spaziergänger gehen auf dem Elbdeich unmittelbar vor der Altstadt von Tangermünde im Landkreis Stendal mit dem Stefansdom (l.) und der Burganlage entlang. Die Anlage zählt zu den schönsten ihrer Art im norddeutschen Raum. Zunächst entstand um 1300 ein rechteckiger Turm, bevor um 1450 ein Rundturm und ein Verbindungsbau hinzukamen. Die alte Elbestadt Tangermünde wurde bereits 1368 Mitglied der Hanse.
auf dem Elbdeich unmittelbar vor der Altstadt von Tangermünde © picture alliance / dpa / Jens Wolf
Eine Milliarde Euro für den Denkmalschutz
Für den Wiederaufbau und Erhalt der historischen Innenstädte und Baudenkmäler wurde allein in Sachsen-Anhalt seit 1990 – so schätzen Experten – etwa eine Milliarde Euro ausgegeben, 75 Millionen von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, womit nach Angaben der Stiftung 536 Denkmale gerettet werden konnten. Das alles hat sich gelohnt, sagt SPD Kultusminister Stephan Dorgerloh:
"Weil auf diese Weise auch Städte ihre Geschichte erhalten haben. Und nicht damit irgendwelchen Brachen, mit irgendwelche adaptierten Neubau-Versionen versucht wurde, was neu zu gestalten. Ich halte das für ganz, ganz wichtig."
Etwa 29.000 denkmalgeschützte Gebäude – viele davon im Eigentum der öffentlichen Hand - gibt es in Sachsen-Anhalt. Hunderte davon stehen leer. Weil nun der Zahn der Zeit an den Gebäuden nagt, kommt es vermehrt zu Abrissanträgen.
"Ich glaube, dass im ostdeutschen Vergleich, dass das wirkliche Verschwinden und Vergehen von Denkmalen nicht höher ist als in anderen ostdeutschen, vielleicht auch nicht höher als in anderen westdeutschen Bundesländern",
unterstreicht Landeskonservatorin Ulrike Wendland. Es häufen sich die Stimmen, die sagen, dass Denkmalpfleger gern jedes Detail schützen würden. Das aber dazu führe, dass sich in vielen Fällen eine Investition letztendlich nicht rechne. Die Konsequenz: Investoren springen ab, Denkmale verfallen und verrotten. Während Denkmalschützer mit Nachdruck auf den Erhalt alter Baustrukturen und Grundrisse pochen, drängen Käufer auf Veränderungen, um die Gebäude für ihre eigenen Belange nutzen zu können.
Axel Thiem arbeitet in der Unteren Denkmalschutzbehörde im Landkreis Jerichower Land in der süd-östlichen Altmark – die mit mehr als 30 romanischen Backsteinkirchen als die Wiege der norddeutschen Backsteinarchitektur gilt. Er wendet ein:
"Es nützt uns ja nichts, Denkmale so zu verunstalten, dass sie nachher als Denkmale nicht mehr anerkannt werden, dass man sie aus der Denkmalliste streichen muss. Da hat mal eine Kollegin vom Landesamt gesagt: Dann lieber in Ehren sterben lassen, als so zu verhunzen."
CDU will Nutzung gegenüber Sanierung stärker gewichten
Der Denkmalschutz – der in Sachsen-Anhalt immer noch Verfassungsrang hat – steht aktuell vor einer Revision. Die regierende CDU sieht nach 25 Jahren Wiedervereinigung die größten Aufgaben geschafft. Nun müsse man den Fokus des Denkmalschutzes verschieben, ist im Vorfeld der Landtagswahl 2016 aus Kreisen der CDU zu hören. Es gehe nun nicht nur um die Sanierung alter Gebäude, sondern auch um die Nutzung, womit der Investor viel mehr als bisher in den Mittelpunkt gerückt werden müsse.
"Man muss auch mal sagen, es ist nicht jeder Investor ein Heiliger oder kommt mit einem tollen Plan. Muss man einfach mal so klar sagen",
widerspricht Sachsen-Anhalts Landeskonservatorin Ulrike Wendland.
"Wenn wir als Kulturland und mit Verfassungsrang Denkmalschutz in der Verfassung stehen haben – dann gilt das für alle."
Denkmalschützerin Wendland fordert eine bessere Städteplanung. Denn Lebensqualität bedeute auch, durch kleine Straßen und Gassen pittoresker Kleinstädte zu schlendern und in gemütlichen Gasthäusern einkehren zu können. Stattdessen sieht man in den Haupt-Einkaufsstraßen vieler Orte Sachsen-Anhalts nur 1 Euro-, Ramsch- oder Billigklamotten-Läden.
In Werben in der Altmark geht man einen anderen Weg, schafft ein lebendiges und attraktives Ambiente mit Dorfschule, Laden, Gasthaus und kleinen Pensionen. Ein erster Erfolg stellt sich ein: der Leerstand ist mittlerweile auf zehn Prozent gesunken, erzählt Werner Eifrig, der für die wiedergewonnene Schönheit seines historischen Städtchens wirbt:
"Ich habe schon ganz viele Rundgänge gemacht mit Leuten. Wenn dann einer von 100 Leuten sagt, jawohl, hier kaufe ich ein Haus, dann haben wir was gekonnt. Wenn wir im Jahr zwei Häuser verkauft haben, dann war unsere Arbeit nicht umsonst."
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