Auf zweifelhaftem Ruhm gebaut

Rezension von Jochen Staadt · 09.10.2011
Der Bildhauer und Architekt Arno Breker legte eine erstaunliche Karriere hin. In den 1920er-Jahren von einem jüdischen Galeristen entdeckt und gefördert wurde er später zu einem der prominentesten Künstler des Dritten Reichs. Bis heute sind Breker und sein Werk umstritten.
Zehn Stunden nach der Unterzeichnung des deutsch-französischen Waffenstillstandes stattete Adolf Hitler der französischen Hauptstadt einen Überraschungsbesuch ab. Am frühen Sonntagmorgen des 23. Juni 1941, als der Tag dämmerte, ließ er sich im offenen Wagen durch die menschenleeren Straßen von Paris fahren. An der Seite des Diktators saßen im Wagenfond sein Chefarchitekt Albert Speer und der Bildhauer Arno Breker. Jürgen Trimborn schreibt:

"Hitlers Besuch in der französischen Hauptstadt sollte nur ganze drei Stunden dauern. Der Ablauf der Besichtigungsfahrt war im Vorfeld minutiös von Arno Breker ausgearbeitet worden, der als bester Paris-Kenner in Hitlers Entourage galt, nachdem er jahrelang als Bildhauer in der französischen Hauptstadt gelebt hatte."

Vor dem Eiffelturm ließ sich Hitler flankiert von Speer und Breker fotografieren. Die beiden Männer waren seine Auserwählten für die geplante Umgestaltung Berlins zur Welthauptstadt "Germania". Diese sollte nach Albert Speers Plänen entstehen und von Arno Breker mit monumentalen Skulpturen ausgestattet werden.

Jürgen Trimborn beschreibt in seiner Breker-Biografie die erstaunliche Karriere eines Künstlers, der zunächst der europäischen Kunstavantgarde nahestand und maßgeblich von jüdischen Galeristen und Künstlern gefördert wurde; der dann Mitte der 30er-Jahre zum Chefbildhauer der Nationalsozialisten aufstieg und trotzdem nach dem Krieg nur als Mitläufer eingestuft wurde. Bald war Breker in der Bundesrepublik und Frankreich wieder ein gefragter Bildhauer, dem bekannte Künstler, Schriftsteller, Manager und Politiker Modell saßen.

Für sein Buch hat Trimborn in zahlreichen Archiven Überlieferungen zu Breker aufgespürt und ausgewertet sowie etliche Zeitzeugen befragt. Der Zugang zu Brekers Nachlass wurde ihm nicht gestattet. Gleichwohl gelingt es dem Autor, die außerordentliche Vita des Bildhauers eindringlich zu rekonstruieren und mit einigen Legenden über Breker aufzuräumen. So kann er Brekers jährliches Einkommen in Höhe von mehr als einer Million Reichsmark nachweisen, zu einem beträchtlichen Teil persönliche Dotationen Hitlers. Der Bildhauer selbst behauptete später, "im Dritten Reich gerade soviel als Honorar bekommen" zu haben, "wie für das Lebensnotwendigste reichte".

Entdeckt und gefördert wurde Breker in den 20er-Jahren von dem jüdischen Galeristen Alfred Flechtheim, der unter anderem Werke von Pablo Picasso, George Braque, Max Beckmann und Paul Klee ankaufte und vertrieb. Flechtheim vermittelte dem jungen Breker 1925 den ersten großen öffentlichen Auftrag, eine Porträtbüste des Reichspräsidenten Friedrich Ebert. Als Breker zwei Jahre später nach Paris zog, öffneten ihm Flechtheims Beziehungen die Türen zur Kunstszene der französischen Hauptstadt.

"Zudem stellte Flechtheim ihm einen Mann vor, zu dem Breker eine lebenslange Freundschaft aufbauen sollte – Jean Cocteau, der in der Vergangenheit wiederholt für Flechtheims Kunstzeitschrift 'Der Querschnitt' geschrieben hatte. Der schillernde, mondäne Schriftsteller, längst einer der großen umschwärmten Stars der Pariser Künstler- und Literatenszene, faszinierte Breker von Beginn an. Bis heute kursierende Gerüchte wollen wissen, dass Breker und der zwei Jahre ältere Cocteau in jenen Jahren Liebhaber geworden sind und für kurze Zeit sogar zusammen gewohnt haben."

Auf Paris folgte Rom, wo Breker sich als Stipendiat in der Villa Massimo aufhielt, als die Nationalsozialisten die Macht ergriffen. Wenig später kehrte er nach Deutschland zurück, um sich in Berlin niederzulassen. Einen größeren Auftrag erhielt er dort von dem jüdischen Maler Max Liebermann, der ihm in seinem Haus am Brandenburger Tor Modell saß. Liebermann hatte zu diesem Zeitpunkt aus Protest gegen die nationalsozialistische Bücherverbrennung bereits alle öffentlichen Ämter niedergelegt. Als Liebermann am 8. Februar 1935 starb, nahm ihm Breker auf Wunsch der Witwe die Totenmaske ab.

Bis 1936 bestand Brekers Berliner Freundeskreis weitgehend aus Personen, die das NS-Regimes ablehnten oder wegen ihrer jüdischen Herkunft ausgegrenzt wurden. Doch Breker wollte nicht ins Abseits der neuen Ordnung geraten. Er kämpfte um öffentliche Anerkennung und staatliche Aufträge.

"Der lang ersehnte Karrieresprung sollte Breker durch einen Kunstwettbewerb im Vorfeld der Olympischen Spiele 1936 gelingen, an dem er sich auf Wunsch seiner Lebensgefährtin beteiligte. Sein Erfolg bei diesem Wettbewerb ließ ihn erstmals ins Visier Hitlers geraten und führte dazu, dass sich sein Aufstieg danach rasant beschleunigte und er schon bald mit den ersehnten spektakulären Staatsaufträgen betraut wurde."

Breker selbst bezeichnete später seinen Erfolg beim Skulpturenwettbewerb für die Olympiade von 1936 als den entscheidenden Wendepunkt seiner Existenz. Trimborn stellt dazu fest:

"Aus dem bis dato weitgehend unpolitischen und kosmopolitisch geprägten Künstler wurde ein schwärmerischer Gefolgsmann Hitlers, ein Mitglied der NSDAP und einer der herausragendsten Repräsentanten des Kulturlebens unterm Hakenkreuz."

Allerdings nutzte Breker seinen neu errungenen Einfluss mitunter auch, um sich für die Verfolgten des Regimes einzusetzen. Peter Suhrkamp etwa bezeugte nach dem Krieg, dass ihm Brekers Fürsprache das Leben gerettet habe. Für manch andere seiner früheren Freunde und Förderer rührte Breker jedoch keinen Finger. Auch nicht für seine Gastgeberin Martha Liebermann, die sich 1943 das Leben nahm, als sie von ihrer bevorstehenden Deportation erfuhr.

In seinem Vorwort verspricht der Autor, einen "unvoreingenommenen Zugang zum Thema Arno Breker". Dieses Vorhaben löst er freilich im vorliegenden Buch nicht ein. Häufig polemisiert er gegen "Breker-Apologeten" und die für Brekers nachgelassenes Werk Verantwortlichen. Im Streit um den künstlerischen Rang des Bildhauers steht der Biograf fest auf der Seite der Breker-Verächter. Für die Wertschätzung Brekers durch Künstler und Galeristen bringt er kein Verständnis auf.

Aber ist das ästhetische Urteilsvermögen von Kunstsachverständigen wie Alfred Flechtheim oder Max Liebermann wirklich nichtig angesichts der Hinwendung Brekers zum Nationalsozialismus? An dieser Frage, ob Brekers politischer Irrweg sein künstlerisches Oeuvre ausgelöscht oder für immer entwertet hat, werden sich noch lange die Geister scheiden.

Jürgen Trimborn: Arno Breker. Der Künstler und die Macht. Die Biographie
Berlin, Aufbau Verlag
712 Seiten, 29,99 Euro
Cover: "Arno Breker. Der Künstler und die Macht" von Jürgen Trimborn
Cover: "Arno Breker. Der Künstler und die Macht" von Jürgen Trimborn© Aufbau Verlag