Auf Theta-Wellen unterwegs

Von Anna Tollkötter · 06.08.2011
Rhythmisches Trommeln ist eine wichtige Zutat, um auf eine schamanische Reise zu gehen. Die so erzeugten Theta-Wellen schaffen die Grundlage. Aber Vorsicht: Die traumartigen Erlebnisse in der Ober- und Unterwelt können Rätsel aufgeben!
Uwe: "Es wird in einer bestimmten Frequenz getrommelt, die so ungefähr drei bis fünf Hertz beträgt, was ungefähr das Hirnwellenmuster ist im Theta-Wellen-Zustand oder das Theta-Wellen-Muster, was überall auf der Welt angeblich von Schamanen so getrommelt wird, egal in welcher Kultur und was unser Bewusstsein dann eben – wenn´s denn funktioniert und man sich dem öffnet, in diesen Zustand versetzt, also dieses Theta-Wellen-Hirnmuster zum Beispiel ist auch sehr häufig vorhanden bei sehr kleinen Kindern oder bei Mönchen, wenn die meditieren"

Petra: "Es gibt ja unterschiedliche Möglichkeiten, in so einen veränderten Bewusstseinszustand zu kommen. Man kann´s mit Drehen, man kann´s mit Atmung machen, man kann fasten, man kann sich in ne Höhle zurückziehen."

Uwe: "Um Zugang zu bekommen zu Informationen, zu Heilung, zu Wissen, was eigentlich schon tief in uns da ist, was nur geweckt oder erkannt werden muss."

Uwe und Petra leiten eine schamanische Reise. Einmal im Monat treffen sie sich mit ihrer Gruppe in einem spirituellen Zentrum in Bremen.

Hier liege ich nun, auf dem Rücken, genauso wie die zehn Frauen und zwei Männer neben mir. Wir liegen im Kreis, auf Decken und mit Decken umhüllt, damit wir nicht frieren, und haben unsere Augen geschlossen. Ich bin ein bisschen nervös, weil ich nicht weiß, was mich gleich erwarten wird und blinzle nach oben. Durch die zwei Dachfenster über mir sehe ich, dass es draußen zu dämmern beginnt.

Bevor wir uns auf den Boden gelegt hatten, haben wir die vier Himmelsrichtungen begrüßt. Uwe ging mit einer Kerze voraus und wandte sich nach Süden. Die Kerze symbolisiert das Feuer.

"Hau!"

Dasselbe Ritual folgte für die anderen Himmelsrichtungen. Mit einer Feder – das Luft-Symbol - wandte Uwe sich gen Osten. Mit einer Schale mit dem Element Wasser gen Norden und mit einem Stein – ein Symbol für die Erde - dem Westen entgegen. Wir folgten ihm.

"Hau!"

Nun stehen Kerze, Stein, Feder und Wasserschälchen auf einem goldvioletten Tuch in der Mitte und nach einer kurzen Meditation und gemeinsamen Trommeln geht es los.

Wir liegen, bereit, in die Ober- oder Unterwelt zu reisen. In der Oberwelt kann man seinen persönlichen Heiler treffen. In der Unterwelt sein persönliches Krafttier. Ich bin Anfängerin und werde deshalb in die Unterwelt reisen, an einen Ort, an dem ich mich wohlfühle.

Uwe: "In diesem Platz suchen Sie, wenn´s in die Unterwelt geht, eine Öffnung. Das kann ein Mauseloch sein, ein hohler Baumstumpf, irgendetwas, durch das Sie in die Erde können, nach unten. Da stellen Sie sich vor, Sie reisen durch einen Tunnel, eine Treppe hinunter wie auch immer, und gelangen dann irgendwie in die untere Welt."

Theta-Wellen, Schamanismus, verändertes Bewusstsein, Reisen in die Ober- und die Unterwelt, Krafttiere, die mir dabei helfen, Erkenntnisse zu erlangen. Uwe, der eigentlich Musiktherapeut ist, und Petra, die in Peru zum Schamanismus fand.

Rahmentrommeln. Mir schwirrt der Kopf. Die zwei Frauen neben mir liegen entspannt auf ihren Decken. Sie sehen zufrieden aus:

"Wenn ich reise, erkenne ich Aspekte meines Selbst, die ich so im Tagbewusstsein nicht so klar erkennen kann."

"Ich bin mir selbst näher, die Probleme lösen sich irgendwie auf oder ich gewinne Erkenntnisse. Ja, ich bekomme Erkenntnisse, das trifft es auch."

Ich versuche mich zu konzentrieren, doch es klappt nicht. Weiterhin dreht sich alles in meinem Kopf. Und immer wieder taucht ein gelbes Auto auf, das ich einmal besessen habe: ein Ford Fiesta Courier. Ich versuche, an etwas anderes zu denken, doch das Auto springt wie ein gelber Ball, den man unter Wasser drückt und wieder loslässt, durch meine ziellosen Gedanken.

Doch plötzlich - ich stehe in einem dichten Laubwald. Die Sonne scheint glitzernd durch die Bäume. Direkt vor mir sehe ich einen Eingang zu einer Höhle. Sie befindet sich im Hang, unter einem Baum mit kräftigen Wurzeln. Ich gehe hinein.

Die Decke hängt tief und ich laufe gebückt auf das Ende der Höhle zu. Dort sehe ich ein Loch im Boden. Von unten blitzen Lichtstrahlen zu mir hinauf. Ich setze mich in die Öffnung und rutsche eine lange Rutsche hinab.

Ich bin im Meer. Um mich herum: Nichts als Wasser. Die Sonne hängt tieforange am Himmel, knapp über dem Wasser. Seltsamerweise blendet sie mich nicht und so schwimme ich auf sie zu. Dabei spüre ich das warme, ruhige Wasser an meinem Körper, das Schwimmen fällt mir leicht, so, als würde mich das Wasser tragen.

Doch dann – ein gigantisch großer weißer Wal springt in einigen Metern Entfernung aus dem Wasser und tauscht wieder ein.

Als er ein zweites Mal aus den Wellen schießt, sehe ich, mit wem ich es zu tun habe. Es ist Moby Dick. Nein, das kann nicht sein! Ich sehe an seiner Flanke ein dickes, gespanntes Seil, das zweimal um seinen Körper gewickelt ist. Und in diesem Seil hängt Kapitän Ahab. Käpten Ahab mit seinem Holzbein und diesem fiesen, gemeinen Ausdruck im Gesicht.

Plötzlich ist wieder alles still. Ich bin ganz und gar ruhig. Kein Herzschlagen. Nichts. Ich schaue nur auf das endlose Wasser um mich herum. Dann schwimme ich weiter. Am Horizont steht wieder die Sonne, wie eine dicke, reife Apfelsine schwebt sie knapp über dem Wasser. Ich schwimme wieder ruhig auf sie zu – so, als wäre nichts geschehen.

Ich öffne meine Augen und bin wieder im Dachgeschoss des spirituellen Zentrums. Etwa 25 Minuten sind vergangen. Draußen ist es inzwischen dunkel geworden, und nur einige Lichterketten und Kerzen erhellen den Raum. Wir sitzen im Kreis, es folgt eine Befindlichkeitsrunde. Ich muss das Mikrofon ausschalten.

Der Mann neben mir erzählt, dass er für seinen Sohn gereist ist, der derzeit nicht genau wisse, wie es in seinem Leben weitergehen soll. Die schamanische Reise und sein Krafttier haben ihm Antworten für seinen Sohn gegeben, ihn ermutigt. Eine Frau mit grauen, kurzen Haaren sieht einfach nur glücklich aus. Sie strahlt. Genauso wie eine andere Frau.

Sie ist die Einzige, die mir anschließend bei eingeschaltetem Mikrofon erzählt, was sie erlebt hat:

"Das war für mich sehr intensiv, dass ich die verschiedenen Aspekte des Frauseins erfahren habe, also ich hab dann auch den Aspekt der erwachsenen Frau, des Mutterseins, aber auch des Tochterseins, des Enkelkindseins erfahren und hab da die verschiedenen Verantwortungen gespürt, aber auch Verantwortung, die ich loslassen kann und das war sehr intensiv."

Während alle reihum von ihren Erlebnissen in der Ober- oder Unterwelt erzählen, sitze ich auf meinem Meditationskissen und sage lieber nichts. Meine eigenen Erlebnisse mit meinem Ford Fiesta, Moby Dick und Käpten Ahab hängen an mir wie ein klebriges Kaugummi, das sich partout nicht abschütteln lässt.

Ich frage Petra, die Leiterin, was mein Erlebnis bedeuten könnte.

Petra: "Das kann ich Dir nicht sagen, was das für dich zu bedeuten hat. Da hast du dann die nächsten Tage ne Beschäftigung: Was verbindest du mit Moby Dick und Käpt´n Ahab?"

Ich bin ein bisschen ratlos. Um mich herum sehe ich nur glückliche und zufriedene Gesichter. Ich packe meine Sachen zusammen und fahre durch die Dunkelheit nach Hause. Meine Reise in die Unterwelt soll mich tatsächlich in den nächsten Tagen noch weiter beschäftigen.
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