Auf großer Feindfahrt

Von Günter Beyer · 11.03.2011
Der expressionistische Maler Franz Radziwill trat 1933 in die NSDAP ein. Zwischen 1933 und Kriegsende entstehen 800 Arbeiten, darunter 170 Ölgemälde. Disqualifiziert sich dieses umfangreiche Oeuvre von selbst als NS-Kunst?
Als das U-Boot die heimatliche Schleuse verlässt, gibt der Himmel seinen Segen: Für einen Augenblick reißt das drohend verhangene Firmament auf, ein Sonnenstrahl lässt das U-Boot auf Feindfahrt hell aufleuchten.

So jedenfalls malt 1936 Franz Radziwill die Szene - eine großformatige Auftragsarbeit für eine Jugendherberge in Wilhelmshaven. In einer kleinen, konzentrierten Ausstellung spürt die dortige Kunsthalle Radziwills umstrittener Rolle im Nationalsozialismus nach. Deren Leiterin Viola Weigel sagt:

"Wir möchten Franz Radziwill nicht nur als jemanden zeigen, der mit der nationalsozialistischen Politik sehr verstrickt war. Wir wollen ihn auch als Maler präsentieren, weil nämlich seine Bildwerke häufig nur als Beleg, als Quelle für seine Auseinandersetzung mit der NS-Zeit interpretiert wird. Ich habe den Eindruck, da ist noch mehr zu sehen."

Politik und Malerei, Opportunismus und Beharren auf eigenständigen künsterischen Positionen - das ist bei Franz Radziwill eine oft schwer entwirrbare Melange. Noch 1931 hatte sich der Künstler der linken "Novembergruppe" angeschlossen. Aber schon zwei Jahre später tritt er der NSDAP bei und wird prompt Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, wo man gerade Paul Klee verjagt hatte. Als jedoch Neider frühe expressionistische Arbeiten publik machen, wird der Künstler entlassen und zieht sich nach Dangast am Jadebusen zurück.

Das Parteibuch behält er, wird sogar "Kulturstellenleiter" im Kreis Friesland. Die berüchtigte Schau "Entartete Kunst" stellt 1938 drei frühe Radziwills an den Pranger. Öffentliche Aufträge bekommt er nicht mehr. Aber er hat gute Kontakte zur Marine, deren Offiziere Bilder bei ihm in Auftrag geben. Und eine Zeitlang genießt Radziwill die Protektion des Gauleiters, woran er sich noch 1979 nicht ungern im Radio erinnerte:

"Und als Carl Röver, Gau Weser-Ems, nun diese Ausstellung eröffnen sollte, da fragte er von sich aus: Ja, wo sind denn die Bilder von Radziwill? Worauf ihm dann gesagt wurde: Die haben wir abgehängt, das ging nicht, der hat Ausstellungsverbot, die haben wir in den Keller getragen! Worauf Röver dann antwortete: Alle Bilder heraus und nach oben in die Ausstellung! <die werden="" dort="" aufgehängt,="" wie="" es="" sich="" gehört!&quot;<br=""></die>
Radziwill malt Motive der Marinegarnison und der Küste: die hochaufragenden Helgen der Kriegswerft, vereiste Hafenbecken, in denen schemenhaft Schlachtschiffe vertäut sind, Deiche und Siele, die wie uneinnehmbare Bollwerke wirken. Menschen werden selten dargestellt, und wenn doch, geraten sie dem Künstler zu beiläufigen Figurinen vor dem Hintergrund übermächtiger Technik. Seine Mauerbilder zeigen penibel Ziegel um Ziegel, bei Schiffen vergisst er keine Niete. So zeichnerisch präzise er bauliche Details ins Bild rückt, so malerisch frei gestaltet er Wasserflächen und die bewegten Himmel über der Küste. Auf die Komplementärkontraste seines verfemten expressionistischen Frühwerks greift er gerne zurück:

"Also, ich kann nur sagen, dass Radziwill rein bildnerisch uns eigentlich denn Boden unter den Füßen wegzieht, weil er ihn vollkommen schwankend macht."

Für einige Verunsicherung sorgt auch die Ausstellung im Radziwill-Haus in Dangast, wo der Künstler von 1923 bis zu seinem Tod 1983 lebte. Beherrschendes Exponat dort ist das wohl während seiner kurzen Lehrtätigkeit in Düsseldorf entstandene, gespenstische Ölbild "Revolution".

"Es hieß dann auch 'Dämonen', und so kenne ich das eigentlich auch, so wurde das immer auch genannt von meinem Vater."

Die Filmemacherin Konstanze Radziwill, Jahrgang 1947, Hausherrin in Dangast, hat viel über ihren Vater geforscht und in Dokumentationen festgehalten.

Das Bild zeigt, wie die Bühne eines Dramas, die rot geklinkerte Fassade eines Hauses. Davor liegt ein erschlagener SA-Mann, an der Fassade baumeln zwei Gehenkte: ein Kommunist und eine abgerissene Gestalt namens Demokratie. Auf dem Mauersockel steht: "Im Lichte der Staatsideen - oder: Der eine bringt den anderen um." Gibt Radziwill hier einen zynischen Kommentar zur Weimarer Republik? Wird hier nach dem starken "Führer" gerufen, der unerbittlich aufräumt?

Vollends unklar werden Radziwills Intentionen angesichts der später hinzugemalten, engelartigen Schleierwesen, die über die Szene huschen. Öffentlich ausgestellt wurden die "Dämonen" während der NS-Diktatur übrigens nie. Und eigentlich wurde das Gemälde auch nie fertig.

"Franz Radziwill hat an diesem Bild, so vermute ich, über 30 Jahre gemalt."

Franz Radziwill und der Nationalsozialismus - das Thema ist noch lange nicht erledigt.

"Der Maler Franz Radziwill in der Zeit des Nationalsozialismus" ist in der Kunsthalle Wilhelmshaven bis zum 22. Mai, im Franz-Radziwill-Haus in Dangast noch bis zum 15. Januar 2012 zu sehen.
Das Landesmuseum Oldenburg zeigt bis zum 22. Mai die Schau "Franz Radziwill - Expressionismus und Neue Sachlichkeit"
Bis zum 19. Juni zeigt die Kunsthalle in Emden "Franz Radziwill - 111 Meisterwerke aus privaten Sammlungen"