Auf der Suche nach dem Geist

Von Claudia Altmann · 22.07.2011
Mit 213 Exponaten versucht die Ausstellung "Images of the Mind", unser Denken und Fühlen bildhaft zu machen. Von der Antike bis zur Gegenwart zeigen sie den menschlichen Geist als visuelles Phänomen in Kunst und Wissenschaft.
Ein menschlicher Kopf aus Zahnrädern, Federn, einem Winkelmesser und diversen Gebrauchsgegenständen und als Gehirn ein Globus. So sah der französische Künstler A. Poyet im 19. Jahrhundert Denkarbeit. Animiert von Stefan Matlik macht das Deutsche Hygiene-Museum mit dem Kunstwerk auf die Ausstellung "Images of the Mind" aufmerksam.

Die Illustration ist eines von 213 Exponaten, allesamt Versuche, unser Denken und Fühlen bildhaft zu machen. Von der Antike bis zur Gegenwart zeigen sie den menschlichen Geist als visuelles Phänomen in Kunst und Wissenschaft. Der gigantischen Herausforderung, dies in einer Schau zu thematisieren, hat sich das Dresdner Museum gemeinsam mit der Mährischen Galerie in Brünn, dem zweitgrößten Kunstmuseum Tschechiens, gestellt. Der tschechische Kurator Dr. Ladislav Kestner hatte die Idee und will damit dem Besucher die Gelegenheit geben:

" … einen Weg zu finden, den menschlichen Geist nicht als etwas Abstraktes, Unsichtbares zu betrachten, sondern als etwas, was eine eigene bildliche Dimension hat. Und offensichtlich wird es niemals nur ein einziges Bild vom menschlichen Geist geben."

Geist und Identität, Leib und Seele, Geisteszustände und Metaphern des Geistes. In den vier Abteilungen der Ausstellung wird vor allem deutlich: Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft. Die deutsche Kuratorin Colleen M. Schmitz sieht in beidem legitime Versuche, den Geist zu erforschen. Das Ästhetische stecke in wissenschaftlichen Abbildungen ebenso wie das Kognitive in der Kunst. So im Porträt Martin Luthers, gemalt von Lucas Cranach dem Älteren.

"Wenn man einfach solche Gesichter anguckt, mit solcher psychologischen Kraft, sodass man unbedingt mit einbezogen wird, als wenn ich diesen Menschen tatsächlich vor mir habe und man bildet sich dann doch sofort eine Meinung. Also ich interpretiere, ich lese seinen Geist ab an den Augen, an den Mundwinkeln, wie die Muskulatur der Wangen sind und so weiter."

Bei der anatomischen Erkundung des Gehirns sind einzigartige Kunstwerke entstanden, wie Leonardo da Vincis Schnittdarstellung des Schädels: Eine exakte Studie der Morphologie von 1489, die bis heute als beispiellos gilt.

"Wir schauen hier jetzt zum Beispiel auf einen aufgeschnittenen Schädel, dazwischen sind sozusagen zwei Linien gezeichnet, sogenannte Koordinaten, die man eher aus der Architektur kennen würde. Und da hat er den sogenannten sensus communis lokalisiert. Also da, hat man gedacht, kommen die ganzen Sinneswahrnehmungen zusammen und das ist der Sitz der Seele."

Fortschreitende Technologien haben die Kreativität der Künstler beflügelt und 600 Jahre später die britische Künstlerin Katharine Dowson zu ihrer Darstellung der Seele veranlasst.

"Sie hat in einem Plexiglas-Block die zweiten Seiten von ihrem Gehirn eingelesen. Sie war selber in dieser Magnet-Resonanz-Tomografie drin, hat diesen Abdruck genommen und es wirkt ein bisschen fast so wie ein Hologramm ihres Gehirns. In der Mitte ist es sozusagen leer und es gibt eine gewisse Transparenz und sie nennt dieses Werk 'My Soul'."

Die Surrealistin Meret Oppenheim wählte die Röntgenaufnahme für eines ihrer wenigen Selbstbildnisse: Ihr Schädel im Profil, die persönliche Identifizierung wird unmöglich, lediglich der Schmuck verrät, dass es sich um eine Frau handelt. Für Robert Morris wieder war das EEG inspirierend: Er hat seine Gehirnströme aufgezeichnet, während er über sich selbst nachdachte. Seine eigene Körpergröße lang zeichnen 16 Linien die Aktivitäten der Gehirnregionen nach. Ein eher ruhiges EEG.

Gemälde, Zeichnungen, Manuskripte, Fotografien, Videoinstallationen, neuronale Bilder. Hochkarätige Werke unter anderem von Rembrandt, Max Beckmann, Josef Beuys und Sigmund Freud. Eine schier unbegrenzte Vielfalt, die jedem Besucher seinen eigenen Zugang zum Geist ermöglicht. Den Direktor des Hauses, Prof. Klaus Vogel, hat es besonders eine Zeichnung des französischen Arztes Jean-Martin Charcot, Begründer der modernen Neurologie, angetan. Vom Leiter der bedeutendsten Nervenklinik des 19. Jahrhunderts, der Salpetrière in Paris, ist eine Zeichnung aus der Krankenakte einer Patientin mit Gehirnarterienaneurysma zu sehen. Sie zeigt die 76-Jährige auf dem Krankenbett liegend und beschränkt sich nicht nur auf Kopf und Hirn. Diese dem Porträt nahekommende Darstellung zeigt Vogel:

"Dass der Geist - in dem Fall vielleicht sogar der kranke Geist - nicht etwas ist, was sich nur im Gehirn manifestiert, sondern dass es Teil des ganzen Körpers ist. Und das ist nicht nur beim kranken Menschen so. Das ist glaub ich, überhaupt so, dass wir in die Irre gehen, wenn wir den Geist, das Wesen des Menschen an einer bestimmten Stelle suchen. Ich glaube, das ist überall. Das ist vom Zeh bis zum Kopf und in der Nase und im Blick, den wir dem Anderen zuwerfen. Da ist immer der Geist drin."

Obwohl die Ausstellung einen bisher nie da gewesenen überaus reichhaltigen Einblick in unser "Selbst" gestattet, steht für Kurator Ladislav Kestner eines fest:

"Es wird immer Teile des Geistes geben, die nicht gezeigt werden können, die nicht in irgendein bildliches Medium übertragen werden können, Teile des Geistes werden sich immer ganz einfach der bildlichen Darstellung entziehen."