Auf den Spuren des Papstes

Christian Röther · 21.09.2013
2011 besuchte Papst Benedikt XVI. Etzelsbach. Der berühmte Pilger zog 90.000 Menschen in die Region Eichsfeld, im niedersächsisch-thüringischen Grenzgebiet. Die Wallfahrten der Region erfreuen sich auch zwei Jahre später immer noch großer Beliebtheit.
"Liebe Schwestern und Brüder, ganz herzlich möchte ich Sie alle begrüßen, die Ihr hier zu dieser Gebetsstunde nach Etzelsbach gekommen seid. Ich hatte seit meiner Jugend so viel vom Eichsfeld gehört, dass ich dachte, ich muss es einmal sehen und mit Euch zusammen beten."

So sprach Benedikt XVI. bei seinem Besuch der Wallfahrtskapelle Etzelsbach im September 2011. Doch warum hatte der damalige Papst so viel vom Eichsfeld und seinen Menschen gehört? Beschaulich und ruhig liegt die ländliche Region beiderseits der Grenze von Niedersachsen und Thüringen. Vielleicht, weil die Eichsfelder als besonders katholisch und besonders fromm gelten. Jedes Jahr beteiligen sich Tausende, wie damals Benedikt, an den zahlreichen Wallfahrten in der Region. Zum Beispiel an der Pferdewallfahrt nach Etzelsbach.

Maria Conradi: "Wissen Sie, es ist ja auch ein Gnadenort hier. Es sind schon Wunder geschehen auch früher."
Röther: "Ja?"
Monika Pribbenow: "Nee, so richtige Wunder nicht."
Conradi: "Oder Erhörungen."

Die Schwestern Maria Conradi und Monika Pribbenow kommen schon seit Kindertagen zu den Wallfahrten nach Etzelsbach.
Conradi: "Wenn bei uns jemand krank war, wir als Kleine, Moni, die war so klein, Vater war so schlimm krank - wir sind nach Etzelsbach gegangen und haben gebetet zur Mutter Gottes, und die hat uns auch immer erhört."

Pribbenow: "Mutter hat immer gesagt, früher hat sie noch besser die Gebete erhört als jetzt."

Religiöses Erbe der DDR
Bei der Pferdewallfahrt in Etzelsbach feiern zunächst mehrere tausend Menschen einen Gottesdienst unter freiem Himmel. Auf der Wiese, auf der 2011 die Bühne für den Papst stand, warten geduldig die Pferde. Nach dem Gottesdienst werden sie einmal um die Kirche herum geführt und dabei vom Ortspfarrer Franz-Xaver Stubenitzky gesegnet. 277 Pferde sind es in diesem Jahr, das wird genau protokolliert. Für Stubenitzky liegt die offenbar besonders ausgeprägte Frömmigkeit der Menschen im thüringischen Teil des Eichsfeldes darin begründet, dass ihr Glaube in der DDR unterdrückt wurde.

Franz-Xaver Stubenitzky: "Die ältere Generation hat in der Zeit der Bedrängnis des Glaubens einen anderen Widerstand geben müssen. Heute ist der Einfluss der Oberflächlichkeit und der Spaßgesellschaft so stark, dass junge Menschen sich sehr schnell ablenken lassen können und manche nicht gleich erkennen, was wirklich für das Leben wichtig und wertvoll ist."

Bleiben die jungen Menschen also lieber zuhause? Bei der Pferdewallfahrt zumindest sind auch viele Familien zu sehen. Doch Monika Pribbenow erkennt ebenfalls Veränderungen.

Pribbenow: "Früher waren mehr Kinder noch hier und viele sind zu Fuß gegangen. Jetzt sind eben Autos, Fahrräder. Die Straßen sind auch schöner geworden, bis man hier ist."

Röther: "Aber es hat trotz der modernen Fortbewegung nicht abgenommen?"

Pribbenow: "Nein, es hat nicht abgenommen, und seit dem Papstbesuch ist es noch wieder mehr geworden."

Eine fromme Enklave
Mehr Zuspruch bei den Wallfahrten und auch den gewöhnlichen Marienvespern seit dem Papstbesuch – davon berichtet auch Pfarrer Stubenitzky. Und dazu passt, dass die lebendige Wallfahrtskultur im Eichsfeld das Interesse der Wissenschaft geweckt hat. Der Religionsethnologe Udo Mischek aus dem benachbarten Göttingen hat verschiedene Wallfahrten im Grenzgebiet von Thüringen und Niedersachsen besucht. Warum wird denn ausgerechnet dort so viel gepilgert?

Mischek: "Das hängt natürlich mit der Geschichte des Eichsfelds zusammen, das eine katholische Exklave ist und umgeben nur von protestantischen Gebieten. Und ich denke schon, dass hier die katholische Identität, die sich über das Wallfahren ausdrückt, da eine ganz ganz wichtige Rolle spielt. Und auch natürlich immer dieses vielleicht Sich-Als-Eine-Minderheit-Fühlen, als Minderheit sich bewusst zu werden, und das tut man in einem gemeinsamen Wallfahren und in diesem gemeinsamen Erlebnis dieses Wallfahrens."

Damit sind die Wallfahrten im Eichsfeld also etwas anderes als beispielsweise diejenigen nach Santiago de Compostela. Sie gelten nicht erst seit Hape Kerkeling als Ausdruck und Möglichkeit der individuellen Sinnsuche. Im Eichsfeld hingegen sind sie gemeinschaftsstiftend. Meist nehmen Familienmitglieder gemeinsam daran Teil, sagt Religionsethnologe Mischek.

Mischek: "Wir haben erstens hier eine kleine regionale Wallfahrt und keine globale, die dennoch nachgefragt wird, und wir haben eine Gemeinschaft, die kommt, und nicht das Individuum."

Mischek glaubt deshalb nicht, dass die Wallfahrtskultur im Eichsfeld abnehmen wird. Die langjährige Pilgerin Monika Pribbenow betont ebenfalls das Katholische und den Gemeinschaftscharakter der Wallfahrt – bei ihr eine Gemeinschaft ganz eigener Art:

Pribbenow: "Ja, weil das Eichsfeld katholisch ist. Und in der evangelischen Kirche gibt es ja keine Wallfahrten. So ein bisschen auch in neuerer Zeit. Aber die evangelischen Christen gehen auch mit. Mein Mann ist auch evangelisch, der hat die Wallfahrten auch sehr gerne."