Auf dem Weg zum Holocaust

14.08.2012
Im Sommer 1937 erhielt Julien Bryan überraschend die Genehmigung, Nazi-Deutschland zu bereisen und dort Filmaufnahmen zu machen. "Spiegel TV"-Autor Michael Kloft hat die Aufnahmen ausgewertet und zu einem ungewöhnlichen Dokumentarfilm verarbeitet.
Das Jahr 1937 gilt gemeinhin als das am wenigsten interessante der zwölf Jahre währenden Naziherrschaft, und doch zählt es zu den wichtigsten, denn damals wurden die Weichen gestellt für Krieg und Holocaust.

Wie Filmautor Michael Kloft sagt, fuhr Bryan durch weite Teile des Landes und drehte unter anderem auf dem Parteitag in Nürnberg. Zwar habe er nur an genehmigten Schauplätze filmen dürfen, trotzdem seien ihm tiefe Einblicke in den Alltag des Dritten Reiches gelungen - und viele Bilder, von denen man eigentlich glaubt, sie hätten der Zensur zum Opfer fallen müssen, sagt Kloft:

"Es gibt die Akten nicht mehr des Propaganda-Ministeriums, die uns das vielleicht erklären könnten. Er hat später behauptet, dass er auch sogenannte Aufnahmen, die nicht gedreht werden durften, gedreht hat. Ob das wirklich so war, oder ob er sein Material nur ein bißchen spannender machen wollte, das kann ich nicht sagen."

Kloft sagte weiter, er könne sich nicht vorstellen, dass die Nazis Bryan allein durchs Rand reisen ließen. Darauf deute auch die Auswahl der Orte hin, denn das Filmmaterial zeige viele Sehenswürdigkeiten, so dass man den Eindruck haben könne, die Nazis hätten nur die "Schauseite und den schönen Schein des Dritten Reichs" zeigen wollen. Dennoch sind auch Aufnahmen zu sehen, die freiere Dreharbeiten vermuten lassen. So würden zum Beispiel getrennte Sitzbänke für Arier und Juden am Olivaer Platz in Berlin gezeigt.

Von Düsseldorf über München bis nach Berlin
Seine Reise hätte den Dokumentarfilmer von Köln und Düsseldorf zunächst bis zum Zeppelin-Werk am Bodensee geführt. Anschließend sei es nach München und Nürnberg und über die Luther-Gedenkstätten bis nach Berlin gegangen, wo der Mussolini-Besuch den Höhepunkt und Abschluss der Reise dargestellt habe.

Das Besondere seiner Dokumentation bestehe darin, dass er das Rohmaterial Bryans zur Verfügung gehabt habe. Dies sei für Filmaufnahmen aus dieser Zeit eher ungewöhnlich, weil vieles in den Kriegswirren verloren gegangen sei:

"Das ist immer schon mal ein Vorteil, weil sie Dinge sehen können, Blicke sehen können, die vielleicht sonst auf dem Boden des Schneideraums gelandet wären.

Das Andere ist natürlich sein Blick, und er ist Dokumentarfilmer, das heißt, er versucht, die Welt so abzubilden, wie sie ist - auch wenn er eben nur bestimmte Einblicke, sprich bestimmte Genehmigungen bekommt. Und da wird es natürlich interessant, weil da natürlich Bilder zu sehen sind, die zwar im ersten Moment so aussehen, als hätten sie auch die Nazis genehmigen können, aber auf den zweiten Blick natürlich schon eine tiefere Erkenntnis über dieses sich rüstende Volk bieten."


Das vollständige Gespräch mit Michael Kloft können Sie mindestens bis zum 13.02.2013 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.