Atomverhandlungen mit Iran

Die Wirtschaft scharrt mit den Füßen

US-Außenminister John Kerry kam wegen eines Beinbruchs mit Krücken zu den Atomverhandlungen mit dem Iran nach Wien.
US-Außenminister John Kerry kam wegen eines Beinbruchs mit Krücken zu den Atomverhandlungen mit dem Iran nach Wien. © dpa / picture alliance / Georg Hochmuth
Von Ralf Borchard · 02.07.2015
Wenn an diesem Donnerstag in Wien die Beratungen über ein Atomabkommen mit dem Iran fortgeführt werden, hofft nicht nur die iranische Bevölkerung auf ein schnelles Ende der Sanktionen. Auch die deutsche Wirtschaft möchte endlich wieder im Iran Geschäfte machen können.
Es ist seit Tagen das gleiche Schauspiel vor dem Wiener Nobelhotel Palais Coburg. Wenn einer der Außenminister aus seiner Limousine steigt, klicken die Fotokameras hinter den Absperrgittern der Polizei. Ist ein Minister gnädig gestimmt, wirft er den wartenden Journalisten ein Informationshäppchen hin:
"Es gibt rote Linien, die wir nicht überschreiten können", sagt etwa der Brite Philip Hammond. "Wir brauchen ein robustes Abkommen", ergänzt der französische Außenminister Laurent Fabius.
Das sagt inhaltlich wenig, außer dass es noch hohe Hürden zu überwinden gibt, bis das Atomabkommen mit dem Iran endlich steht - wenn es überhaupt zustande kommt, schließlich ist die Verhandlungsfrist schon unzählige Male verlängert worden.
Wo es genau hakt, erfahren die Journalisten bestenfalls in Hintergrundgesprächen, aus denen sie nicht direkt zitieren dürfen. Ins Verhandlungshotel hinein dürfen Korrespondenten und Kameraleute nur sehr selten, etwa dann, wenn es kurz Fernsehbilder von wichtigen Gesprächsrunden zu drehen gibt, die für die beteiligten Verhandler in der Heimat wichtig sind, oder wenn ein Minister zum Exklusiv-Interview bittet, etwa Frank-Walter Steinmeier die ARD:
"Wir haben vereinbart in Lausanne, dass das, was wir vereinbaren, auch kontrolliert werden muss. Insofern muss der Iran zulassen, dass wir die Orte, an denen mit Nuklearmaterial umgegangen wird, auch kontrollieren können."
So beschreibt der Bundesaußenminister eines der verbliebenen Hauptprobleme. Was Steinmeier nicht sagt: Es geht auch ums Geschäft in Wien, um handfeste Wirtschaftsinteressen. Zum einen für den Iran selbst.
Kasra Nadji berichtet für das persische Programm der BBC von den Atomgesprächen. Er sagt, die iranische Wirtschaft warte sehnsüchtig darauf, durch ein Ende der Sanktionen Milliarden an eingefrorenen Geldern bei asiatischen Banken freizubekommen.
"Die Menschen leiden sehr unter den Sanktionen"
Kasra Nadji: "Die eingefrorenen Gelder sollen direkt nach den Verhandlungen, die jetzt in Wien laufen, freigegeben werden. Die Freigabe der Gelder bei den asiatischen Banken gehört sogar zu den ersten Maßnahmen, die nach einer Unterzeichnung umgesetzt werden sollen."
Auch die Bevölkerung im Iran warte sehnsüchtig auf das Sanktionsende, das setze die iranische Führung unter erheblichen Erfolgsdruck , ergänzt Samaneh Moghaddam, die für staatliche iranische Nachrichtenagentur Borna arbeitet:
"Die Menschen leiden sehr unter den Sanktionen. Es muss etwas geschehen. Die Menschen im Iran verfolgen die Verhandlungen hier sehr genau, die Erwartungen sind hoch. Es würde einem Gesichtsverlust gleichkommen, wenn die Verhandlungen scheitern."
Auch viele deutsche Firmen warten sehnsüchtig auf ein Sanktionsende, um im Iran wieder gutes Geld verdienen zu können. Gerade zu Zeiten der Griechenlandkrise könnte das wie ein kleines europäisches Konjunkturprogramm wirken.
Vor allem seit 2010 die Europäische Union die Sanktionszügel straff anzog und die USA fast alle Banken der Welt zwangen, ihre Iran-Geschäfte aufzugeben, haben es nur noch wenige deutsche Firmen, etwa Automobilzulieferer, geschafft, auf Umwegen Richtung Iran zu liefern.
Jetzt wittern vor allem deutsche Maschinen- und Anlagenbauer Chancen, die brachliegende iranischen Öl- und Gasindustrie zu modernisieren. Öl und Gas sind die mit Abstand wichtigsten Produkte, mit denen Iran wieder auf den Weltmarkt drängen will.
Gibt es in Wien eine Einigung bis 7. Juli? Die regimetreue iranische Journalisten Samaneh Maghaddam glaubt: ja.
Moghaddam: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass eine Einigung erreicht wird - in der auch das Recht der iranischen Nation auf die friedliche Nutzung der Atomenergie gewahrt bleibt."
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