Atomkraft

Greenpeace hält deutsche AKWs für terrorbedroht

Eine Warntafel mit der Aufschrift "Radioaktiver Abfall brennbar" ist in Garching bei München (Oberbayern) zu sehen.
Atommüll: Atomkraftwerke könnten attraktive Ziele für Terroristen sein. © picture alliance / dpa / Marc Müller
Von Ludger Fittkau · 23.03.2016
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hält deutsche Atommeiler für nicht ausreichend geschützt gegen mögliche Terrorattacken. Die Gefahr bestehe hier durch sogenannte Innentäter, die mit hoher Kenntnis der Anlage großen Schaden anrichten könnten.
Horst Kemmeter leitet eine Journalistengruppe auf dem Gelände des Atomkraftwerk Biblis zum Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente. Die Gruppe darf ausnahmsweise aus Zeitgründen einen schnellen Weg nehmen. Horst Kemmeter ist der Leiter des stillgelegten südhessischen AKW am Rhein bei Worms:
"Das ist jetzt nicht der übliche Weg, den man nimmt, um in das Zwischenlager zu gelangen. Sondern wenn hier jemand arbeiten will, dann sind auf der anderen Seite Drehkreuze und Überwachungseinrichtungen. Sie sind alle überprüft worden durch unseren Werkschutz, der Werkschutz ist da zur Begleitung. Das ist ein unüblicher Weg, um einfach Verfahren zu beschleunigen."
Horst Kemmeter deutet auf eine neue, dicke Betonwand, die das Kraftwerksgelände von der Halle trennt, in der die Castorbehälter mit den abgebrannten Brennelementen stehen. Die Betonwand soll vor Terrorangriffen mit Handwaffen schützen. Genauere Auskunft bekommt die Journalistengruppe nicht – aus Sicherheitsgründen. Horst Kemmeter weist auf dicke Stahltüren, die das Zwischenlager mit Atommüllbehältern sichern:
"Sie sehen ja hier, dass die einzelnen Hallenschiffe durch große, schwere Tore abgesichert sind. Sobald wir in dem Bereich mit geladenen Castoren das Tor öffnen würden, wäre das Kontrollbereich."
Der Kernphysiker und Greenpeace-Mitarbeiter Heinz Smital hält tatsächlich die Gefahr, die Terroristen mit dem Angriff auf ein Atommüllzwischenlager heraufbeschwören können, für vergleichsweise gering. Auch deswegen, weil die Castoren in den deutschen Zwischenlagern einige Meter von den Außenwänden entfernt aufgestellt worden sind:
"Es ist nämlich so, dass panzerbrechende Waffen sich in der Luft auch wieder zerstäuben. Und je weiter ein Stahlbehälter weg von einer Wand steht, sich dadurch auch der Schutz etwas erhöht."
Auch von mit Sprengstoff bestückten Drohnen gehe für ein robustes AKW hierzulande nur eine geringe Terrorgefahr aus, glaubt der Greenpeace-Atomexperte.

Greenpeace: Gefahr besteht bei laufenden AKW

Die größte Gefahr bei möglichen Terroranschlägen geht von den noch laufenden AKW aus. Denn die komplizierten Betriebsabläufe in einem Kernkraftwerk im Normalbetrieb dürfen nicht gestört werden. Heinz Smital, der Kernphysiker in Diensten der Umweltorganisation:
"Am meisten gefährdet sind tatsächlich die laufenden AKW. Weil ein hier Nur-sich-selbst-überlassen schon zum systematischen Super-Gau führt, wie wir in Fukushima gesehen haben. Da ist ja nicht nur ein Reaktor explodiert, da sind sie der Reihe nach explodiert. Das heißt, in drei Reaktoren hat es Kernschmelzen gegeben. Das heißt, bei einem laufenden Reaktor braucht man sehr viel Logistik, eine sehr intakte Anlage, um eine Superkatastrophe zu verhindern. Das reduziert sich bei einer abgeschalteten Anlage. Hier hat man viel mehr Zeit, zu intervenieren. Hier entwickelt sich ein Umfall keineswegs so schnell."
Das Bundesumweltministerium teilt auf Anfrage des Deutschlandfunks zum möglichen Gefahrenpotenzial durch Terroranschläge auf AKW schriftlich mit:
"Für die Einschätzung der Gefährdung in Deutschland sind die Bundessicherheitsbehörden zuständig. Demnach liegen aktuell keine Erkenntnisse vor, die auf eine konkrete Gefährdung der deutschen Atomkraftwerke hinweisen und zusätzliche Sicherungsmaßnahmen erforderlich machen würden."
Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital sieht die größten Gefährdungen durch sogenannte Innentäter. Das sind AKW-Mitarbeiter, die auf der Seite möglicher Terroristen stehen könnten. Gerade Belgien bot da unlängst Grund zur Sorge, so Smital:
"In Belgien hat es im Sommer 2014 einen hoch entwickelten Sabotageakt gegeben, wo mehre Innentäter mit sehr hoher Anlagenkenntnis sehr hohen Schaden zugefügt haben. Diese Innentäter konnten nie letztlich gefasst werden. Man konnte das nur einkreisen auf eine Tätergruppe, es wurde aber nie letztlich aufgeklärt."

Bundesumweltministerium sieht keine konkrete Gefährdung

Zu den aktuellen Meldungen, dass in belgischen AKW nach den Terroranschlägen Personal abgezogen wurde, weil sie möglicherweise ins Visier von Terroristen geraten seien, erklärt das Bundesumweltministerium:
"Das ist den Angaben der Behörde zufolge das für die in Belgien derzeit ausgerufene Terrorwarnstufe 4 vorgesehene Vorgehen. Das Personal, das für den Betrieb der AKW benötigt werde, verbleibe selbstverständlich vor Ort."
Greenpeace fordert nach den Brüsseler Terroranschlägen Belgien auf, die Atomkraftwerke des Landes aus Sicherheitsgründen so schnell wie möglich abzuschalten. Belgien will den Atomausstieg nach Plan bis 2025 durchführen.
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