Asylpolitik

"Ich mag die Opfermentalität nicht"

Die Schriftstellerin Fatou Diome.
Die Schriftstellerin Fatou Diome. © dpa / picture alliance / Uwe Zucchi
Von Anke Schaefer · 16.07.2015
Die im Senegal geborene Schriftstellerin Fatou Diome kämpft mit Blick auf das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer für eine gerechtere Asylpolitik. In Berlin-Kreuzberg las sie aus ihren Texten - und übte Kritik auch an der afrikanischen Jugend.
"Bonjour, guten Abend!"
Fatou Diome sitzt unter dem Abendhimmel in Berlin, sie wird scharfe und differenzierte Kritik üben, an Europa, an Afrika. Aber zum Auftakt liest sie aus ihrem Buch, "Der Bauch des Ozeans". Sie liest aus dem Kapitel, in dem ein Mann, der aus dem Senegal nach Frankreich ausgewandert ist, in sein Land zurückkehrt und erzählt. Er schildert Paris in den schillerndsten Farben.
"Glaubt mir, sie sind dort sehr reich." Er erzählt, wie luxuriös man wohnt, dass man in den schicksten Läden auf den Champs Elysees einkauft, die Hausarbeit von Maschinen erledigen lässt und dass es für jedes Kind Kindergeld gibt. Fatou Diome klappt das Buch zu und kommentiert ihren Text.
"Das ist ein Verhalten eines Auswanderers, der das, was er in Europa tatsächlich erlebt hat, verschweigt, um sich in Afrika als reicher Mann zu präsentieren." Hört endlich auf, sagt sie, die Lüge zu verbreiten, Europa sei das Eldorado. Macht lieber Afrika zu einem Eldorado. Lasst Euch nicht zu Opfern machen!
"Ich mag die Opfermentalität nicht. Ich habe entschieden, kein Opfer zu sein! Und ich denke: Jeder Mensch kann das entscheiden! Und die afrikanische Jugend muss sich sagen können: Ich komme zurecht, mit oder ohne Europa."
Verantwortung zu übernehmen, darum geht es Fatou Diome
Und wer jetzt denke, dass sie, Fatou Diome, das ja leicht sagen könne, weil sie sich gerade in Europa befinde und gerettet sei – der liege falsch. Sie habe bereits mit zwölfeinhalb Jahren im Senegal ihr eigenes Geld verdient. Verantwortung zu übernehmen – darum gehe es. Soviel an die Adresse ihrer Landsleute. An die Europäer appelliert sie, Afrika endlich als gleichberechtigten Partner zu sehen und jede paternalistische Haltung aufzugeben. Denn die Lage sei doch klar. Entweder, ruft Fatou Diome, wir werden entweder alle reich, oder wir werden alle ertrinken. Afrika brauche Bildung und Demokratie. Dabei setzt Fatou Diome auf den europäisch-afrikanischen Dialog. Im Publikum zustimmendes Nicken, zum Beispiel von dieser Frau:
"Sie hat ja viel darüber gesprochen, dass wir das zusammen machen müssen und dass das eine ohne das andere untergehen würde – bedeutet ja auch für uns eine Chance, dass wir was machen können, sonst habe ich nicht viele Handlungsmöglichkeiten."
Jeder kann handeln – das ist Fatou Diomes optimistische Botschaft. Da mag die Zahl der Flüchtlinge erdrückend und die europäische Flüchtlingspolitik zweifelhaft sein – Frust und Resignation lässt sie nicht aufkommen. Erstaunlich beschwingt geht dieser Abend nach drei Stunden zu Ende.
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