Asylbewerber

Die Macht der Übersetzer

Asylantrag für die Bundesrepublik Deutschland mit einem Stempel mit der Aufschrift "Bewilligt"
Gehen oder bleiben - der Dolmetscher spielt beim Asylantrag eine Schlüsselrolle. © Imago / Christian Ohde
Von Azadê Peşmen · 19.09.2016
Ob ein Asylantrag Erfolg hat oder nicht, kann auch von der korrekten Übersetzung abhängen. Aber ist es gar nicht so einfach, gute Dolmetscher für Arabisch, Farsi, Dari oder Tigrinya zu finden.
Asif Syed aus Pakistan hatte schon während seiner Anhörung beim BAMF Zweifel.
"Der Dolmetscher hat nur sehr kurz übersetzt und ich habe ihn gefragt, wie ist das möglich, du sagst nur einen Satz und er antwortete: Nein, ich übersetze, aber du kannst nicht gut genug Deutsch, die deutsche Sprache ist kurz, wenn ich übersetze."
Seine Zweifel wurden bestätigt. Der Dolmetscher hat nicht nur relevante Informationen ausgelassen, sondern auch zum Teil falsch übersetzt. Das erfuhr der 32-Jährige erst durch das Protokoll, in dem die Anhörung dokumentiert wurde. Gemeinsam mit seinem Anwalt ist er den Text durchgegangen und fand grobe Schnitzer in der Übersetzung:
"Da waren zwei grundsätzliche Fehler: Ich habe gesagt: 'Ich wurde angeschossen und kam dann ins Krankenhaus.' Und er hat übersetzt: 'Ich hätte Cricket gespielt, wurde dabei angeschossen, sei wieder aufgestanden und nach Hause gelaufen.' So ist es ziemlich einfach, meinen Fall abzulehnen. Das war der größte Fehler, den er begangen hat und auch der Grund, warum mein Antrag abgelehnt wurde."

Wichtig ist der Zugang zum Protokoll

Diana Henniges vom Verein "Moabit Hilft" betreut Asylsuchende, die kurz vor ihrer Anhörung stehen und kennt Fälle wie den von Asif Syed. Sie kritisiert, dass die Geflüchteten nur gemeinsam mit einem Anwalt Einsicht in das Protokoll bekommen. Das koste Geld, das die meisten nicht hätten. Außerdem sei es immer auf Deutsch verfasst. Eine Sprache, die die viele Geflüchtete nicht sprechen.
"Die Rückübersetzung des Interviews muss nicht nur auf Anfrage geschehen, sondern muss verpflichtend in der Muttersprache des Geflüchteten zukommen, weil heute ist es schon gängige Praxis, dass der Geflüchtete gefragt wird: 'Du brauchst doch das Interview nicht in gedruckt, oder?' Und er antwortet schon so, dass er sagt: 'Nein, wieso, brauche ich das?' Und das kann es nicht sein."
Denn nur wer Zugang zu dem Protokoll hat, kann auch nachvollziehen, auf welcher Basis eine Entscheidung für oder gegen das Asylgesuch getroffen wurde.
Der Dolmetscher hat in dem Verfahren eine wichtige Schlüsselrolle, trägt eine große Verantwortung, aber auch eine große Last mit sich: Was wird übersetzt, wie betont, weggelassen, oder gar vergessen? Alles wichtige Faktoren für die Entscheidung, ob jemand bleiben darf oder gehen muss. Allerdings ist es gar nicht so einfach Dolmetscher für die benötigten Sprachen zu finden: Arabisch, Farsi, Dari, Tigrinya – diese Sprachen sind am meisten gefragt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte erst im Sommer neue Dolmetscher gesucht und dafür eigene Kriterien formuliert:
"Der Nachweis eines sprachbezogenen Studiums oder einer Prüfung ist wünschenswert, aber nicht zwingende Voraussetzung für den Einsatz als Sprachmittler im Bundesamt. Sprachmittler, die diese Voraussetzungen mitbringen, werden bevorzugt eingesetzt. Daneben setzt das Bundesamt überwiegend Muttersprachler als Sprachmittler ein."

Dolmetscher ist kein geschützter Begriff

Aber nicht alle Muttersprachler scheinen dafür geeignet, in einem juristischen Verfahren zu übersetzen. Für viele der gefragten Sprachen gibt es beispielsweise keine Studiengänge, in denen Menschen über Jahre hinweg professionelles Dolmetschen trainieren.
Jeder kann im Prinzip diesen Beruf ausüben, bemängelt Michael Feilenschmidt vom Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer:
"Das ist eben auch so, dass der Beruf der Dolmetscher leider als Begriff nicht geschützt ist, also jeder kann sich so nennen. Jeder darf sagen, ich bin Dolmetscher, kann Visitenkarten austeilen und da kann niemand etwas gegen machen."
Übersetzungsfehler kommen im Asylverfahren vor. Das BAMF nimmt nach eigenen Angaben jegliche Beschwerden – Zitat – "sehr ernst" und gehe diesen nach. Asif Syed aus Pakistan ist einer der wenigen, der mit juristischer Unterstützung dagegen vorgehen konnte. Doch möglicherweise existieren noch viele weitere Fälle von Falschübersetzungen, die weiter unbemerkt bleiben – mit weitreichenden Folgen für die Betroffenen.
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