Astrologie

Verantwortung abschieben an die Sterne

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Am blauen Himmel hinter einem Wald bei Waase auf der Insel Ummanz bei Rügen. © picture alliance / dpa / Stefan Sauer
Florian Freistetter im Gespräch mit Ute Welty  · 31.12.2014
Der Glaube an die Astrologie ist ungebrochen, obwohl alle Erkenntnisse gegen sie sprechen. Der Astronom Florian Freistetter warnt vor zu viel Einfluss dieses Irrglaubens.
"Die Astrologie ist heute vermutlich genauso wenn nicht sogar beliebter als sie früher war", sagte der Wissenschaftsautor Florian Freistetter im Deutschlandradio Kultur. "Mittlerweile können wir eindeutig sagen, dass eben die Astrologie nicht geeignet ist, irgendwas über die Zukunft oder das eigene Leben zu erfahren." Es gebe für die Astrologie keinerlei physikalischen Grundlagen. Es sei für Astrologen erstaunlicherweise völlig egal, ob Planeten groß oder klein seien oder wie weit sie entfernt seien. "Das Weltbild der Astrologie basiert ja immer noch darauf, dass die Erde im Zentrum ist und sich alles drum herum bewegt", sagte er. "Da sind wir auch schon ein bisschen weiter mittlerweile."
Bei Liebeskummer zum Astrologen
Astrologie sei ein Mittel, um scheinbare Sicherheit zu gewinnen, sagte Freistetter. Deshalb gingen einige Leute zum Astrologen, wenn sie Liebeskummer hätten oder schwerwiegende Entscheidungen fällen müssten. "Immer dann, wenn man sich selbst nicht sicher ist und sich bewusst oder unbewusst nicht traut, eine Entscheidung zu fällen. Wenn man die Verantwortung abschieben wolle, böten sich die Sterne an. Nicht nur Normalbürger, sondern auch Politiker und führende Manager glaubten an die Kraft der Astrologie: "Man weiß ja auch, dass Ronald Reagan einen Astrologen beschäftigt hat", sagte er. Auch große Personalmanager oder Banker orientierten sich sogar bei Geschäftsentscheidungen an astrologischen Prognosen. "Auch wenn das so öffentlich nicht mehr so zugegeben wird, aber die Astrologie wird da immer noch eingesetzt." Er halte es für ein Problem, wenn jemand einen Job nicht bekomme, weil er das falsche Sternzeichen habe oder eine Bank pleite gehe, weil der Astrologe da falsch beraten habe. "Dann betrifft mich das auch, egal, ob ich jetzt an Astrologie glaube oder nicht glaube."
Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Es fällt mir nicht leicht, es zuzugeben, aber es ist so: Ich kaufe derzeit alle verfügbaren Frauenzeitschriften und lese alle verfügbaren Horoskope für das neue Jahr. Und was besonders perfide ist: Ein oder zwei verwahre ich dann, um zu schauen, ob denn das auch eingetreten ist, was da geschrieben wurde und vorhergesagt wurde. Und schon jetzt höre ich Florian Freistetter etwas schwer atmen, denn der Mann ist Astronom und findet Astrologie natürlich Unsinn. Guten Morgen, Herr Freistetter!
Florian Freistetter: Guten Morgen!
Welty: Das einzige, was ich zu meiner Verteidigung vortragen kann: Die Welty ist nicht allein auf der Welt mit dieser Leidenschaft für die Sterndeuterei. Auch Könige, Kaiser und Feldherren haben die Hilfe und den Rat von Astrologen in Anspruch genommen. Warum hat sich Ihre Erkenntnis, dass Astrologie nicht funktioniert, offenbar immer noch nicht durchgesetzt?
Freistetter: Na ja, das war eben – früher natürlich wusste man noch nicht so viel über die Welt, und da war das die Tatsache oder die Interpretation, dass die Bewegungen am Himmel, die Objekte am Himmel irgendwelche mystischen Botschaften von Göttern sind, von Schicksalsdeutungen sind. Das war jetzt etwas, wo es noch nicht so viele Möglichkeiten gab, das zu widerlegen. Und insofern war das damals so ein durchaus beliebtes Instrument, um ein bisschen mehr über die eigene Zukunft herausfinden zu können.
Welty: Ist es ja bis heute eigentlich, oder?
Freistetter: Natürlich. Die Astrologie ist heute vermutlich noch genauso, vermutlich sogar noch beliebter, als sie früher war. Nur mittlerweile wissen wir sehr viel mehr über die Welt, und mittlerweile können wir eindeutig sagen, dass eben die Astrologie nicht geeignet ist, irgendwas über die Zukunft oder das eigene Leben zu erfahren.
Es fehlen die physikalische Grundlagen
Welty: Sie sagen, Astrologie kann gar nicht funktionieren. Warum nicht?
Freistetter: Wenn Astrologie funktionieren würde, dann würde man das erstens merken, dann würden die Vorhersagen der Astrologen auch irgendwann einmal zutreffen. Und dann müsste es auch irgendwelche physikalischen Grundlagen geben, dann müsste es irgendwelche konsistente Grundlagen geben, irgendwelche Zusammenhänge, konkrete Zusammenhänge zwischen den einzelnen Himmelskörpern, die die Astrologen benutzen, irgendwelche Kräfte, die auf uns wirken oder Kräfte, die zwischen den Himmelskörpern wirken. Und alles, was da die Astrologen behaupten, kann man zeigen, dass es da eben keine entsprechende Grundlage gibt, die das leisten kann, was behauptet wird.
Welty: Aber wenn der Mond Meere bewegen kann, Ebbe und Flut? Was macht Sie so sicher, dass die Sterne keine Menschen bewegen können?
Freistetter: Der Mond kann Meere bewegen, aber er kann das eben nur, weil es Meere sind. Der Mond kann über die Gravitationskraft wirken, kann über die Gezeitenkräfte wirken, braucht es dementsprechend große Mengen an Wasser. Es hat zum Beispiel noch keiner Ebbe und Flut im Bierglas gesehen, weil eben da die Meerwassermenge zu gering ist. Und Sterne sind wahnsinnig weit weg. Die Sterne sind Billiarden Kilometer weit weg, und der Mond kann die Kraft auf die anderen nur deswegen ausüben, weil er uns so nahe ist. Und alle anderen Himmelskörper sind weit weg.
Und wenn das tatsächlich so funktionieren würde, dann müsste ja im Horoskop auch zum Beispiel eine zeitabhängige Kraft involviert sein. Dann müsste ein Planet im Horoskop umso weniger wirksam sein, je weiter weg er ist von der Erde, und das ist zum Beispiel nicht der Fall. Das ist für die Astrologen vollkommen egal, genauso, wie es für die Astrologen egal ist, ob der Planet groß oder klein ist, ob der Planet nahe oder fern ist, ob die Erde sich um die Sonne bewegt oder die Sonne um die Erde. Das Weltbild der Astrologie basiert ja immer noch darauf, dass die Erde im Zentrum ist und sich alles um sie rundherum bewegt. Da sind wir auch schon ein bisschen weiter mittlerweile.
Für normale Bürger ebenso interessant wie für Herrscher
Welty: Wann und warum waren Astrologen besonders gefragt, und wann weniger? Hat das auch was mit der Zeitstimmung, mit den Umständen zu tun?
Freistetter: Na ja, Astrologie ist immer – es ist ein Mittel, um scheinbare Sicherheit zu gewinnen. Also heute zum Beispiel, Menschen gehen zum Astrologen, wenn sie Liebeskummer haben, wenn sie irgendwelche schweren Entscheidungen treffen müssen, Berufswechsel, Wohnortwechsel und so weiter, also immer dann, wenn man sich selbst nicht sicher ist und sich vielleicht irgendwie bewusst oder unbewusst nicht traut, eine Entscheidung zu treffen und diese Verantwortung dann irgendwie abgeben will.
Und da bieten sich halt die Sterne an, denn da kann man die Verantwortung für das eigene Handeln eben auf die Sterne projizieren und sagen, okay, der Pluto steht im Sternbild soundso, Merkur steht in den Fischen. Das bedeutet jetzt, dass ich irgendwie meinen Job behalten soll oder wechseln soll. Das heißt, das ist immer eine Möglichkeit, um die Verantwortung abzugeben, und das war natürlich immer schon attraktiv, für den normalen Bürger heute genauso, wie früher für die großen Herrscher, die ebenfalls wichtige Entscheidungen treffen mussten.
Welty: Zu diesen großen Herrschern gehörte Karl der Große unter anderem. Hat die Astrologie heute tatsächlich ihren Einfluss auf die Großen und Mächtigen der Zeit verloren, oder gibt es nur keiner mehr zu?
Freistetter: Ich denke mal, dass eher zweiteres stimmt. Also, man weiß auch, dass zum Beispiel Ronald Reagan einen Astrologen beschäftigt hat oder beziehungsweise seine Frau, aber Reagan hat es auch mit angehört. Es gab in Österreich Wissenschaftsminister, die Astrologie öffentlich propagiert haben. Wenn man mit den Astrologen redet, ein bisschen unter vier Augen redet, dann sagen sie durchaus, dass zum Beispiel große Personalmanager großer Firmen, Bankangestellte, Banker, dass die entsprechende Geschäftsentscheidungen auf astrologischen Prognosen gründen, welche Aktienkurse gekauft oder verkauft werden müssen, welche Leute eingestellt werden müssen. Das heißt, auch, wenn es jetzt nicht mehr so öffentlich zugegeben wird, aber die Astrologie wird da immer noch eingesetzt, und das ist halt durchaus ein Problem, weil wenn ich jetzt einen Job nicht bekomme, weil ich das falsche Sternzeichen habe, oder meine Bank pleite geht, weil der Astrologe da was falsch beraten hat, dann betrifft mich das auch, egal, ob ich jetzt an Astrologie glaube oder nicht glaube.
Welty: Herr Freistetter, gibt es überhaupt die Astrologie, von der wir jetzt die ganze Zeit jetzt hier reden? Ich hab ja zum Beispiel auch mindestens zwei Sternzeichen, ein westliches und ein chinesisches, das sich gar nicht nach Monaten aufteilt, sondern nach Jahren.
Freistetter: Ja, natürlich, das ist auch einer der Gründe, warum man leicht sehen kann, dass Astrologie eben nicht wirklich funktionieren kann. Es gibt eben nicht nur die Astrologie, es gibt Unmengen verschiedener Varianten der Astrologie. Es gibt die westliche Astrologie, es gibt chinesische Astrologie, es gibt eine indische Astrologie. Es gibt Unmengen verschiedener Astrologien, die dann noch in Unmengen verschiedene Untergruppen sich aufspalten. Und wenn an dem ganzen irgendetwas dran wäre, dann sollte man ja auch meinen, dass das Ganze so eine gewisse in sich konsistente Logik hat. Und das ist eben nicht der Fall. Die Astrologen, mal verwenden die diese Himmelskörper, andere verwenden neben den normalen Planeten noch ein paar Asteroiden mit dazu. Ein paar andere verwenden sogar Planeten, die gar nicht existieren in der Realität. Das heißt, da kann im Prinzip jeder sich sein eigenes Ding zusammenbasteln und dann fröhlich-frei vor sich hin fabulieren und interpretieren, weil es eben keine logische Grundlage für das Ganze gibt.
Selektive Wahrnehmung führt in die Irre
Welty: Aber warum passiert es denn dann immer wieder, dass man in Menschen mit demselben Sternzeichen immer wieder auch die selben Eigenschaften hineinliest oder ähnliche Erfahrungen mit ihnen macht. Dass Widder zum Beispiel nicht verlieren können, oder dass Skorpione ziemliche Kontrollfreaks sein können und auch gerne bemachten?
Freistetter: Das sind einige Faktoren. Zum Beispiel ist es natürlich mal eines, selektive Wahrnehmung. Es gibt jede Menge Menschen, die nicht verlieren können, davon gehe ich mal aus. Und wenn dann dieser eine Mensch, mit dem man gerade zu tun hat, der nicht verlieren konnte, zufällig Widder ist, dann sagt man, aha, du bist Widder, deswegen ist das so. Wenn das ein Löwe ist oder sonst man das Sternzeichen nicht kennt, dann fällt einem das gar nicht weiter auf. Das heißt, man merkt das immer nur dann, wenn es zufällig gerade stimmt, und ignoriert alle anderen Fälle, sodass es einem dann vorkommt, als wäre da irgendwas dran. Aber natürlich ist es illusorisch, jetzt zu denken, man könnte alle Menschen so simpel und einfach einteilen nur nach dem Zeitpunkt ihrer Geburt.
Vor allem diese Eigenschaften, die da von der Astrologie behauptet werden, und die Eigenschaften und Aussagen, die auch in Horoskopen selbst drin stehen, die sind ja, das ist auch psychologisch nachgewiesen von Bertram Forer, einem Psychologen, der das Ganze schon vor Jahrzehnten festgestellt hat, dass diese ganzen Texte eben alle so psychologisch speziell und vage formuliert sind, dass sie immer zutreffen. Also jeder kann ein Horoskop lesen und kann sich darin wiederfinden, weil es eben so allgemein und beliebig gehalten ist, dass man mangels konkreter Aussagen sich immer drin wiederfinden kann. Und das ist auch wieder ein Zeichen dafür, dass eben die Astrologie nicht funktioniert.
Weil wenn da was dran wäre, dann müsste man zum Beispiel wirklich in der Lage sein, sein eigenes Horoskop, das speziell für einen erstellt wurde angeblich, aus jeder Menge anderer Horoskope herauszufinden. Und jedes Mal, wenn solche Experimente gemacht worden sind, hat sich eben gezeigt, dass das nicht der Fall ist. Also man kann im Prinzip irgendein beliebiges Horoskop nehmen, es irgendeiner beliebigen Person vorlegen, und die wird dann feststellen, dass das wunderbar auf sie zutrifft, weil ...
Welty: Was sind Sie denn überhaupt für ein Sternzeichen?
Freistetter: Ich bin im Juli geboren, das heißt, ich bin Löwe.
Welty: Ich ahnte es. Der Astronom Florian Freistetter über Astrologie. Und auch wenn Sie mich mit einer Illusion weniger zurücklassen – ich danke sehr für dieses Gespräch!
Freistetter: Gern geschehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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