Asteroid im Anflug

Moderation: Christopher Ricke · 15.02.2013
Es ist eine Szene wie in einem Katastrophenfilm: Ein 400.000 Tonnen schwerer Asteroid rast derzeit auf die Erde zu - wird sie aber verfehlen. Auf einen Ernstfall sei man aber vorbereitet, sagt der Astronom Detlef Koschny. Man könne Asteroiden per Satellitenbeschuss von der Flugbahn schubsen.
Christopher Ricke: Ein ungebetener Gast schaut heute Abend mal kurz vorbei und alle hoffen, dass er nicht bleibt. Es ist der Asteroid 2012 DA14. Er saust in 27.800 Kilometer Entfernung an der Erde vorbei, und zwar heute Abend um 20:24 Uhr, 20:25 Uhr mitteleuropäischer Zeit in etwa. Das Ding hat eine ordentliche Masse und wenn es aufschlagen würde, gäbe es ein ziemliches Problem. Aber er wird wohl nicht aufschlagen. – Ich spreche jetzt mit Detlef Koschny, er ist Experte für erdnahe Asteroiden bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Guten Morgen, Herr Koschny.

Detlef Koschny: Ja schönen guten Morgen.

Ricke: Stimmen die Daten noch, die ich gerade zitiert habe? Die sind nämlich ein paar Tage alt. Oder gibt es neue Berechnungen?

Koschny: Es gibt jetzt laufend neue Berechnungen, wenn neue Beobachtungen reinkommen, aber Ihre Daten stimmen trotzdem, weil die haben sich nur um ein paar wenige Kilometer verändert, macht also keinen Unterschied.

Ricke: Kilometer näher zur Erde hin, oder weiter weg?

Koschny: Ein bisschen zur Erde hin, aber nun sind es halt 28.695 oder so was. Also das macht wirklich keinen Unterschied. Es sind immer noch zweimal der Durchmesser der Erde selber, die der Asteroid an uns vorbeizieht.

Ricke: Man muss sich also verbindlich keine Sorgen machen?

Koschny: Auf keinen Fall, nein.

Ricke: Dann kann man sich freuen und sein Fernrohr auspacken. Was sehen Sie denn als Fachmann mit Ihren Teleskopen und was kann ich als Laie mit meinem Opernglas erkennen?

Koschny: Als Laie können Sie in der Tat, wenn Sie ein ganz normales Fernglas haben und vor allem wissen, wo Sie hingucken, einen Lichtpunkt sehen, der sich langsam über den Himmel bewegt – langsamer als Satelliten, aber immerhin so schnell, dass man es deutlich sehen kann. Was die Profis machen ist, hauptsächlich mit Radarsystemen hinschauen. Gerade wenn Asteroiden so nahe sind, kann man die mit Radarsystemen untersuchen, und da kann ich dann zum Beispiel genau die Größe des Asteroiden herausfinden, die wir im Moment eigentlich nur ungenau wissen. Wir wissen zwischen 40 und 80 Meter, aber mit Radar kann man das dann auf ein paar Meter genau sagen.

Ricke: Wohin schaue ich denn, Norden, Süden, Osten, Westen, in ein bestimmtes Sternbild?

Koschny: Der geht Abends um Viertel vor neun ungefähr in Deutschland genau im Osten auf und bewegt sich dann Richtung Norden. Was ich immer mache ist: Ich empfehle eigentlich, die nächstgelegene Volkssternwarte aufzusuchen, oder einen befreundeten Amateurastronomen zu fragen, dass der einem hilft, den zu finden, weil da muss man sich schon ein bisschen am Himmel auskennen.

Ricke: Gibt es denn auch einen Platz in der zweiten Reihe, also zum Beispiel auf Ihrer Website der ESA? Wird da etwas live übertragen?

Koschny: Wir haben versucht, Videolinks aufzusetzen. Da ist es das Einfachste, per Google nach dem Asteroiden zu suchen, 2012 DA14 und dann Video-Webstream einzugeben. Es sind wir nicht die einzigen; die NASA macht das natürlich auch. Die Entdecker-Sternwarte in Spanien versucht, einen Video-Stream zu machen. Ich sage "versuchen", weil das kommt natürlich immer aufs Wetter an. Wenn Wolken sind, kann man nichts sehen.

Ricke: Jetzt haben die Astronomen freundlicherweise ausgerechnet, dass das Ding vorbeifliegt, aber es könnte ja immer mal sein, dass etwas auch einschlägt. Es gab gerade aktuelle Meldungen über einen Meteoritenschauer, der in Russland niedergegangen ist. Wie groß ist denn das Risiko, dass ein Brocken dieser Dimension, also 400.000 Tonnen, tatsächlich einmal auf die Erde aufschlägt?

Koschny: Ja das was da in Russland passiert ist, das passiert eigentlich sehr oft, meistens natürlich in Gebieten, wo kein Mensch wohnt, dann merkt man es nicht. Sehr oft heißt, das kann durchaus ein paar Mal pro Jahr vorkommen. Das Objekt, was da an uns vorbeifliegt, so was ist zum Beispiel 1908 in Sibirien über der Tunguska hinuntergekommen und in der Atmosphäre explodiert. Das passiert alle paar hundert Jahre mal, also kein Grund zur Sorge, vor allem, weil wenn es passiert, natürlich die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass es überm Ozean passiert oder in der Wüste.

Ricke: In Wien, wo Sie im Augenblick sind, wird ja auch über Asteroiden-Abwehrstrategien gesprochen, was also im Ernstfall zu tun ist. Kann man einen Asteroiden abwehren, oder kann man nur den Schaden begrenzen?

Koschny: Man kann Asteroiden, wenn die nicht zu groß sind, in der Tat abwehren. Das ist so, wie wenn ich mit einem Auto auf meinen Vordermann draufstoße, wenn ich einen Auffahrunfall habe. Nur wird das nie geschehen. Dann schiebt sich das vordere Auto natürlich ein kleines bisschen weg. Und so kann man auch, indem man einfach einen schweren Satelliten in den Asteroiden reinschießt, auf ihn draufschießt, ihn sozusagen wegschubsen. Wir erwarten, wenn wir wirklich einen Asteroiden entdecken, der die Erde bedrohen sollte, dass wir viele Jahre Zeit haben, weil wir die rechtzeitig entdecken, und dann kann man das durchaus machen. Das ist technisch bereits heute möglich.

Ricke: Wo wir gerade bei den Satelliten sind. Wird denn dieser Asteroid bei dem Vorbeiflug möglicherweise den einen oder anderen Satelliten versenken?

Koschny: Auch das ist ausgeschlossen. Es gibt in Amerika ein System, die verfolgen die ganzen Satelliten, die haben das natürlich ausgerechnet. Er kommt bis auf 8000 Kilometer an den nächsten Satelliten heran. Das Gute ist, dass er praktisch von Süden nach Norden durch die Bahnebene der meisten Satelliten durchstößt. Das heißt, er fliegt innerhalb dieses Rings von Nachrichten-Satelliten, die die Erde umgeben, durch, aber so unter einem Winkel, dass keine Gefahr besteht.

Ricke: Detlef Koschny, Experte für erdnahe Asteroiden bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Vielen Dank, Herr Koschny, und einen spannenden Abend heute.

Koschny: Gern geschehen – danke.


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