Asterix, Obelix und Struwelhitler

Von Anette Schneider · 18.12.2009
"Wo ist der Wind, wenn er nicht weht? - Politische Bildergeschichten von Albrecht Dürer bis Art Spiegelman” heißt eine derzeitige Ausstellung im Hamburger Kunstverein, die sich erstmals umfassend der politischen Bildergeschichte widmet.
Wo der Wind ist, wenn er nicht weht? Im Hamburger Kunstverein weht er - und zwar den meisten Künstlern stramm ins Gesicht. Unzufrieden mit den gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen sie leben, nutzen sie deshalb das Medium der Bildergeschichte, um aufzuklären über die Missstände ihrer Zeit: Ob Albrecht Dürer, Callot, Goya, Daumier, Picasso, Henry Moore, Art Spiegelman oder Gerhard Seyfried - sie alle kritisieren in ihrer Arbeit Krieg, Gewalt und korrupte Politiker. Und so lag es für Florian Waldvogel, den Leiter des Kunstvereins, nahe, eine Geschichte der politischen Bildergeschichte zu zeigen:

"Die Idee ist schon vier oder fünf Jahre alt. Und ich denk, es ist jedes Jahr der richtige Zeitpunkt, um so eine Ausstellung zu machen, weil bestimmte soziale und politische ökonomische Bedingungen unserer Welt eigentlich so eine Ausstellung permanent notwendig machen."

Schon im Erdgeschoss wird dies deutlich. Dort werden Arbeiten von Keith Haring zu Rassismus und Medienkritik mit den Altmeistern konfrontiert: Mit Dürers 1498 entstandener "Apokalypse”, Goyas "Desastres de la Guerra”, und Jacques Callots "Schrecken des Krieges”, winzigen Blättern, die 1633 entstanden.

"Das, was mich an der Callot-Geschichte interessierte, war halt einfach diese unglaubliche Bilddichte von Informationen auf diesen kleinen Blättern, die in der damaligen Zeit extrem wichtig waren, weil es darum ging, den Krieg oder das Grauen positiv darzustellen, was ja jetzt quasi Obama auch gerechtfertigt hat, dass Krieg manchmal eine gute Geschichte ist - also als Friedensnobelpreisträger, keine Ahnung, weiß ich nicht, ob man das so sagen kann, aber er hat es halt."

Wogegen Callot den Krieg nicht schön malte, sondern detailgetreu Morden, Foltern und Sterben zeigte, weshalb seine Serie auch nicht erscheinen durfte.

Betritt man die erste Etage, wird man erst einmal von Bildermassen erschlagen: Im ganzen Raum verteilt stehen riesige, über drei Meter hohe, mit Comics beklebte Stellwände. An den Wänden hängen die Radierungen der Chapman-Brüder mit ihren zeichenhaften Bildern über Krieg und Gewalt bis unter die Decke, an den Säulen weitere Plakate und Bilder.

Alle Arbeiten stammen aus dem 19. bis 21. Jahrhundert - und damit aus der Zeit der Bilderbögen, Groschenhefte und Comics. Dabei ginge es nicht darum, alles genau zur Kenntnis zu nehmen, so Florian Waldvogel, sondern sich von der Präsentationsform animieren zu lassen.

"Wir haben die Atomkraftbewegung, Antifaschismus, Maoismus, Subjektivität, Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten, Underground mit Punk-Flyern mit Donald Duck. Also es gibt schon … wo wir versucht haben, durch die Hängung bestimmte politische Bezüge herzustellen, um dann so verschiedene Weichübergänge zu finden: also Maoismus mit Immendorf, der ja selbst Maoist war. Dann Asterix und Obelix gegen Rechts, Asterix gegen das Atomkraftwerk. Es wurde schon versucht, bestimmte politische Geschichten miteinander zu verknüpfen, so verschiedene Blickachsen zu ermöglichen, dass man halt einfach sieht, dass bestimmte politische Bewegungen einfach aus den anderen entstanden sind."

Immer wieder wurde das demokratische, weil leicht verständliche und vielen Menschen zugängliche Medium der Bildergeschichten auch für reaktionäre Zwecke genutzt, etwa zur Verherrlichung von Kriegen. Sogenannte "Bunte Kriegsbilderbögen” aus dem Ersten Weltkrieg zeigen Geschichten von strammen Matrosen und Reitersoldaten. Auch faschistische Bildergeschichten sind ausgestellt. Gebrochen werden diese durch Henry Moores Zeichnungen aus den Londoner U-Bahnschächten: Dicht an dicht zeigt Moore die Menschen, die sich vor den nächtlichen Bombenangriffen der deutschen Faschisten in die Undergroundschächte flüchteten.

Natürlich ist auch die Geschichte von Maus zu sehen, Art Spiegelmans Comic über die Vernichtung der Juden, sowie die Geschichte des Nazijägers Hellboy. Wobei die Arbeiten zu grotesken offiziellen Regelungen führten.

"Interessant ist zum Beispiel bei Maus: In der deutschen Ausgabe sieht man die Hakenkreuze, aber bei Mike Magnolia mit Hellboy, der quasi Nazijäger ist, da sieht man die Hakenkreuze nicht. Da gibt es in der englischen Ausgabe Hakenkreuze und in der amerikanischen. Und im Deutschen ist es das Quadrat."

Oft greifen Künstler bekannte Figuren auf und passen sie den Problemen ihrer Zeit an: So macht Struwelpeter eigentümliche Wandlungen durch. Während er 1849 noch Revolutionsnachlese betreibt, wird er im Zweiten Weltkriegs zu Struwelhitler, der mit schwarzer Mähne und bluttriefenden Fingern sein Unwesen treibt.

"Beim Struwelhitler ist das so - die Alliierten haben aus Struwelpeter Struwelhitler gemacht - und die Geschichten vom Struwelpeter wurden halt übersetzt auf Josef Goebbels und Adolf Hitler. Die gab's in englisch und in deutscher Übersetzung. Und die Alliierten haben das über Deutschland abgeworfen, um die deutsche Bevölkerung aufzuklären."

Immer wieder präsentiert sich die Geschichte der politischen Bildergeschichte als eine Geschichte der Verbote, Raubdrucke und der kreativen Aneignung bestimmter Figuren. Die nachgemachten "Asterix und Obelix”-Hefte gegen Atomkraft sind ebenso verboten, wie Art Spiegelmans kritischer Comic über 9/11, der in den USA nicht erscheinen darf. Landserhefte oder offen rassistische Hefte wie "Tim und Struppi im Kongo” erregen dagegen kaum Anstoß.

So verdeutlicht die umfangreiche und überzeugende Ausstellung wie nebenbei, dass natürlich der Wind immer weht. Wenn man sich allerdings stets im herrschenden Mainstream bewegt, spürt man ihn niemals im Gesicht, und kann trügerischerweise schon mal an Windstille glauben. Doch der nächste Sturm kommt bestimmt.