Assad-Regime hat "keine Zukunft"

01.12.2011
Die Sanktionen gegen Damaskus gehen in die richtige Richtung, findet der EU-Parlamentarier Hans-Gert Pöttering (CDU). Es werde für das Assad-Regime immer schwieriger, sich zu behaupten, wenn außer der EU auch die Arabische Liga und der UN-Sicherheitsrat weiter gegen Syrien vorgingen.
Marcus Pindur: Es wird immer enger für Baschar Al-Assad, den syrischen Diktator. Die EU-Außenminister wollen heute in Brüssel ein ganzes Bündel von Sanktionen gegen Syrien beschließen. Unter anderem wird die EU den Kauf syrischer Staatsanleihen verbieten sowie die Auslieferung von Ausrüstung für den Öl- und Gassektor. Ich habe vor der Sendung mit Hans-Gert Pöttering, CDU, ehemaliger Präsident des Europaparlamentes, jetzt Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, gesprochen, und meine erste Frage an ihn: Werden diese Maßnahmen das Regime Assad wirklich unter Druck setzen?

Hans-Gert Pöttering: Ich glaube, dass die Sanktionen, die jetzt beabsichtigt sind, in die richtige Richtung gehen, und die Europäische Union ist ja ein Akteur in der Welt, und es gibt ja andere Akteure. Und wenn auch andere, wie die Arabische Liga, hoffentlich auch die Vereinten Nationen, der Weltsicherheitsrat, auch weitergehen in den nächsten Tagen, dann wird es immer schwieriger für das Regime von Assad, sich zu behaupten, und deswegen erwarte ich, dass wenn die Dinge sich so weiter entwickeln, dass der Zeitpunkt kommt, dass das Regime hoffentlich am Ende ist.

Ich habe dieser Tage mit Journalisten gesprochen aus Syrien und habe gesagt: Ja, Ihr Präsident Assad. Und dann haben sie es strikt von sich gewiesen, Assad als ihren Präsidenten zu benennen. Sie haben gesagt: Wir haben ihn nie gewählt, er ist nicht unser Präsident, und er sollte verschwinden. Also hier gibt es eine sehr starke Opposition, die wir ja auch im Lande selber sehen. Bedauerlicherweise gibt es keine offizielle Berichterstattung, und deswegen ist es wichtig, dass auch Leute in das Land hineinkommen, was die Arabische Liga ja gefordert hat, dass es Beobachter gibt, die vor Ort sich ein Bild machen. Aber das Regime von Assad lässt die Leute ja nicht in das Land hinein.

Pindur: Sie haben das Stichwort Arabische Liga genannt - lange Zeit galt die ja als ein ziemlich konsequenzenloser Debattierclub. Glauben Sie, dass die Liga jetzt in der Lage sein wird, gegenüber Syrien geschlossen und dann auch mit langem Atem aufzutreten?

Pöttering: Ich halte für sehr wichtig, was sich in der Arabischen Liga entwickelt, das war ja auch schon im Falle Libyen so. Man hat ja in der Arabischen Liga zunächst beschlossen, dass der Luftraum gesperrt wird in Libyen, das heißt, die Arabische Liga selber hat sich gegen das Regime von Gaddafi gestellt, das war ja dann die Grundlage für das Handeln der NATO im Rahmen der vereinten Nationen. Also das sind alles sehr wichtige Entwicklungen in der Arabischen Liga, und ich erinnere mich auch an Gespräche, die ich in Ägypten geführt habe in den vergangenen Monaten, und hochrangige Gesprächspartner in Ägypten haben mir gesagt, man muss handeln. Man muss handeln - das bezieht sich jetzt noch auf Libyen - im Rahmen der Vereinten Nationen. Und dass die Arabische Liga dieses im Falle Libyen beschlossen hat, ist sehr bemerkenswert, und dass sie jetzt auch - die Arabische Liga - Assad in Syrien auffordert, nun mit dem Blutvergießen aufzuhören, Beobachter ins Land zu lassen, das ist eine für die Arabische Liga - wenn man ihre Politik der letzten Jahrzehnte kennt - sehr bemerkenswerte Entwicklung. Und ich war am Wochenende gerade in Algerien, und zu meinem Erstaunen haben auch die algerischen Gesprächspartner doch eine zunehmend entschlossene Haltung, was Syrien angeht.

Pindur: Staaten wie Saudi-Arabien haben ja beileibe keine weiße Weste in Menschenrechtsfragen. Sie haben eben Algerien angesprochen. Meinen Sie denn, diese Staaten werden mit Druck dann auch tatsächlich Maßnahmen, auch harte Maßnahmen, gegen Syrien durchsetzen?

Pöttering: Natürlich bin ich kein Prophet, Herr Pindur, und ich kann nicht in die Zukunft schauen, aber das Verhalten der Arabischen Liga und einiger Länder der Arabischen Liga deutet doch darauf hin: Sollte Assad, sollte sein Regime - das ist ja nicht nur er, sondern das ist ja das Regime der Aleviten, das ist ja eine Minderheit, eine religiöse Minderheit in Syrien -, sollten die weiter so brutal gegen die Demonstranten vorgehen, dann kann die Arabische Liga nach dem, was sie bisher an Äußerungen getan hat, nicht in ihrem Handeln einfach aufhören, sondern die Arabische Liga - und der Begriff der Ehre spielt ja eine große Rolle in der arabischen Welt - erwartet natürlich, dass Assad auch reagiert auf das, was die Arabische Liga fordert.

Und es gibt ja sogar eine Vereinbarung zwischen dem Regime von Präsident Assad und der Arabischen Liga, und diese Vereinbarung ist nicht eingehalten worden, die Gewalt geht weiter, und auch in Algerien hat man mir gesagt, dass die Gewalt unverhältnismäßig ist, dass man also auf die Leute schießt, dass viele Menschen umkommen. Und das schafft doch in der Arabischen Welt eine psychologische und politische Lage, dass man weiter - das erwarte ich - gegen das Regime Assad vorgeht, und es versucht, wirtschaftlich und politisch zu isolieren. Und die Auseinandersetzung in Syrien auch von Militärs, die sich von der Regierung abgewandt haben, diese Auseinandersetzungen nehmen zu, so dass ich eine Entwicklung voraussehe, dass es für das Regime von Präsident Assad immer schwieriger wird.

Pindur: Glauben Sie, dass es einen Eingriff von Außen geben wird, etwa durch die Arabische Liga?

Pöttering: Das ist im Moment nicht absehbar, man kann das natürlich in der Zukunft nicht ausschließen, aber im Moment ist es wohl nicht zu erwarten, sondern man versucht mit politischem, mit diplomatischem Druck, aber auch mit wirtschaftlichem Druck, durch Isolierungsmaßnahmen des Regimes, hier weiterzukommen. Und man kann nur hoffen, dass die Einsicht bei Assad und Anderen zunimmt, dass dieses Regime keine Zukunft hat und dass es dann doch schließlich abtritt. Und dann muss man Vereinbarungen treffen, wie das dann geschehen kann. Aber das ist jetzt sicher nicht der Moment, darüber in der Öffentlichkeit zu reden.

Pindur: Welche Chancen räumen Sie persönlich Assad ein, an der Macht zu bleiben?

Pöttering: Ich geben ihm eigentlich keine Chance mehr, denn er hat jede Legitimation verloren. Das Regime auch, das Regime seines Vaters, war ja nie ein Regime, das sich wirklich auf den Willen des Volkes stützen konnte. Und wenn Leute, auch Persönlichkeiten wie der Ministerpräsident der Türkei, Ministerpräsident Erdogan, aber auch der König von Jordanien, Präsident Assad nahelegen, dass er doch zurücktritt, dann zeigt das doch, dass er auch bei denjenigen keine Unterstützung mehr hat, die ihn in der Vergangenheit unterstützt haben, und wenn es auch nur eine stillschweigende Unterstützung gewesen sein sollte.

Pindur: Herr Pöttering, recht herzlichen Dank für das Gespräch!

Pöttering: Ich danke Ihnen, Herr Pindur!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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