Armutsforscher Christoph Butterwegge

"Armut trotz Arbeit ist unser Problem"

Christoph Butterwegge, Politikwissenschaftler und Armutsforscher, steht vor einer mit Graffitis besprühten Mauer
Der Anstieg der Arbeitsplätze in Deutschland sage nichts über die Qualität der Jobs aus, sagt Christoph Butterwegge. © imago stock&people
Christoph Butterwegge im Gespräch mit Andre Zantow · 11.03.2017
Zu sagen, den Menschen in Deutschland gehe es heute so gut wie noch nie, sei oberflächlich und undifferenziert, meint Christoph Butterwegge. Denn auch hier gebe es inzwischen viele "Working Poor" - weil jeder vierte Job im Niedriglohnsektor sei.
13 Millionen Menschen gelten dem Paritätischen Wohlfahrtsverband zufolge hierzulande als arm. Gleichzeitig erlebt Deutschland derzeit mit 43,5 Millionen einen Beschäftigungshöchststand. Wie geht das zusammen? Die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse sage nichts über deren Qualität aus, meint der Armutsforscher Christoph Butterwegge. Fast ein Viertel der Beschäftigten sei im Niedriglohnsektor tätig und das bedeute ein Leben am Rande der Armut.
"Heute haben wir das Problem von Multijobbern", sagte Butterwegge im Deutschlandradio Kultur. "Da haben Menschen gleich mehrere Beschäftigungsverhältnisse. Morgens tragen sie Zeitungen aus. Mittags arbeiten sie im Schnellrestaurant und abends fahren sie vielleicht noch Pizzen rum und können kaum über die Runden kommen."
Diese "Working Poor" machten einen Großteil des Armutsproblems in Deutschland aus. "Also eine Situation, dass Millionen von Menschen arm sind, obwohl sie arbeiten, manchmal sogar Vollzeit und nicht in Leiharbeit oder in Teilzeit oder in Mini- oder Midi-Jobs", so der Armutsforscher. "Wenn eine solche Situation besteht, dann muss man zur Kenntnis nehmen, dass die Arbeit alleine nicht reicht."
Gebäudereiniger putzen eine U-Bahn-Station in Dormund.
Gebäudereiniger putzen eine U-Bahn-Station in Dormund.© dpa / picture-alliance / Ina Fassbender

Das Interview im Wortlaut:
Deutschlandradio Kultur: 128 Stimmen hat Christoph Butterwegge bei der Wahl zum Bundespräsidenten im Februar erhalten und damit 33 Stimmen mehr als die Linke, die ihn aufstellte, Abgeordnete in der Bundesversammlung hatte. Ein Achtungserfolg für den umtriebigen Armutsforscher, der heute zu Gast ist in Tacheles. Schönen guten Tag, Herr Butterwegge.
Christoph Butterwegge: Guten Tag.

In den entwickelten Ländern herrscht relative Armut

Deutschlandradio Kultur: Wir sprechen Sie in Köln und wenn wir auf die gesamte Bundesrepublik gucken, dann muss man sagen, dass wir auf Platz 18 aller Länder weltweit liegen, wenn man sich den Reichtum anguckt, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, pro Kopf. Das heißt, uns geht es hier besser als 90 Prozent der Erdbevölkerung. Wo können Sie wirklich Armut in Deutschland sehen, Herr Butterwegge?
Christoph Butterwegge: Man muss unterscheiden zwischen absoluter Armut und relativer Armut. Absolut arm ist jemand, der seine Grundbedürfnisse nicht befriedigen kann, der nicht genug zu essen hat, kein sauberes Trinkwasser, kein Dach über dem Kopf, aber was wir in den entwickelten Industrieländern wie der Bundesrepublik finden, ist eben relative Armut. Relativ arm ist jemand, der seine Grundbedürfnisse zwar befriedigen kann, der sich aber vieles von dem nicht leisten kann, was in der betreffenden Gesellschaft für fast alle anderen Gesellschaftsmitglieder normal ist, der nicht teil hat an bestimmten kulturellen und sozialen Prozessen in der Gesellschaft.
Wer es sich zum Beispiel nicht leisten kann, mal mit Freunden in ein Restaurant zu gehen oder in eine Kneipe oder in einen Biergarten oder der keine Kinokarte oder keine Theaterkarte erwerben kann, weil er sich das nicht leisten kann, der würde bei uns als relativ arm gelten. Er verhungert nicht. Er hat auch eine Wohnung. Aber er hat das Gefühl, in dieser Gesellschaft an den Rand gedrängt zu sein, ausgegrenzt zu werden – wenn es Kinder oder Jugendliche sind, ausgelacht zu werden, zum Beispiel, weil man nicht das neueste Handy hat, weil man vielleicht sogar in Sommerkleidung auf dem Schulhof steht im tiefsten Winter, da ausgelacht zu werden von den eigenen Klassenkameradinnen und Klassenkameraden. Das kann viel mehr schmerzen, als die Kälte zu spüren.
Insofern, finde ich, darf man sich nicht beruhigen und sagen: Na ja, da handelt es sich darum, dass Hartz-IV-Bezieher auf hohem Niveau klagen. Ich finde, da machen wir es uns häufig auch zu leicht, wenn wir uns damit beruhigen, dass wir diesen internationalen Vergleich ziehen.

Höhere Lebenshaltungskosten berücksichtigen

Deutschlandradio Kultur: Aber, Herr Butterwegge, der Paritätische Wohlfahrtsverband spricht davon, dass jemand arm ist, wenn er weniger als 60 Prozent der Geldmenge hat, die ein mittlerer Haushalt zur Verfügung hat. Das bedeutet, ein Single ist arm, wenn er weniger als 942 Euro, mit allen Geldflüssen im Monat gerechnet, hat. Und eine Familie mit zwei Kindern ist arm, wenn sie weniger als rund 2.000 Euro zur Verfügung hat. Wie würden Sie denn jemandem in Polen oder in Griechenland erklären, dass eine Familie in Deutschland mit weniger als 2.000 Euro als arm gilt?
Christoph Butterwegge: Es hat dieser internationale Vergleich das Problem, dass natürlich auch die Lebenshaltungskosten bei uns viel höher sind als in den von Ihnen genannten Ländern. Also, ich kann einfach nicht die Lebenssituation eines Menschen hier vergleichen mit der Lebenssituation eines anderen Menschen woanders, indem ich einfach nur das Einkommen zur Grundlage mache, sondern ich muss ja die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen der Betreffende lebt, berücksichtigen. Also, zu sagen, man kann doch mit 500 Euro in Litauen schön leben, nützt demjenigen, der in Luxemburg mit 500 Euro noch nicht mal eine Besenkammer mieten kann, überhaupt nichts. Also, das heißt, ich muss schon die Wohlstandsentwicklung, den Lebensstandard in der betreffenden Gesellschaft zugrunde legen.
Ich will es nochmal an einem anderen Beispiel kenntlich machen, weil, häufig wird ja auch nicht der internationale Vergleich gezogen, sondern ein historischer Vergleich, und gesagt – ich nenne jetzt mal Helmut Schmidt, der gesagt hat: "In meiner", Helmut Schmidts, "Jugend hatte ein Facharbeiter nicht so viel Geld zur Verfügung wie ein Hartz-IV-Bezieher heute." – Nur, der heutige Hartz-IV-Bezieher lebt eben nicht in der Zeit, wo Helmut Schmidt jung war, sondern er lebt heute. Und es ist falsch, die über Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg immer danach zu beurteilen, dass sie nur dann arm sind, wenn sie trocken Brot essen, sondern ein Armer heute lebt natürlich, wenn Sie so wollen, besser als ein Höhlenbewohner vor Jahrtausenden. Aber trotzdem wird er in der Gesellschaft dann ausgegrenzt, wenn er vieles von dem nicht hat, was andere haben.

Jeder Vierte im Niedriglohnsektor beschäftigt

Deutschlandradio Kultur: Dann bleiben wir in der Gegenwart. Der Paritätische Wohlfahrtsverband sagt in seinem aktuellen Armutsbericht, dass nach seiner Berechnung 13 Millionen Menschen in Deutschland arm sind, ein Höchststand in dieser Statistik. Gleichzeitig gibt es aber auch einen Höchststand in der Beschäftigung. Fast 43,5 Millionen Menschen in Deutschland, so viele wie noch nie, haben einen Arbeitsplatz.
Christoph Butterwegge: Viele auch mehrere, weil sie sonst nicht leben können.
Deutschlandradio Kultur: Wie passt dieser Gegensatz aber zusammen?
Christoph Butterwegge: Das ist schon die Antwort darauf. Also, die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse sagt doch nichts über die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse und über den Lohn oder das Gehalt aus, das mit diesen Beschäftigungsverhältnissen verbunden ist. Das ist unser Problem. Wir haben einen wachsenden Niedriglohnsektor, der inzwischen fast ein Viertel aller Beschäftigten umfasst. Und in dem zu leben, bedeutet eben, sich und seine Familie mal vielleicht so eben über die Runden bringen zu können, ist aber häufig damit verbunden auch, dass man armutsnah lebt.
Also, wenn ein Viertel aller Beschäftigten eben im Niedriglohnsektor tätig ist, dann sagt die Tatsache, dass viele beschäftigt sind, eben relativ wenig aus, sondern wir haben ein Problem der Prekarisierung der Lebens- und Arbeitswelt. Also, es gibt heute mehr atypische Beschäftigungsverhältnisse, das heißt, nicht Normalarbeitsverhältnisse in dem Sinne, dass sie sozialversicherungspflichtig, dass sie Vollzeit sind, dass sie keine Leiharbeit sind und dass sie auch unbefristet sind. Sondern heute haben wir das Problem von Multijobbern. Da haben Menschen gleich mehrere Beschäftigungsverhältnisse. Morgens tragen sie Zeitungen aus. Mittags arbeiten sie im Schnellrestaurant und abends fahren sie vielleicht noch Pizzen rum und können kaum über die Runden kommen. Das heißt, ich muss doch trennen zwischen der Zahl der Beschäftigungsverhältnisse und der Situation auf dem Arbeitsmarkt einerseits und der Frage, wie viele Menschen in einer Gesellschaft arm sind.
Und bei uns haben wir das Problem, dass es viel Armut trotz Arbeit gibt, die Working Poor, wie das in den USA heißt, also eine Situation, dass Millionen von Menschen arm sind, obwohl sie arbeiten, manchmal sogar Vollzeit und nicht in Leiharbeit oder in Teilzeit oder in Mini- oder Midi-Jobs, die natürlich ein großer Teil des Problems sind. Wenn eine solche Situation besteht, dann muss man zur Kenntnis nehmen, dass die Arbeit alleine nicht reicht.

Steuerpolitik nach dem "Matthäus-Prinzip"

Deutschlandradio Kultur: Wen sehen Sie als verantwortlich für diese Entwicklung?
Christoph Butterwegge: Die Agenda 2010, die Hartz-Gesetze, eine Politik, die schon unter der Regierung Kohl anfing und dann aber unter der rot-grünen Koalition bei Gerhard Schröder als Bundeskanzler fortgesetzt und verschärft wurde. Nämlich einen breiteren Niedriglohnsektor zu schaffen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland noch konkurrenzfähiger auf den Weltmärkten zu machen, hat wesentlich dazu beigetragen, dass wir heute mehr Armut trotz Arbeit haben. Das war auch bewusst so gemacht und gewollt. Gerhard Schröder hat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2005 geprahlt, sich und seine rot-grüne Koalition dafür gelobt, dass sie – wörtliches Zitat jetzt: "einen der besten Niedriglohnsektoren in Europa geschaffen hatten".
Also, das war gewollt. Man hat die soziale Sicherheit verringert. Man hat den Sozialstaat um- und abgebaut. Man hat auch eine Steuerpolitik betrieben, den Spitzensteuersatz für die Großverdiener gesenkt, zwar auch bei den Niedrigverdienern gesenkt, aber nicht um diese Beträge, die gespart wurden von denjenigen, die riesig hohe Einkommen hatten. Und man hat besonders Kapital- und Gewinnsteuern gesenkt. Man hat die Vermögensteuer schon unter der Regierung Kohl ab 1997 nicht mehr erhoben. Die Börsenumsatzsteuer ist 1991 von der Regierung Kohl abgeschafft worden, obwohl es sie am Finanzplatz London immer noch gibt.
Dadurch hat man natürlich diese sich vertiefende Kluft zwischen Arm und Reich, diesen Prozess verstärkt. Und man hat auf diese Art und Weise vor allen Dingen große Vermögen und Einkommensbezieher entlastet und gleichzeitig die Mehrwertsteuer am 1. Januar 2007 in der ersten Großen Koalition unter Angela Merkel von 16 auf 19 Prozent angehoben und damit vor allen Dingen diejenigen Familien getroffen, die fast 100 Prozent ihres Einkommens in ihren Alltagskonsum stecken müssen. Also, zum Beispiel Familien mit mehren Kindern von Geringverdienern oder Transferleistungsbeziehern sind stark betroffen worden von dieser Mehrwertsteuererhöhung.
Wenn man eine solche Steuerpolitik nach dem Matthäusprinzip macht, im Evangelium des Matthäus heißt es: "Wer hat, dem wird gegeben, und wer wenig hat, dem wird auch das Wenige noch genommen", der darf sich nicht wundern, dass die Kluft zwischen Arm und Reich sich vertieft.

Deutschland war nie der "kranke Mann Europas"

Deutschlandradio Kultur: Nun ist aber trotzdem die Arbeitslosenquote seit 2005 fast halbiert worden auf inzwischen sechs Prozent. Deutschland hat die zweitniedrigste Arbeitslosenquote in der gesamten Europäischen Union. Nur Tschechien ist besser. Wenn wir jetzt mal zurückdenken an 2005, da galt ja Deutschland eben als "kranker Mann Europas". Und dann kam eben die Hartz-Reform. Wollen Sie zurück in die Zeit vor diesen Arbeitsmarktreformen?
Christoph Butterwegge: Ein "kranker Mann Europas" war Deutschland nie. Deutschland war immer Exportweltmeister oder Exportvizeweltmeister, auch damals schon. Die wirtschaftlichen Kennziffern waren zum Teil vor 2005 besser als in der Zeit danach. Die offiziell registrierte Arbeitslosigkeit hat sich in der Tat fast halbiert seitdem. Das hatte aber unter anderem damit zu tun, dass man die Statistik entsprechend bereinigt hat. Beispielsweise sind heute nicht mehr diejenigen enthalten, die zwar arbeitslos sind, aber bei einem privaten Arbeitsvermittler mit einem Gutschein der Arbeitsagentur sich bewerben um einen Job. Trotzdem fallen sie aus der Statistik heraus, obwohl sie immer noch arbeitslos sind. Wenn man genau hinguckt, gibt es natürlich viel mehr Arbeitslose als die in der offiziellen Statistik ausgewiesenen. Auf diese Art und Weise vermittelt man den Eindruck, alles habe sich nun verbessert.
Ich bezweifle erstens, dass die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze dafür ausschlaggebend waren. Man hat zum Beispiel in der Finanzkrise zwei Konjunkturpakete aufgelegt. Es gab eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes von sechs Monaten auf zwei Jahre. Es gab sogenannte Arbeitszeitkonten in den Betrieben. Auch der Kündigungsschutz war noch nicht so weit gelockert, dass die Betriebe sich schnell trennen konnten von Teilen der Belegschaft. Und das war der Grund, warum zum Beispiel Deutschland viel besser aus der Finanzkrise herausgekommen ist 2008/ 2009 als viele Nachbarländer.
Also ist die Situation nicht wegen Hartz IV so gut, sondern zum Teil wegen Maßnahmen, die eigentlich eher in eine andere Richtung gingen, nämlich neokeynesianisch ausgerichtet waren, die öffentlichen Investitionen verstärken und damit Arbeit zu schaffen. Also, es wird doch niemand auf die Idee kommen zu sagen, nur weil in einem Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern mehr Störche nisten und gleichzeitig auch mehr Kinder geboren werden, dass der Klapperstorch die Babys bringt. Aber einen Kausalzusammenhang zwischen der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen und dem Rückgang der Arbeitslosigkeit, zumindest der offiziell registrierten, diesen Zusammenhang stellt die Öffentlichkeit der Bundesrepublik immer her. Und ich frage mich, warum das eigentlich so ist.

Anteil der armen Kinder hat sich "verdoppelt"

Da wird behauptet vom Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, dass es heute 800.000 Arbeitslose mehr gäbe, wenn es Hartz IV nicht gäbe. Ich glaube, viel eher beweisen zu können, dass sich die Zahl der armen Kinder verdoppelt hat, seitdem am 1. Januar 2005 Hartz IV eingeführt wurde. Weil, es gab am 31. Dezember 2004 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche in der Sozialhilfe. Und es gibt heute fast zwei Millionen Kinder und Jugendliche in Hartz IV. Das heißt, die Zahl der von Armut Betroffenen hat sich seitdem erhöht, obwohl es weniger Kinder und Jugendliche heute aufgrund des demografischen Wandels gibt als damals. Das zeigt doch, dass diese Reformen für mehr Armut gesorgt haben. Das zu beweisen, ist leichter als den Rückgang der Arbeitslosigkeit darauf zurückzuführen.
Deutschlandradio Kultur: Nun ist Gerhard Schröder ja seit 2005 nicht mehr Kanzler, sondern Angela Merkel. Wie bewerten Sie ihre Amtszeit im Bereich Sozialpolitik. Was hat sie in den vergangenen zwölf Jahren für die Menschen getan, die langzeitarbeitslos sind, die schlechte Schulabschlüsse haben und deshalb schwer einen Job finden, im Niedriglohnsektor arbeiten oder eben auch arme Kinder sind?
Christoph Butterwegge: Die Politik der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze wurde ja im Wesentlichen von der Großen Koalition 2005 fortgesetzt. Das gilt vielleicht für die jüngste Vergangenheit nicht mehr in dem Maße, weil, da kann man den Mindestlohn nennen, da kann man auch Rentenreformen nennen, also, die Mütterrente, die Erhöhung, auch die Möglichkeit, ab 63, vorher beitragsfrei in Rente zu gehen. Das sind Verbesserungen im sozialpolitischen Bereich. Aber im Großen und Ganzen, würde ich sagen, ist der Sozialstaat weiter um- und abgebaut worden, auch unter Angela Merkel.

Angela Merkels Politik hat das Armutsrisiko vieler erhöht

Und wenn sie heute sagt, den Menschen in Deutschland geht es so gut wie noch nie, dann ist das eine oberflächliche und undifferenzierte Aussage. Natürlich gibt es viele Menschen, denen es so gut geht wie noch nie. Wenn man über die Autobahnen fährt und die vielen Limousinen sieht, dann merkt man das sehr deutlich, dass auch wir ein sehr reiches, ein sehr wohlständiges Land sind. Es behauptet übrigens auch der Paritätische Wohlfahrtsverband mit seinem Armutsbericht nicht, dass Not und Elend der Dritten Welt jetzt in Deutschland eine Heimat gefunden hätten, sondern er behauptet nur, dass die Armut, die relative Armut angestiegen ist, seit der Vereinigung 1990 noch nie so hoch war wie heute. Und die Armutsrisikoquote, das sagt auch das Statistische Bundesamt ist heute eben mit 15,7 Prozent sehr viel höher als 2005, wo die Quote 14,7 Prozent betrug, und noch viel höher als in den 90er Jahren, wo die Armutsrisikoquote in der Bundesrepublik so um 14 bis 11 Prozent lag. Das heißt also, wir haben eine zunehmende relative Armut in Deutschland. Und dazu hat auch die Politik unter Angela Merkel, denke ich, ein gutes Stück beigetragen.
Deutschlandradio Kultur: Nach dieser Bestandsaufnahme, Herr Butterwegge, sollten wir auch mal über Lösungsansätze sprechen. Welcher Partei trauen Sie das denn zu? Sie haben ja eine SPD-Vergangenheit, sind jetzt parteilos, wurden aber von der Linkspartei für die Bundespräsidentenwahl aufgestellt. – Wer kann Armut wirksam verringern?
Christoph Butterwegge: Das sind sicherlich Parteien, die erstmal dieses Problem überhaupt ernst nehmen. Wer behauptet, allen Menschen in Deutschland ginge es heute so gut wie noch nie, der wird sicherlich nicht ernsthaft etwas dafür tun, die Lebens- und Arbeitssituation der sozial Benachteiligten zu verbessern.
Deswegen würde ich schon sagen, eine Mitte-Links-Regierung wäre die Lösung, die wahrscheinlich für die ärmeren Menschen in Deutschland die beste Regierungskonstellation wäre. Ich werbe ja bekanntermaßen für eine rot-rot-grüne Koalition, weil ich glaube, dass unser Führung der SPD, zusammen mit Bündnis 90/Die Grünen und der Linken es möglich wäre, diejenigen Reformen, die unter diesem Titel Agenda 2010 laufen, ein Stück weit zumindest zu korrigieren, so wie das Martin Schulz, der neue Kanzlerkandidat der SPD, ja auch angekündigt hat.

Schulz muss sich auch um Hartz-IV-Empfänger kümmern

Er macht, finde ich, den Fehler, dass er zwar sich kümmert um diejenigen, die hart arbeiten und sich an die Regeln halten, aber sich weniger um die offensichtlich kümmern will, die auch gerne hart arbeiten würden, aber immer noch vielleicht teilweise auch dauerarbeitslos sind. Mehr als eine Million Menschen sind im Dauerbezug von Hartz IV und sind auf Dauer arbeitslos oder langzeitarbeitslos. Wobei noch nicht mal die berücksichtigt sind, die, wenn sie zum Beispiel nach zwei Monaten wieder ihren Job verlieren, dann werden sie wieder als neue Arbeitslose gezählt.
Also, wenn man genau hinschaut, dann stellt man fest, jeder zweite in Hartz IV ist vier Jahre oder länger im Bezug von Arbeitslosengeld II, ungefähr eine Million Menschen schon mehr als zehn Jahre, also, seitdem es Hartz IV gibt. Deshalb muss auch dringend was für diejenigen getan werden, die das Arbeitslosengeld II beziehen.
Martin Schulz hat sofort angekündigt, das Arbeitslosengeld I, also für diejenigen, die noch nicht so lange arbeitslos sind, länger zu zahlen. Aber das nützt natürlich denjenigen nichts, die es überhaupt nicht bekommen, weil sie sofort in Hartz IV fallen. Und das ist immerhin jeder vierte bei den Neuzugängen in Arbeitslosigkeit. Da will jetzt die SPD, auch das finde ich einen richtigen Vorschlag, die Rahmenfrist, wie das heißt, verlängern, in der sozialversicherungspflichtig gearbeitet worden sein muss, um auf die Art und Weise zu erreichen, dass mehr Menschen auch vorher das Arbeitslosengeld I beziehen. Das sind richtige Vorschläge, die da gemacht werden jetzt von der SPD. Und wenn auf diese Art und Weise der Sozialstaat ein Stück weit auch wieder hergestellt wird, nachdem er ja über Jahre und Jahrzehnte jetzt zuletzt eher ab- und umgebaut worden ist, dann wäre das ein gutes Mittel, um auf diese Art und Weise die Kluft zwischen Arm und Reich auch wieder ein Stück weit zu schließen.

"Der Mindestlohn reicht in der Höhe nicht aus"

Deutschlandradio Kultur: Wie ist es denn mit dem Instrument des Mindestlohns? Den hat ja auch die SPD eingeführt und Tausende Beschäftigte dadurch jetzt aus diesem Aufstockerleben heraus geholt, die jetzt eben komplett von ihrem Gehalt leben können. Und das werden auch noch mehr Beschäftigte sein, wenn der Mindestlohn weiter steigt, wie es derzeit aussieht. Auch eine Errungenschaft dieser Regierungszeit?
Christoph Butterwegge: Ganz bestimmt. Also, es war ein historischer Markstein, die Einführung des Mindestlohns in dieser Großen Koalition von CDU/CSU und SPD – auf Betreiben sicherlich, wie Sie sagen, der SPD. Aber dieser Mindestlohn reicht natürlich in der Höhe nicht aus. 8,84 € führen einen selbst bei Vollzeiterwerbstätigkeit in aller Regel nicht aus Hartz IV heraus, sondern dazu muss man alleinstehend sein und muss auch in einer Region wohnen, wo die Miete niedrig ist. Sonst klappt das nicht. Ungefähr 60.000 Menschen sind auf diese Art und Weise wenigstens durch den Mindestlohn im letzten Jahr aus Hartz IV herausgekommen. Aber es gibt immer noch 1,2 Millionen Aufstockerinnen und Aufstocker, das heißt, Menschen, die müssen Hartz IV beziehen, also das Arbeitslosengeld II, obwohl sie gar nicht arbeitslos sind, sondern sie benutzen es, um ihren niedrigen Lohn oder ihr niedriges Gehalt aufzustocken, um davon leben zu können.
Eigentlich subventioniert der Staat damit ungefähr mit zehn Milliarden Euro pro Jahr Unternehmen, die Dumpinglöhne zahlen, also, die niedrige Löhne zahlen. Und da reicht eben der Mindestlohn von 8,84 € nicht aus. Der ist übrigens der niedrigste in ganz Westeuropa. Das zeigt auch, finde ich, dass die Bundesrepublik da durchaus nachlegen könnte.
Es gibt aber auch viele Ausnahmen. Langzeitarbeitslose bekommen ihn ein halbes Jahr nicht. Junge Menschen unter 18 ohne Berufsabschluss bekommen ihn nicht. Praktikanten bekommen ihn zum Teil nicht. Zeitungszusteller bekommen ihn nicht. Da gibt es Ausnahmen, die müssten beseitigt werden. Auch das wäre eine Aufgabe für eine rot-rot-grüne Koalition, genauso wie eine sozialere Steuerpolitik zu machen, die großen Vermögen zu besteuern, diejenigen Spitzenverdiener stärker zu besteuern, die natürlich einen höheren Steuersatz als 42 oder 45 Prozent zahlen können, was bei uns heute mit der sogenannten Reichensteuer der höchste Steuersatz ist.

Höhere Spitzensteuersätze notwendig

Es gab Jahrzehnte, da betrug der Spitzensteuersatz über 90 Prozent. Ich will jetzt nicht einen so für viele konfiskatorisch hohen Steuersatz einführen. Aber warum soll denn ein Millioneneinkommen pro Jahr nicht ab der Million zum Beispiel mit 60 oder 70 oder auch 75 Prozent, wie es Präsident Hollande eigentlich vorschwebte, besteuert werden? Ich vermag das nicht einzusehen. Und ich finde auch, die großen Kapitalgesellschaften könnten stärker besteuert werden als mit 15 Prozent, was heute die Höhe der Körperschaftssteuer ist.
Solche Steuersätze lagen zu Zeiten von Helmut Kohl bei 53 Prozent. Und ich finde, Helmut Kohl war kein Kommunist. Und die Steuersätze in der Kohl-Ära wieder einzuführen, hieße heute zwischen fünfzig und hundert Milliarden Euro pro Jahr mehr Steuereinnahmen zu haben. Ich glaube, für die Verkehrsinfrastruktur, auch für die soziale und Bildungsinfrastruktur, für das, was nötig wäre, um in unserem Land auch an besserer Bildung zum Beispiel für Kinder aus sozial benachteiligten Familien etwas zu tun, die Klassen kleiner zu machen, mehr Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen einzustellen, das wären doch Aufgaben, die der Staat erfüllen müsste und die nötig wären, um auch das Problem der Armut ein Stück weit zu mildern.
Deutschlandradio Kultur: Das klingt sicherlich für viele, die das jetzt hören, total logisch. Und die sagen: Warum macht man es denn nicht? Jetzt ist so, dass viele Forderungen, die Sie genannt haben, auch von der Linkspartei hätten stammen können. Die sagen auch, der Mindestlohn muss auf zwölf Euro erhöht werden. Es muss ein Mindestarbeitslosengeld von 1.050 Euro geben. Aber die Linkspartei, die verharrt mit diesen Vorschlägen bei ihren acht Prozent Zuspruch in den Umfragen. Ist Armutsbekämpfung also nicht so relevant für die meisten Wähler?
Christoph Butterwegge: Ja, es gibt bei uns in Deutschland wenig Sensibilität für dieses Problem. Wenn man eine solche Armutsrisikoquote annimmt, oder ich würde schon von Einkommensarmut sprechen, wenn man weniger als 942 Euro im Monat hat, dann ist man nicht armutsgefährdet, sondern dann ist man schlichtweg arm. Aber es wird bis hin zur katholischen Kirche und zur Caritas verharmlost, beschönigt, gut gerechnet, so dass man da zu dem Ergebnis kommt, eigentlich ist dieses Problem bei uns gar nicht so akut. Das wäre in anderen Ländern, glaube ich, anders. Da würde eine nationale Aufgabe darin gesehen, dieses Problem der Armut jetzt zu bekämpfen.

Wenig Solidarität der Mittelschicht mit den Armen

Wenn so wenig Sensibilität bei der Mittelschicht da ist, wenn man eher das Gefühl hat, selber von Armut bedroht zu sein, als dass man sich solidarisiert mit denjenigen, die schon jetzt arm sind, dann ist die Wahl der AfD natürlich beispielsweise eine scheinbare Alternative, obwohl das eine Partei der Privilegierten ist, die überhaupt nichts tut für Menschen, die vom sozialen Abstieg bedroht sind. Die möchte alle Steuerarten abschaffen, die nur ganz Reiche zahlen, nämlich die Vermögensteuer und die Erbschaftsteuer. Aber kein Hartz-IV-Bezieher hat Angst, dass er Vermögensteuer zahlen muss oder dass er ein großes Betriebsvermögen erbt, auf das er Erbschaftssteuer zahlen müsste.
Also, das heißt, im Kleinbürgertum, in der Mittelschicht haben Menschen Angst abzustürzen und wenden sich rechten Demagogen zu. Aber das Problem der sozialen Spaltung, dass es von den etablierten Parteien ernst genommen würde, das haben wir leider nicht. Nur wenn das der Fall wäre, glaube ich, dann könnte auch eine große Kraftanstrengung der Gesellschaft erfolgen, dafür zu sorgen, dass alle Menschen in Würde leben können.
Dass zum Beispiel das Problem der Altersarmut zunimmt und wächst, auch wenn es noch nicht so dramatisch ist, wie es vielleicht in einigen Jahrzehnten sein kann, wenn man nichts dagegen unternimmt rentenpolitisch.Also, es wäre nötig, dass wir mehr Aufmerksamkeit für dieses Problem bekommen. Vielleicht kann der Wahlkampf dazu beitragen, dass sich mehr Menschen, auch die, die selbst nicht betroffen sind von Armut, solidarisieren mit denjenigen, die kaum wissen wie sie am 20. des Monats für ihre Kinder noch was Warmes auf den Tisch bekommen.
Wenn man sieht, dass zum Beispiel unter den Alleinerziehenden, das sind ja meistens Frauen, 43,8 Prozent als einkommensarm gelten oder, anders ausgedrückt, vierzig Prozent davon sind im Hartz-IV-Bezug, wenn sie zwei oder mehr Kinder haben, sind es schon sechzig Prozent, also, da wird ein großer Teil auch von Kindern einfach abgehängt in unserer reichen Gesellschaft. Dass das nicht den Politikern die Zornesröte ins Gesicht treibt, sondern dass das mit Gleichmut betrachtet wird und eher verharmlost wird, und man kann sich noch nicht mal einigen, ob man und wann man einen Armuts- und Reichtumsbericht herausgibt, das zeigt eigentlich, dass hier noch eine große Menge an Aufklärungsarbeit nötig ist. Ich bin eigentlich froh, dass Wohlfahrtsverbände, dass Gewerkschaften, dass zum Teil auch Kirchen diese Aufklärungsarbeit betreiben.

Andere Staaten sind viel großzügiger

Deutschlandradio Kultur: Sehen Sie im Ausland wirksame Maßnahmen gegen Armut?
Christoph Butterwegge: Es gibt in den skandinavischen Ländern den Ansatz, dass der Staat zum Beispiel dafür sorgt, dass in öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen ein warmes Mittagessen ausgeteilt wird. Und das wird aus Steuermitteln bezahlt. Bei uns müssen die armen Familien aus dem Bildungs- und Teilhabepaket in einem sehr, sehr bürokratischen Verfahren Gelder beantragen, die häufig erst Monate später bewilligt werden. Gutscheine werden ausgeteilt für bestimmte Leistungen aus diesem Bildungs- und Teilhabepaket. Und da könnte natürlich der Staat diese Kinder aus sozial benachteiligten Familien besserstellen, ohne sie einem so entwürdigenden Verfahren auszusetzen, einem solchen bürokratischen Monster, wie es das Bildungs- und Teilhabepaket bei Hartz IV ist. Das, finde ich, ist zum Beispiel etwas, wo andere Staaten sehr viel großzügiger verfahren.
Bei uns hat die damalige Sozialministerin Ursula von der Leyen aus dem Vorurteil heraus, dass arme Eltern eher den Flachmann oder den Flachbildschirm vom Geld kaufen, das sie bekommen für ihre Kinder, den Schluss gezogen, man kann ihnen nicht mehr Geld geben, sondern man legt lieber ein solches Bildungs- und Teilhabepaket auf. Ich finde, das ist eine Position, die der Situation überhaupt nicht gerecht wird. Denn wir wissen in der Armutsforschung aus Untersuchungen, dass fast jede Familie versucht, ihrem Kind das Beste angedeihen zu lassen. Und die meisten Eltern würden sich eher noch das letzte Hemd ausziehen, um die Kinder nicht spüren zu lassen, dass die Familie arm ist.
Trotzdem wird den Armen bei uns unterstellt, sie wären Drückeberger, sie wären Faulenzer, sie wären Sozialschmarotzer. Solange dieses Bewusstsein in den Köpfen der allermeisten offensichtlich Einfluss hat, solange wird sich wahrscheinlich auch an der tiefen Kluft zwischen Arm und Reich im Land ändern.

Gutmensch und Weltverbesserer aus Überzeugung

Deutschlandradio Kultur: Zum Abschluss eine persönliche Frage, Herr Butterwegge: Sie sind jetzt Pensionär, 66 Jahre, im Ruhestand, haben Kinder, haben durch Ihre lange Arbeit an der Uni Köln als Professor sicher genug Auskommen, müssten sich also jetzt nicht mehr so viel engagieren. Sie touren trotzdem durch Deutschland, versuchen überall für Ihr Thema zu kämpfen, zu streiten. Was treibt Sie an seit Jahrzehnten?
Christoph Butterwegge: Das ist sicher ein tief empfundenes Gerechtigkeitsverständnis, das ich habe. In einer Gesellschaft zu leben, auch als jemand… Ich gehöre zu denjenigen, von denen Angela Merkel sagt, es geht den Menschen in Deutschland so gut wie noch nie. Aber wenn es mir gut geht und anderen geht es schlecht und die Armut breitet sich so langsam, nicht dramatisch, nicht explosionsartig, aber sie breitet sich langsam bis in die Mitte der Gesellschaft hinein aus und verfestigt sich dort, dann kann ich doch als jemand, der nicht reich ist, aber sehr wohlhabend, dann kann ich doch nicht in Ruhe leben in dieser Gesellschaft, sondern ich muss doch versuchen meinen beiden kleinen Kindern, aber auch anderen Menschen eine gerechtere, eine humanere, eine sozialere Gesellschaft zu hinterlassen.
Deshalb werbe ich für mehr Solidarität. Deshalb bemühe ich mich, diese Gesellschaft zu verbessern. Ich bekenne mich auch dazu, ein Gutmensch zu sein. Soll sie denn schlechter werden, die Welt? Ein Weltverbesserer bin ich natürlich und will ich auch sein. Das, finde ich, ist die Verpflichtung, gerade wenn es einem gut geht dafür zu sorgen, dass das auch für alle anderen gilt.
Deutschlandradio Kultur: Das war Christoph Butterwegge, Politikwissenschaftler und Armutsforscher. Eines seiner letzten Bücher zu dem Thema heißt "Armut in einem reichen Land". Vielen Dank.
Christoph Butterwegge, 1951 in Nordrhein-Westfalen geboren, lebt in Köln und ist seit Ende 2016 in Ruhestand. Lange hat der Politikwissenschaftler an der Universität in Köln über Armut in Deutschland geforscht und zahlreiche Bücher zum Thema veröffentlicht, z. B. "Hartz IV und die Folgen", "Armut in einem reichen Land" oder "Krise und Zukunft des Sozialstaates". Butterwegge trat Anfang der 1970er-Jahre in die SPD ein, warf Kanzler Helmut Schmidt eine Politik gegen die Interessen der Arbeitnehmer vor und wurde aus der Partei ausgeschlossen.
Der Armutsforscher Christoph Butterwegge
Der Armutsforscher Christoph Butterwegge© imago
Ende der 1980er-Jahre wurde er wieder aufgenommen, trat jedoch im November 2005 erneut aus, als sich die große Koalition aus Union und SPD formierte. Butterwegge fürchtete eine Fortsetzung der Agenda-2010-Politik, die Gerhard Schröder eingeleitet hatte. Noch immer genießt Butterwegge im linken Flügel der SPD große Sympathien. Bei der Bundespräsidentenwahl 2017 stellte ihn die Linkspartei als Kandidaten auf. Butterwegge erhielt als Zweitplatzierter nach Frank Walter Steinmeier 128 Stimmen und damit 33 mehr Stimmen als die Linkspartei Delegierte in der Bundesversammlung stellte - ein Achtungserfolg.
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