Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Iran-Krise
"Trump steht unter Druck wie nie zuvor"

Mit Blick auf die Spannungen zwischen USA und Iran sieht Politologin Constanze Stelzenmüller US-Präsident Donald Trump in einer Zwangslage. Trump bekomme Druck aus dem Kongress, die Vormacht im Nahen Osten nicht zu verlieren, sagte Stelzenmüller. Sie sehe aber Chancen, dass Trump dem widerstehe.

Constanze Stelzenmüller im Gespräch mit Sandra Schulz | 18.09.2019
Ein Porträt von US-Präsident Donald Trump.
Constanze Stelzenmüller über Donald Trump: "Es gibt eine Chance, dass er dem wachsenden Druck aus dem Kongress und aus der Republikanischen Partei widersteht." (dpa/AP/Patrick Semansky)
Sandra Schulz: Wer steckt hinter den schweren Angriffen auf die beiden Ölanlagen des saudischen Staatskonzerns Aramco? Die Schlüsselfrage ist nach der Attacke vom Wochenende immer noch nicht beantwortet. Die jemenitischen Huthi-Rebellen brachten sich als Urheber ins Spiel. US-Außenminister Pompeo nannte aber schnell auch den Iran als verantwortlich, was Teheran dementierte. Jetzt ist Pompeo unterwegs zu Gesprächen in Saudi-Arabien und US-Präsident Donald Trump lässt Optionen prüfen.
Über die neuerlichen Spannungen zwischen den USA und dem Iran wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon ist Constanze Stelzenmüller, Politologin und Senior Fellow an der Brookings Institution, einem Washingtoner Think Tank. Wir erreichen Sie heute Morgen allerdings in Berlin. Darum jetzt live um 6:50 Uhr. Schönen guten Morgen!
Constanze Stelzenmüller:!! Guten Morgen.
Die Politikwissenschaftlerin Constanze Stelzenmüller sitzt im Studio während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner".
Die Politikwissenschaftlerin und US-Expertin Constanze Stelzenmüller (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
Schulz: Wieso ist immer wieder die Rede davon, dass Krieg unmittelbar bevorstehen könnte, obwohl wir ja alle wissen, dass Donald Trump diesen Krieg nicht will?
Stelzenmüller: Das liegt an mehreren Ursachen. Erstens, weil die Lage im Nahen und Mittleren Osten bereits extrem labil ist, weil die Iraner, die bisher eine Strategie der sorgfältig kalkulierten Eskalation betrieben haben, diesmal – denn sie stehen mit größter Wahrscheinlichkeit hinter diesen Angriffen – ihre Hand, glaube ich, gespielt haben, zu weit gegangen sind, so dass die selbst Freunde und Verbündete des Präsidenten wie Senator Lindsey Graham jetzt ihm Schwäche vorstellen, weil er offensichtlich versucht, von seinen ersten Drohungen wieder abzurücken. Das heißt, auch die innenpolitische Lage in den USA, die sich ja bereits im Vorwahlkampf befinden, ist sehr labil, und da kann der Präsident eventuell in eine Lage geraten, wo er nicht mehr zurück kann.
Iran will Hegemonie in der Region etablieren
Schulz: Warum ist das Schwäche, einen Krieg nicht zu beginnen, den man nicht gewinnen kann?
Stelzenmüller: Sie und ich würden das nicht so sehen, aber die Amerikaner haben sich ja unter der Regierung von Donald Trump erstens eingelassen auf eine Strategie des maximalen Drucks auf den Iran, mit Zielen, die im Grunde genommen für den Iran nicht erfüllbar sind, es sei denn, dass der Iran sich entscheidet, selbst sein eigenes Regime auszuwechseln und eine ganz andere Außenpolitik in der Region zu betreiben. Man darf ja nicht vergessen, dass der Iran in der Region mit sehr gewaltigem Druck unterwegs ist, um eine eigene Hegemonie zu etablieren, dass er nicht nur in der Region, sondern auch darüber hinaus Milizen und Terrorbewegungen finanziert. Trotzdem: Damit will ich nicht sagen, dass die gegenwärtige Eskalation nicht auch wurzelt in der amerikanischen Entscheidung, aus dem Nuklear-Deal mit dem Iran, der vom Iran eingehalten wurde, auszusteigen. Aber die amerikanische Regierung hat sich ja auch anders als ihre Vorgänger in einer Weise auf die Seite der saudi-arabischen Regierung, des jungen MBS geschlagen, der einen Krieg im Jemen betreibt. Dadurch haben sich die Amerikaner in einer Weise sowohl auf eine Seite geschlagen als auch exponiert. Das reduziert ihre Optionen und auch ihre diplomatischen Optionen.
Schulz: Aber wir haben ja als interessierte Öffentlichkeit schon gewisse Erfahrungen mit roten Linien, die US-Präsidenten ziehen, die dann überschritten werden, worauf US-Präsidenten dann doch nicht handeln. Ich spiele an auf Barack Obama und seine roten Linien, die er dem syrischen Präsidenten Assad gezogen hat. Wieso gehen wir eigentlich immer davon aus, dass es diesen Punkt überhaupt gibt, an dem ein US-Präsident nicht anders kann, als einen Krieg zu beginnen?
Stelzenmüller: Wir könnten dazu sagen, dass auch Trump im Juni mit Schlägen gegen den Iran gedroht hat nach Drohnenangriffen und dann wieder zurückgezogen hat. Auch Trump hat seine eigenen roten Linien definiert und ist dann wieder dahinter zurückgetreten. Ich glaube, die Tatsache, dass wir jetzt befürchten, dass es einen Krieg geben könnte, ist, weil der Binnendruck in Amerika so steigt, weil die Verbündeten Trumps ihn unter Druck setzen, weil insbesondere im Kongress die Sorge ist, dass Amerika als Garantiemacht im Nahen und Mittleren Osten, nicht nur für Saudi-Arabien, sondern auch für Israel, an Ansehen verlieren könnte, wenn es sich nicht gegen diese Schläge wehrt, und dass damit auch der wichtigste Verbündete Amerikas im Nahen Osten, nämlich Israel, weiter exponiert werden könnte. Das ist mit ein Grund, warum hier der Druck so steigt.
Die Tatsache, dass die Israelis gerade gewählt haben mit einem Ergebnis, das offensichtlich zum erneuten Mal in eine Pattsituation geführt hat, und die Tatsache, dass der Präsident letzte Woche seinen nationalen Sicherheitsberater in einem Streit um die notwendige Reaktion auf iranische Eskalationen verloren hat, hilft natürlich hier nicht. Der Präsident ist in einer ganz unangenehmen Zwangslage.
Vorwahlkampf in den USA spielt große Rolle
Schulz: Wir haben diese Situation – Sie haben es gerade schon skizziert – gesehen nach diesem Drohnenangriff. Da sagt Donald Trump ja, er habe einen Vergeltungsschlag in allerletzter Sekunde abgesagt, weil ihm die Folgen unverhältnismäßig erschienen, die vielen Toten, die es gegeben hätte. Jetzt haben wir die schnelle Festlegung von Außenminister Pompeo, der sagt, da steckt der Iran dahinter. Und Donald Trump sagt: Na ja, das müssen wir jetzt mal sehen. – Lernen wir da jetzt einen neuen, einen viel zurückhaltenderen US-Präsidenten Trump kennen?
Stelzenmüller: Nein. Wir haben immer schon gewusst, dass der Präsident eigentlich lieber droht als Drohungen ausführt. Der Präsident hat vor allen Dingen ein wichtiges Ziel, das in diesem Vorwahlkampf umso wichtiger geworden ist, die Versprechen an seine Wählerbasis zu erfüllen. Dieser Wählerbasis hat er eine Sache über allem versprochen, nämlich die sogenannten unendlichen Kriege Amerikas in Afghanistan und im Nahen und Mittleren Osten zu beenden. Insofern glaube ich, es besteht durchaus eine Chance, dass Trump dem wachsenden Druck aus dem Kongress und aus der Republikanischen Partei widersteht. Tatsache ist aber, dass er jetzt unter Druck ist wie nie zuvor.
Schulz: Wieso kommt dieser Druck überhaupt aus diesen Kreisen? Gibt es da nicht die Angst auch vor den wirtschaftlichen Folgen, abgesehen von den vielen Toten und der Gewalt? Aber eine Rezession, der Kampf um einen Ölpreis, das wäre doch auch in den USA unmittelbar zu spüren.
Stelzenmüller: Ja! Das Gegenargument der Befürworter eines Militärschlages ist die möglicherweise irrtümliche Überzeugung, man könne einen Militärschlag begrenzen, man könne seine Folgen eingrenzen, man habe die Verbündeten vor Ort, Saudi-Arabien und Israel, auf der eigenen Seite bei einem solchen Militärschlag. Das kann alles sehr gut irrtümlich sein. Aber das Argument derjenigen, die jetzt einen Schlag empfehlen, ist: Wenn wir das nicht tun, stehen wir als die Schwächeren da, stehen wir als diejenigen da, die unsere Verbündeten nicht schützen, und damit wird der Nahe und Mittlere Osten insgesamt unsicherer, insgesamt instabiler, und das wiederum widerspricht unseren eigenen Interessen. Damit überlassen wir eigentlich Iran kampflos das Feld.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.