Archäologie und Politik

Schlacht um Jerusalem

Die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem
Die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem © picture-alliance / dpa / Peer Grimm
Von Werner Bloch · 22.10.2015
Um kaum eine Stadt dieser Welt wird so sehr gerungen wie um das heilige Jerusalem. Doch die Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern wird nicht nur mit Waffen geführt. Städtebau, Architektur und Archäologie sind, so scheint es, selbst zu Waffen geworden.
Eine kleine Seitenstraße in der Altstadt von Jerusalem. Nahe dem Damaskus-Tor führt eine Treppe in einen Innenhof; hier hat Dr. Omar Yousef sein Büro. Der palästinensische Stadtplaner und Archäologe ist Dozent, er unterrichtet an der Ostjerusalemer al-Quds-Universität.
"Ich bin interessiert an dem gegenwärtigen Jerusalem. Denn das gegenwärtige Jerusalem ist richtig problematisch. Wo Stadtplanung ist benutzt als ein Instrument der Macht und der Kontrolle, um die jüdische Bevölkerung zu unterstützen und für sie Wohnungsbauprojekte zu entwickeln, die man in Settlements entwickelt in besetzte Gebiete."
Stadtentwicklung in Jerusalem, behauptet Dr. Omar, verlaufe einseitig. Das jüdische Westjerusalem werde von der Stadtverwaltung stets bevorzugt. Die Palästinenser machten ein Drittel der Bevölkerung aus. Doch sie erhielten nur zehn bis zwölf Prozent des Budgets.
Immer wieder gibt es Irritationen. Ein Beispiel: das Simon-Wiesenthal-Zentrum für Toleranz. Der Bau an einem Park mitten in Jerusalem ist inzwischen weitgehend fertiggestellt. Doch das Zentrum für Toleranz und Dialog ist direkt auf einem islamischen Friedhof errichtet worden. Viele Gräber seien einfach verwunden, sagen Angehörige. Obwohl es sich um den Mamilla-Friedhof handelt, einen der bekanntesten Friedhöfe Jerusalems, auf dem sogar noch Saladins Getreue begraben sein sollen.
Übertriebene Sorgen?
Sind die Sorgen der Palästinenser übertrieben? In einem Café treffen wir einen der bekanntesten Archäologen des Landes, der aber seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will – obwohl ihm gerade eine Sensation geglückt ist. Er hat die älteste Münze Israels entdeckt.
"Die Bedeutung dieser Münze liegt darin: Es ist die erste jüdische Münze, die je geprägt wurde, etwa 400 vor Christus. Eine Münze mit dem gleichen Gewicht und der gleichen Ikonographie, wie wir sie aus Gaza kennen. In Judäa gab es damals noch keine Münzprägung, deshalb vermuten wir auch, dass sie in Gaza geprägt wurde."
Israels Museen sind mit großartigen Fundstücken gefüllt. Das Problem: derartige Funde werden häufig benutzt, um die Existenz und die Ausdehnung eines sehr frühen jüdischen Staates zu belegen. Und, so die Logik, damit den Boden Jerusalems und Palästinas als jüdisches Kulturerbe zu markieren, woran dann politische Ansprüche geknüpft werden können.
"Archäologie ist immer politisch"
Der Genfer Archäologe Marc Haldimann, der lange in der Region geforscht hat: "Archäologie ist immer politisch. Archäologie wurde immer von den politischen Mächten benutzt, um zu zeigen, wie legitim sie waren."
Zahlreiche Objekte sollen auch von Palästina nach Israel gebracht worden sein. Von 32.000 Artefakten ist die Rede.
Vieles davon ist im Rockefeller Museum zu sehen. Palästinenser laufen gegen den Abzug ihres Kulturguts Sturm – doch Israel kann sich formal aufs Oslo Abkommen berufen. Denn dort ist vorgesehen, dass sich Israel um die archäologischen Schätze der ganzen Region kümmert – bis zu einem endgültigen Friedensabkommen.
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