Archäologie imperialer Machttechniken

Von Ludger Fittkau · 12.12.2011
Es ist mehr als ein Museum: Es ist eine der bedeutenden europäischen Forschungsstätten für Schiffs-Archäologie mit dem Schwerpunkt Antike. Jetzt wurde nach Sanierung und Modernisierung das Museum für Schifffahrt des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz wiedereröffnet.
Nichts ist hier verstaubt. Nicht ein Hauch mehr vom Museumsmuff, den gerade Antikenmuseen bis vor wenigen Jahren gerne ausdünsteten. Doch schon vor der Sanierung und Umgestaltung des Mainzer Museums für Antike Schifffahrt sorgte das Ausstellungsgebäude dafür, dass die musealen Jahresringe, die sich unweigerlich auf solcherart Dauerausstellungen legen, nicht zu Spannungsarmut führten.

Denn wo gibt es schon römische Schiffswracks in einer alten Lokausbesserungshalle, wo prallen die Holzplanken antiker Gefährte mit den Eisenträgern des Bahnzeitalters so aufeinander wie in diesem Haus. Jetzt auch noch ergänzt durch ein High-Tech-Solardach, das in der alten Lokhalle erstmals auch im Sommer für angenehme Temperaturen sorgen und auch noch jede Menge Strom liefern wird: Von Rom über die Hochphase der Industrialisierung bis zum Solarzeitalter - das Gebäude, in dem das Museum für Antike Schifffahrt Mainz zuhause ist, versinkt nicht selbst in Jahrtausende alter Geschichte. Dominik Kimmel, Projektleiter für den Museumsumbau:

"Es ist eine ehemalige Lokreparaturwerkstätte gewesen und das sieht man noch mit diesen Stahlträgern. Und es wichtig, die Architektur beizubehalten und auch die Ausstellung von der Architektur zu trennen. Dass sich das nicht miteinander verbindet, was eine Herausforderung an die Gestaltung ist, denn wie haben Tageslicht, aber gleichzeitig die Notwendigkeit oder den Wunsch, Funde gut zu inszenieren."

Das ist mit dem neuen Ausstellungskonzept gut gelungen. Dreh-und Angelpunkt der Präsentation sind weiterhin die vor rund 30 Jahren in Mainz ausgegrabenen fünf römischen Schiffwracks sowie Nachbauten in Originalgröße. Doch neu ist die minutiöse Darstellung der Forschungsprozesse, die sich um solche Wracks konstituieren. Damit wird klar: Der Ort, an dem der Besucher sich befindet, heißt zwar Museum für antike Schifffahrt - doch es ist gleichzeitig eine Stätte der Spitzenforschung. Dominik Kimmel:

"Dieses Haus ist Teil des Römisch-Germanischen Zentralmuseums. Das ist eines der großen Forschungsmuseen in Deutschland, Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Und hier in diesem Haus neben dran ist unser Forschungsbereich Antike Schifffahrt und die Ergebnisse dieser Forschung sind dann hier, jetzt zum Beispiel auch durch neue Themen zu sehen. Also wir bemühen uns, ständig Forschung mit moderner Präsentation zu verbinden."

So gibt kaum ein weiteres Museum für antike Schifffahrt in Europa, das seinen Fokus geografisch so weit öffnet wie das Mainzer Museum: In den Blick genommen wird nahezu der gesamte Kontinent, so Ronald Bockius, Leiter des Forschungsbereiches antike Schifffahrt im Römisch-Germanischen Zentralmuseum heute während der Eröffnungsfeierlichkeiten. Ohnehin gibt es selbst im Mittelmeerraum wenig vergleichbare Forschungszentren für Schiffsarchäologie, so Bockius:

"Ich könnte ihnen an einer Hand aufzählen, was es da gibt: das ist Bodrum, das ist Haifa, das sind zwei relativ kleine Museen in Italien, die Schiffsarchäologie fokussieren, aber die sind entweder viel kleiner und sie konzentrieren sich auf nationale Küsten, auf einen einzelnen Fundplatz wie Pisa und Firmicino. Es wird nicht der große Kontext gezeigt, der Blick über den Tellerrand."

Diesen bietet Mainz nun, indem die neue Ausstellung nicht nur die antike Schifffahrt in Mitteleuropa beschreibt, sondern auch historische Ausflüge nach Indochina oder Skandinavien unternimmt und vergleicht. Dabei ist gerade der Rhein ein Eldorado für die Experten für antike Schifffahrt, so der Archäologe Ronald Bockius. Immer wieder kommt es hier zu Funden - es wird sogar noch mehr entdeckt, als im Mittelmeerraum:

"Die Erhaltungsbedingungen sind sogar hier besser als im Mittelmeerraum. Wenn unter Wasser ein Wrack exponiert lag, dann kam die Instanz des Wracktauchens, man hat versucht, die Ladung wieder zu bergen. Die Fahrzeuge sind ja im Allgemeinen im Küstenbereich gesunken, weil sie da am Riff hängen blieben, da war Brandung, das haut alles klein. Die Wahrscheinlichkeit, ein antikes oder mittelalterliches Schiff zu finden, ist hier höher als im Mittelmeerraum."

Der Klimawandel mit den häufigeren Trockenperioden und Niedrigwasserphasen auch am Rhein wird allerdings wohl kaum noch mehr antike Wracks aus der eigentlichen Fahrrinne des Rheins emporsteigen lassen - wie etwa die Weltkriegsbomben in den letzten Wochen, glaubt Ronald Bockius:

"Der Rhein, wie er sich heute zeigt, ist ja ein Kanal. Sie werden im heutigen Fahrwasser ganz bestimmt nichts mehr finden, weil das über ein gutes Jahrhundert hinweg immer wieder ausgegraben wurde. Aber: Etwa am nördlichen Oberrhein oder im Oberrheingraben, in irgendwelchen Kiesgruben, die mal ein Flussgeschlinge ausmachten oder unten bei Xanten, ist das fast Alltag. Das wissen die wenigsten: Dort unten werden immer wieder Anker gefunden, Rechts von Schiffladungen und auch mal ein Wrack."

Das dann Auskunft gibt über die nautische Macht des römisches Imperiums. Eine Macht, die noch Jahrhunderte lang wirksam bleibt, als das Gebiet des Limes im östlichen Hinterland des Rheins längst den siegreichen Germanenstämmen preis gegeben werden musste. Wer das Rheintal beherrscht, der beherrscht eine der Zentralachsen der europäischen Wirtschaft und Kultur.

Das galt vor 2000 Jahren - das gilt bis heute. Das heute wieder eröffnete Mainzer Museum für antike Schifffahrt ist ein sehenswerter Beitrag zu einer kontinentalen Archäologie imperialer Machttechniken.

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