Arbeitsmigration

Katz-und-Maus-Spiel auf dem Wohnungsmarkt

Abendaufnahme Berlin Friedrichshain-Kreuzberg mit Modersohnbrücke auf den S- und Fernbahnverkehr im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Richtung S-Bahnhof Warschauer Straße.
Berlin ist beliebt für arbeitssuchende Europäer - auch Guillermo wollte hierher ziehen. © dpa - picture alliance / zb
Von Nadine Kreuzahler · 29.07.2014
Viele junge Spanier verlassen ihre Heimat und kommen zum Arbeiten nach Deutschland. Hier müssen sie erst einmal eine Wohnung finden - und werden leichtes Spiel für Betrüger.
Küsschen links, Küsschen rechts, ein strahlendes Lächeln. Guillermo wirkt aufgeweckt und selbstbewusst. Ein Freund hatte mir von ihm erzählt und davon, was ihm passiert ist.
"Naja, man kommt in ein anderes Land, und jedes Land hat so seine Eigenheiten. In Spanien ist die Wohnungssuche im Internet nicht so verbreitet, da passiert mehr durch Plakate oder Aushänge auf der Straße oder in Geschäften. Aber hier in Deutschland läuft alles über das Internet und du denkst: Die machen das hier so, das wird schon alles korrekt laufen."
Guillermo wäre fast Betrügern auf den Leim gegangen. Sie verlangen sowohl Miete, als auch Kaution für eine inserierte Wohnung im Voraus zu überweisen – ohne sie gesehen zu haben.
"Ja, klar, in Spanien glauben wir das. Da haben wir diese Vorstellung: Ach, da in Deutschland, da hat alles seine Ordnung."
Der 24-Jährige stammt aus dem Norden Spaniens. Eigentlich ist er Textilingenieur, aber in Spanien hat er nach seinem Studium keine Arbeit gefunden. Zum ersten Mal ist er für längere Zeit im Ausland. In Berlin jobbt er in einem Tapas-Restaurant und lernt deutsch. Die Wohnung, für die Guillermo sich interessiert, liegt angeblich im Szeneviertel Berlin Friedrichshain. Das möblierte Zimmer soll nur 280 Euro kosten.
Ein Schnäppchen!
Was für ein Schnäppchen! Auf Nachfrage schickt die falsche Vermieterin, die sich Lorena H. nennt, Fotos der Wohnung. Guillermo fällt zunächst nichts Verdächtiges auf.
"Aber als ich sie mir hinterher noch einmal angesehen habe, fiel mir auf, dass nichts zusammenpasste. Die Zimmer hatten alle unterschiedliche Fußböden, im einen war Parkett, im anderen Teppich, aber all das ist mir erst hinterher aufgefallen."
Guillermo hat die Anzeige auf dem Internetportal wg-gesucht.de gefunden. Noch von Spanien aus. Viele ausländische Studenten nutzen die Plattform, um hier in Deutschland unterzukommen. Auch auf den Seiten des deutschen Marktführers Immobilienscout24 hat Guillermo sich umgesehen. Beide Portale kennen die Masche der Betrüger, sagen sie auf Nachfrage.

Termin in der Berliner Zentrale von Immobilienscout24. Sonja May und ihre Kollegen versuchen ständig die Nutzerkonten von Betrügern aufzuspüren und zu sperren. Ein Katz-und-Maus-Spiel. Ich zeige ihr den E-Mail-Verkehr zwischen Guillermo und seiner angeblichen Vermieterin.
"Was schon mal auffällt, ist, dass der E-Mail-Verkehr auf englisch ist, das ist schon mal sehr typisch für diese Fake-Objekte."

Das heißt, es gehen auch mehrere E-Mails hin und her, um dem Interessenten zu suggerieren: es gibt hier eine real existierende Person mit einer real existierenden Wohnung, ...

Zitat aus Email 2 (Übersetzung): "Hallo Guillermo, wie geht es dir? Kannst du mir mehr über Dich verraten? Was sind deine Hobbies?"
"Das dient letztendlich nur dazu, ein so genanntes Vertrauensverhältnis aufzubauen."
Ist das Vertrauen erst einmal da, erscheint auch die Bitte, doch vorab die Kaution und die erste Monatsmiete zu überweisen, gar nicht mehr so sonderbar.
Die Anonymität des Internets macht es kompliziert
"Ich würde mich deshalb freuen, wenn du mir das Geld überweist als Beweis, dass du das Zimmer wirklich nimmst."
Als Guillermo hartnäckig nach einem Besichtigungstermin fragt, reißt der Kontakt abrupt ab. Das Konto, auf das Guillermo die 280 Euro plus 400 Euro Kaution vorab überweisen sollte, stammt aus Tschechien. Ich frage mich, ob es mit den Kontodaten nicht möglich sein muss, die Täter zu finden.
"Nein. Nein, Nein, Nein."
Termin beim Landeskriminalamt. Dezernat für Cybercrime. Kriminaloberrat Carsten Szymanski schüttelt amüsiert den Kopf.
"Nun ist die Welt nicht so, wie wir das gerne glauben oder wie wir das gerne hätten, sondern die Welt ist so, dass man sich vollständig anonym ein Konto eröffnen kann, in anderen Ländern noch sehr viel einfacher als bei uns."

Ein Rechtshilfeersuchen, sagt er, sei fast aussichtslos. Und Herr Szymanski kennt sich aus – schließlich bearbeitet er monatlich um die zehn solcher Fälle. Nicht nur die Anonymität des Internets, auch Staatsgrenzen und verschiedene Rechtssysteme machen die Ermittlungen kompliziert.
"Das ist ja wie ein Phantom zu jagen... Wenn man sehr wenig Schutz hat, und sehr wenig Möglichkeiten, dann bietet das unseren Tätern natürlich einen Spielraum, und den kann man nur durch Eigenschutz und durch sicheres Verhalten ausgleichen."
Guillermo war aufmerksam, ihm ist kein finanzieller Schaden entstanden. Allerdings: Er hatte die Kopie seines Personalausweises verschickt. Seine Identität wurde ihm geklaut. Genau in diesem Augenblick könnte jemand in seinem Namen irgendwo im Internet einen Betrug perfekt machen.