App-gesichert

Von Peter Kaiser · 08.01.2013
Wenn Bomben, Stürme oder Giftwolken die öffentliche Sicherheit bedrohen, werden Smartphone-Besitzer zukünftig frühzeitig informiert: Die "Katwarn"-App warnt die User per Klingelton vor Katastrophen.
Der Alltag in der Hauptleitzentrale der Berliner Feuerwehr bekam am 15. Dezember 2012 durch eine Blitzeis-Meldung des Deutschen Wetterdienstes, DWD, eine neue Nuance. Denn zum zweiten Mal löste die Berliner Feuerwehr "Katwarn"-Alarm aus.

Der Alarm warnte 15.000 Nutzer der App vor Blitzeis in den Berliner Innenstadtbezirken ab 22 Uhr. Mit diesem neuen System wollen die Behörden die Bevölkerung vor extremen Ereignissen wie eben Blitzeis, aber auch einem Bombenfund, Stürmen oder Bränden warnen. Auch eine Giftwolke, wie wenige Wochen zuvor, gehört dazu. Feuerwehr Hauptbrandmeister Sven Gerling:

"Wir hatten einen großen Brand in einem Teppichlager. Dort waren auch viele Klebstoffe, viele Linoleummaterialien gelagert, die mit einer sehr hohen Giftkonzentration verbrennen."

Weil aber in Berlin und in Deutschland generell die Alarmsirenen abgeschaltet sind, wäre den Behörden für die Bürgerwarnung nur noch der Weg übers Radio oder Lautsprecherwagen geblieben. Das "Katwarn"-Systen wurde deshalb aktiviert.

"Und hier wirklich gezielt in diesem Bereich, wo die Rauchwolke war, die Bevölkerung zu warnen, möglichst drinnen zu bleiben, Fenster und Türen geschlossen zu halten - all so 'ne Möglichkeiten haben wir über 'Katwarn'."

Ortwin Neuschwander vom Fraunhofer-Institut Fokus, das das "Katwarn"-System betreibt, führt weiter aus:

"Und ein Vater, der nicht zu Hause war, hat mitbekommen, dass in seinem Bereich Schadstoffe austreten. Er hat daraufhin die Kita seines Kindes angerufen. Die Kita hatte kein 'Katwarn' aktiviert, hat aber auf diese Information alle Kinder in die geschlossenen Räume reingeholt, was ohne 'Katwarn' nicht möglich gewesen wäre."

Der "Katwarn", Katastrophenwarnung-Informationsdienst ist gratis und für jeden Smartphone-Besitzer zugänglich. Per SMS oder Mail informiert das System bei einer Gefahrenlage jeden einzelnen Bürger direkt in Sekundenschnelle auf dessen Handy oder Smartphone. Wie man die "Katwarn"-App bekommt, erklärt Ulrich Meissen vom Berliner Fraunhofer-Institut Fokus. Dr. Meissen hat das System mit seinem Team entwickelt:

"'Katwarn' ist sehr einfach angelegt. Das heißt, die Anmeldung ist einfach per SMS und der Servicenummer möglich. Sie geben das Stichwort 'Katwarn' und Ihre Postleitzahl ein und kriegen dann eine Rückmeldung: Sie sind jetzt angemeldet. Und wenn dann Meldungen vorliegen, kriegen Sie die automatisch per SMS zugesandt. Zusätzlich gibt es die "Katwarn"-App für das iPhone, später auch für Android, dass Sie dort die Möglichkeit haben, sich die App runterzuladen."

Die Installation der "Katwarn"-App dauert etwa fünf Minuten. Ist die grünleuchtende App sichtbar, wird die Umgebung des Mobilfunk-Users auf einer Karte angezeigt und er im Fall des Falles gewarnt. Ist alles in Ordnung, erscheint der Satz "Es liegen aktuell keine Warnungen für Sie vor" unterhalb des Radius-Symbols.

"Katwarn" als Bevölkerungswarnsystem meldet zu den Radio-, TV- und Lautsprecherwarnungen postleitzahlengenau und detailliert alle Extremereignisse. Doch "Katwarn" kann noch mehr.

Meissen: "Zusätzlich gibt es neben der 'Katwarn'-App noch die Schutzengel-Funktion. Das heißt, unanhängig wo Sie sich jetzt mit der Postleitzahl angemeldet haben, Sie können sich frei bewegen, kriegen dann für Ihren Aufenthaltsort eine Warnung. Zum Beispiel wenn ein Bombenfund, ein Großbrand vorliegt, dann läuft im Hintergrund der Schutzengel und gibt Ihnen entsprechend die Information."

Für die Feuerwehr, sagt Sven Gerling, bietet "Katwarn" noch weitere Möglichkeiten, um die Bürger so exakt wie möglich zu warnen:

"Man kann vorprogrammierte Texte nutzen, die im System hinterlegt sind: Wie verhalte ich mich bei einem Feuer, wie verhalte ich mich bei einer chemischen Situation? Da gibt's festprogrammierte Texte. Aber der Mitarbeiter des Lagedienstes hat auch individuelle Möglichkeiten, eigene Texte dort einzugeben und darüber dann die Bevölkerung zu warnen. Und genauso wichtig ist es aber auch, die Warnung aufzuheben und eine Entwarnung zu senden."

Auch die gezielte Blitzeis-Warnung für die Innenstadtbezirke wurde am kommenden Morgen aufgehoben. Es heißt, man habe viele der sonstigen Unfälle bei einer solchen Glatteissituation verhindern können. Das alles, meint Ulrich Meissen vom Fraunhofer - Institut Fokus, ist gut und schön, aber erst ein Anfang. Denn das "Katwarn"-System ist ausbaufähig:

"'Katwarn' wird in der Zukunft weitere Kanäle freischalten. Es sind Einblendungen in das Fernsehprogramm vorgesehen, automatische Ansteuerungen in Gebäuden. Ein Beispiel: Wir können mit 'Katwarn' bei einer Kontamination, das heißt bei einer Schadstoffwolke auch direkt die Klimaanlagen in großen Gebäuden oder in Krankenhäusern ansteuern und ausschalten, um entsprechende Effekte zu erzeugen. Wir wollen den Bürgern auch die Möglichkeit geben, ein Feedback zu äußern. Wir überlegen zum Beispiel, dass man anonymisiert ein Profil abgeben kann, in dem man sagt: Ich bin Ersthelfer, beispielsweise. Und so können dann in bestimmten Lagen Ersthelfer in einem bestimmtem Postleitzahlbereich noch mal mit einer speziellen Lageinformation versorgt werden, wir brauchen euch jetzt an der und der Turnhalle, um die Einsatzkräfte zu unterstützen. Das sind fast neue Formen des Ehrenamts, die damit möglich werden."

Die letzte Glatteis-Warnung wird dem System zusätzliche Nutzer bescheren, die bisherigen 15.000 User sind bei einer Einwohnerzahl von rund vier Millionen zu gering. Doch die Vorteile liegen sozusagen in der Smartphone-Hand: Ein Warnton, beliebig justierbar, der zuverlässig Menschen und Gegenstände sofort und bedarfsgerecht schützt.


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