Anti-Terror-Kampf in Frankreich

Nationalversammlung stimmt für umstrittenes Geheimdienstgesetz

Ein Blick in das Plenum des französischen Parlaments, der "Assemblée Nationale" in Paris.
Die Nationalversammlung hat das Gesetz kürzlich verabschiedet. © picture-alliance / dpa / Christophe Petit Tesson
Von Ursula Welter · 05.05.2015
Frankreichs Nationalversammlung hat mit großer Mehrheit für ein Geheimdienstgesetz gestimmt, das den Behörden im Anti-Terror-Kampf umfassende Befugnisse einräumt. Obwohl die Bevölkerung an Vorratsdatenspeicherung gewöhnt ist, regt sich Widerstand.
Proteste vor der Nationalversammlung in Paris, telefonische Überzeugungsarbeit der Gesetzesgegner bis zuletzt. Grüne, Kommunisten, die Gewerkschaft CGT, Internetaktivisten haben noch einmal mobil gemacht gegen die Entscheidung des Parlaments zugunsten des Gesetzes, das die Geheimdienstarbeit erleichtern soll. "Um den Preis der Freiheit", wie die Gegner sagen.
Auch die frühere Präsidentschaftskandidatin der Grünen, Eva Joly, hat sich noch einmal mit anderen Aktivisten ans Telefon gehängt, um Abgeordnete zu überzeugen, dass das Gesetz gefährlich sei und vor allem an der Realität vorbeigehe.
"Bei allen Attentaten, ob Boston, Belgien, Merah oder Charlie Hebdo waren die späteren Täter auf dem Radarschirm der Ermittler und wurden nur durch fehlendes Personal, fehlende menschliche Intelligenz nicht weiter überwacht."
Attentat auf Charlie Hebdo bestärkte die Regierung
Seit 2014 wurde an dem Gesetz gearbeitet, die sozialistische Regierung sah sich durch die Januar-Attentate in ihren Überlegungen bestärkt. Die Geheimdienste sollen künftig, unter bestimmten Bedingungen, die gesamte Kommunikation der Franzosen überwachen können. Ohne richterlichen Beschluss, auf Anordnung des Premierministers, mit nur einer Kontrollinstanz, einer nationalen Kommission, die die Entscheidung des Premiers überprüfen muss.
Diese Kommission, CNCTR, wurde im Gesetzgebungsverfahren gestärkt. Damit kam die Regierung der konservativen Opposition entgegen, auf deren Stimmen sie im Gesetzgebungsverfahren im Wesentlichen zählen kann. Aber auch einzelne UMP-Abgeordnete sind skeptisch und nicht zuletzt die Anwaltskammer von Paris hat gegen das Vorhaben mobil gemacht, denn die Kontrollmöglichkeiten der Justiz in puncto Datenschutz werden eingeschränkt.
"Ich hätte dieses Gesetz als Innenminister aber nie unterstützt, wenn die Freiheit der Bürger dadurch gefährdet würde ..."
... hält Bernard Cazeneuve den Kritikern entgegen. Es seien ausreichend Garantien zum Schutz der Privatsphäre im Gesetz vorhanden.
Unmut über vage Formulierungen im Gesetzentwurf
Dennoch ist das Vorhaben umstritten. Obwohl die französische Bevölkerung an Vorratsdatenspeicherung gewöhnt ist, regt sich Widerstand gegen die vagen Formulierungen, die bei Bedrohung der "nationalen Sicherheit", also nicht nur bei terroristischer Bedrohung, den weiträumigen Einsatz technischer Überwachungsmittel, nicht zuletzt sogenannter "Black-Boxes" zur Überprüfung von Internet-Kommunikation ermöglichen soll.
"Was aber machen Sie", fragte ein Hörer im Sender France Inter den Studiogast Bruno le Roux, den Fraktionsvorsitzenden der Sozialisten: "Was machen Sie, wenn die Instrumente eines Tages in die falschen Hände geraten, etwa, wenn der Front National in Frankreich regiert?"
"Wir geben den Franzosen alle Garantien, dass das Gesetz ordentlich angewandt wird ..."
... sagte der Fraktionschef und forderte den Hörer auf, künftig eben nicht den Front National zu wählen.
"Mit uns haben Sie nichts zu befürchten."
Ob diese Begründung auch den Verfassungsrat überzeugt, wird sich zeigen. Denn Staatspräsident Hollande hat eine Prüfung durch den "Conseil Constitutionnel" zugesagt. Bevor die Weisen aber sagen, ob das Geheimdienstgesetz im Einklang mit fundamentalen Freiheitsrechten steht und ob die Mittel angemessen sind, hat der französische Senat das Wort.
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