Anlageberatung nach der Finanzkrise

Mein Geld, unser Protokoll

Die Bankentürme von Frankfurt am Main scheinen kurz nach Sonnenuntergang aus vielen kleinen Eurozeichen zu bestehen.
Die Bankentürme von Frankfurt am Main scheinen kurz nach Sonnenuntergang aus vielen kleinen Eurozeichen zu bestehen, Januar 2014 © picture alliance / Daniel Reinhardt
Von Brigitte Scholtes · 08.02.2016
Nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 hat sich in Deutschland in der Anlageberatung einiges getan. Ein Beratungsprotokoll ist seit 2010 Pflicht. Zudem müssen die Berater über ihr Honorar oder eine Provision für angebotene Produkte informieren.
"Darf ich Ihnen ein Wasser anbieten?"
Jörg Schneider und Karsten Metternich haben sich heute Zeit genommen. Im siebten Stock des Galileo, einer der Banktürme der Commerzbank in Frankfurt, wollen sie, beide in der Leitung des Anlagemanagements Private Kunden, mir erklären, was sich seit der Finanzkrise geändert hat in der Anlageberatung.
Ich gebe vor: Ich habe 10.000 Euro, die ich gern anlegen möchte, auch für zehn Jahre, denn ansonsten bin ich weitgehend abgesichert. Und etwas Risiko darf sein. Was also tun? So schnell geht das nicht, erklärt mir Jörg Schneider, Direktor Anlagenmanagement der Commerzbank:
"Wenn wir das Wertpapierhandelsgesetz nehmen, sehen wir ja, dass wir zunächst verpflichtet sind, auch mit Ihnen die Wünsche, die Ziele zu besprechen. D.h. Wir würden Sie fragen, wie lange Sie das Geld in der nächsten Zeit anlegen möchten, und das gibt ja an sich schon eine Vorgabe. Wenn wir die Chance hätten - Sie sagten eben 10 Jahre - über einen längeren Zeitraum Geld anzulegen, hätten wir per se schon mal die Chance auch, außerhalb von sehr sehr konservativen, kurzfristigen Geldern auch weitere Anlagelösungen für Sie zu finden."
Der Gesetzgeber hat den Banken und ihren Beratern also seit der Finanzkrise mehr Vorgaben gemacht, wie eine Beratung auszusehen hat, bestätigt Schneiders Kollege Karsten Metternich:
"Der Kunde ist durch die Finanzmarktkrise in vielen Fällen sehr verunsichert, in manchen Teilen zu Recht, in manchen Teilen auch zu Unrecht. Der Regulator hat reagiert und hat u.a. mit dem Beratungsprotokoll natürlich da auch Instrumente mit in die Anlageberatung reingebracht, die dem Anleger helfen soll, die verhindern soll, dass da Dinge, die da früher nicht so sauber gelaufen sind, auch in Zukunft noch passieren, die einfach einen Rahmen stecken."
Im Beratungsprotokoll wird die Beratung zusammengefasst, erklärt Metternich:
"Das darf man sich aber nicht so vorstellen, dass erst beraten wird und dann protokolliert wird, sondern das Protokoll entsteht während der Beratung. Der Berater erklärt Ihnen die Produkte, die Chancen, die Risiken und nebenbei nimmt er diese Informationen für das Protokoll auf und letztendlich ist dann das Protokoll das Ergebnis der Beratung, das gemeinsam durchgesprochen wird, hilft aber auch zu erkennen: Bin ich an allen wesentlichen Punkten vorbeigekommen und haben Sie als Kunde letztendlich alle Dinge verstanden, die Sie brauchen, um dann eine entsprechende Entscheidung zu treffen."
Solche Protokolle sind seit Anfang 2010 Pflicht, und für manche Berater war das eine Herausforderung: Früher, diesen Verdacht haben Verbraucherschützer immer wieder bestätigt gefunden, verkauften die Berater gern die Produkte, die ihrem Haus und ihnen selbst die meisten Provisionen einbrachten. So ganz abgestellt ist das noch nicht, die Anlageberatung ist zwar insgesamt besser geworden, hat die Zeitschrift Finanztest, erst vor zwei Wochen wieder festgestellt, aber Ariane Lauenburg, Redakteurin von Finanztest, ist noch nicht zufrieden:
"Es gibt aber immer noch reichlich Luft nach oben. Anders als früher fragen die Berater zwar heute durchweg nach dem finanziellen Hintergrund des Kunden, nach seiner Risikobereitschaft, nach seinem Anlagewunsch. Leider passen die Anlagevorschläge dann aber häufig trotzdem nicht zum Kunden."
Dann kommen konkrete Produktempfehlungen
Die Commerzbank schult ihre Berater nicht nur, sie sichert sie auch ab, indem sie ein System entwickelt hat, das die Berater durch das Gespräch mit dem Kunden führt, erklärt deren Abteilungsdirektor Karsten Metternich:
"Wir als Commerzbank haben es dem Berater einfach gemacht, indem wir ihm helfen nichts zu vergessen, indem wir ihm helfen, einen strukturierten Beratungsfluss zu haben, was für den Kunden vorteilhaft ist, weil die Beratung ist strukturiert, immer gleich aufbereitet, und was für den Berater der große Vorteil ist, dass er, wenn er alle Punkte in der Anlageberatung mit seinem Kunden durchlaufen ist, auch wirklich an alles gedacht und dann für beide Seiten die nötige Sicherheit da ist."
Ein Verstoß ist eine Ordnungswidrigkeit und kann durch das Protokoll direkt auf den Berater zurückgeführt werden. Der muss den Kunden seit dem 1. August 2014 vor Beginn der Beratung auch darüber informieren, ob für die Beratung insgesamt ein Honorar fällig ist, unabhängig vom Verkauf von Produkten, oder ob der Anleger für die Beratung über Provisionen bezahlt, wie das bei kleineren Anlage-Beträgen meist der Fall ist. Auch über deren Höhe muss er natürlich Auskunft erhalten. Außerdem muss geklärt werden, ob die Bank das Management der Gelder übernimmt, also gegebenenfalls auch wieder umschichtet – eine Vermögensverwaltung für "kleine Leute" also. Auch die muss natürlich bezahlt werden - oder ob der Anleger sich das selbst zutraut. Karsten Metternich:
"Viele Kunden wollen einfach kein Risiko eingehen, wollen auf der anderen Seite aber auch, dass ihr Geld sich mehrt, das ist eine schwierige Geschichte, gerade in der aktuellen Zeit. Und da merkt man schon, dass der Kunde von der Sache her versucht die Dinge intensiver zu verstehen oder eben verstärkt da einfach auf Lösungen geht, wo er sich selber um nichts kümmern muss, wo er den Rahmen vorgibt und er sich dann sicher ist, dass Profis für ihn arbeiten."
Und welche Empfehlungen bekomme ich nun für meine 10.000 Euro? Jörg Schneider, Direktor des Anlagemanagements, erklärt den nächsten Schritt::
"Wenn man jetzt so auf die Antworten schaut, würde bei uns im Rahmen der Wertpapierhandelsgesetzberatung ein Profil Wachstum herauskommen. Das bedeutet, dass wir momentan nach Ihren Antworten im Aktienbereich so vielleicht rund 50 Prozent investieren würden und dass sich die restlichen Anteile auf Renten, Immobilien, Liquidität und Rohstoffe verteilen."
Dann folgen die konkreten Produktempfehlungen. Nach im Schnitt einer Stunde ist das Gespräch zu Ende, aber noch muss ich keine Entscheidung treffen, versichert mir Jörg Schneider:
"Letztendlich haben wir heute ein Gespräch geführt, Sie können sich das in Ruhe nochmal durchlesen, und wir würden uns freuen, wenn wir Ihre Fragen, die vielleicht noch offen sind, auch jederzeit telefonisch oder persönlich beantworten können, nehmen Sie sich die Zeit, die Sie benötigen, damit wir am Ende auch langfristig für Sie die richtigen Entscheidungen gemeinsam treffen."
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