Ankommen im eigenen Körper

Francesco ist jetzt Franziska

Blick auf ein Grafitti einer Frau, mit künstlichen Blumen wurde ein Bart angeklebt
Blick auf ein Grafitti einer Frau mit einem Bart aus Blumen © deutschlandradio.de / Daniela Kurz
Von Simone Miller, Christoph Reimann, Jennifer Rieger, Nina Winchenbach · 18.05.2015
Franziska ist in Italien auf die Welt gekommen – als Francesco. Dass bei ihr etwas anders ist als bei den anderen, spürte sie schon als Kind. Inzwischen lebt die 30-jährige Franziska seit sieben Jahren in Deutschland - und seit einem Jahr ständig als Frau. Die Deutschlandradio-Volontärinnen Simone Miller, Christoph Reimann und Jennifer Rieger haben mit Franziska über ihr Ankommen im eigenen Körper gesprochen.
Franziska: Wenn ich an Francesco denke, denke ich an eine andere Person. Manchmal frage ich mich: Was hatte er so falsch, dass ich ihn töten will? Warum? Ich habe mich auch schuldig gefühlt manchmal. Aber jetzt nicht mehr. Aber wenn ich Fotos anschaue, denke ich: Oh je, der bin ich nicht.
Ich bin Franziska C. (Name der Redaktion bekannt)* und früher hieß ich, und heiße offiziell immer noch, Francesco. Seitdem ich als Frau lebe, lasse ich mich Franziska Ariadni nennen. Ich habe die deutsche weibliche Version davon ausgewählt, weil ich die Entscheidung endgültig hier in Deutschland getroffen habe, ich selbst zu sein. Als wäre ich ein zweites Mal geboren in Deutschland.
Ich habe meine Kindheit in meiner Geburtsstadt verbracht in Italien. Ich habe meine Kindheit zusammen mit meinen Eltern und meinen Geschwistern, meinen Brüdern verbracht. Der Wunsch zu entkommen war immer da – seitdem ich sehr klein war, also mit sieben oder acht wollte ich immer weg. (...) Beim Anfang des zweiten Jahrs an der Uni, habe ich dieses Gefühl thematisiert, dass ich einfach eine Frau im falschen Körper bin. Aber trotzdem ging mir nicht besser, weil ich dachte: So was ist ein Problem, nicht eine Lösung. Ich wusste schon, dass transsexuelle Leute existieren, aber ich dachte damals, dass sie kein richtiges Leben führen. Die sind weder Fleisch noch Fisch.
Eines Tages habe ich Youtube-Videos gesucht, wo man sich feminisieren kann, wie eine Frau aussehen kann. Weiß nicht, warum. Ich habe mich selbst geschminkt und gesagt: Das ist nur zu Übungszwecken. Das habe ich gemacht, mit einer Perücke und alles. Ich dachte: Hm, so schlecht sehe ich nicht aus.
Nina: Ich bin Nina und ich bin eine Freundin von Franziska. Ich habe von der Transition erfahren, weil ja Franziska mit ihrem männlichen Profil bei Facebook auf einmal gepostet hat, am Weltfrauentag: 'Das ist mein erster Tag als Frau'. Ich war absolut verwirrt und fand es auch irgendwie merkwürdig - als wir uns kennengelernt haben, war Franziska ja Francesco und absolut männlich.
Franziska: Nach zwei Tagen habe ich mich wieder geschminkt, ich wollte einfach sehen, wie das war mit den Augen und dann plötzlich, ich konnte mich gar nicht mehr stoppen – ich habe weiter gemacht, also Foundation und alles. Viel mehr als früher. Und dann kommt das Ganze, ganz schnell, Perücke, Lidschatten, alles. Dann ich habe ernsthaft überlegt, was mit mir los ist.
Nina: Im Mai letzten Jahres hat Franziska angefangen mit ihrer Hormontherapie und war auch total glücklich, dass es jetzt losgeht. Als Francesco dann langsam Franziska wurde, hatte man das Gefühl, die ganze Verwandlung befreit sie total. Sie hat sich viel natürlicher bewegt, natürlicher gesprochen und man hat absolut ihr angesehen, dass sie sich viel freier fühlt.
Franziska: Eines Tages bin ich in einen Laden gegangen und habe etwas gekauft und gefragt, ob ich eine Karte haben kann, womit ich einen Rabatt kriegen kann. 'Ja, natürlich, Sie müssen dieses Formular ausfüllen. Aber das mach ich für Sie, kein Problem.' Das war schon ein bisschen komisch. Dann hat er plötzlich, dieser Typ, plötzlich auf Frau angekreuzt, ohne mich zu fragen, gar nichts. 'Ja, wie ist Ihr Name?' Und ich war zuerst dabei zu sagen, eigentlich bin ich ein Mann, aber das hab ich nicht gesagt, ich war dabei das zu sagen, habe ich kurz überlegt, ah egal, es ist nur eine Rabattkarte, muss nicht unbedingt mein offizieller Name sein. Ja, Franziska und als ich von diesem Geschäft raus gekommen bin, fühlte ich mich so leicht wie ein Schmetterling, echt.
Was noch fehlt ist die OP, ich weiß nicht, ob ich dazu bereit bin, aber ich will mich der OP auf jeden Fall unterziehen. Das ist kein Thema, ich muss nicht überlegen. Ich habe Angst eigentlich, es ist nur das ... das ist eine sehr invasive Operation. Ankommen für mich bedeutet, dass ich nicht mehr was anders wünsche. Ein neuer Körper, ein weiblicher Körper. Ohne Penis am besten!
*Redaktioneller Hinweis: Wir haben einen Namen anonymisiert.
Mehr zum Thema