Angus Deaton: "Der große Ausbruch"

Provokative Gedanken zur Bekämpfung der Armut

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Angus Deatons "Der große Ausbruch" wirf einen pointierten Blick auf die weltweite Armutsbekämpfung © picture alliance/dpa/Carola Frentzen/Klett-Cotta
Von Jörg Himmelreich · 27.01.2017
Esoterische Wissenschaftdispute zur globalen Armut sind dem Nobelpreisträger Angus Deaton fremd. Stattdessen beschreibt er in "Der große Ausbruch" kritisch und spannend die weltweite Wirtschaftsentwicklung und ihre unmittelbare politische Relevanz, urteilt unser Kritiker.
"Die Migration leistet einen sehr viel größeren Beitrag zur Armutsverringerung als der Freihandel." Das ist nur eine der provokativen Erkenntnisse des amerikanischen Nobelpreisträger Angus Deaton in seinem soeben erschienen Buch "Der große Ausbruch". Wie können Bevölkerungen auf unserem Planeten aus ihrer extremen Armut "ausbrechen"?
Der US-britischer Mikroökonom und  Nobelpreisträger Angus Deaton posiert während eines Interviews in Paris am 8. September 2016. / AFP PHOTO
Angus Deaton geht davon aus, dass der entscheidende Grund für das steigende Wohlergehen nicht mehr Einkommen, sondern mehr Wissen ist. © Eric Piermont/ AFP
Um die Ursachen globaler Armut genauer zu erforschen, hat Deaton theoretische makroökonomische Analysen durch empirische Messungen über das Wirtschaftsverhalten der Bürger in einzelnen Ländern ergänzt und geschärft. Hierin liegen seine wissenschaftlichen Hauptverdienste.

Scharfe Analysen

Deatons kritisches, pointiertes Hinterfragen gängiger Annahmen zeigt schnell, dass es dem Professor aus Princeton nicht um langweilige, esoterische Wissenschaftsdispute geht, sondern um Grundfragen der globalen Wirtschaftsentwicklung mit unmittelbarer politischer Relevanz. Seine vielen Tabellen schärfen die Analyse von Armut und Wohlstand und ihrer globalen Unterschiede. Nicht immer aber halten die Lösungsansätze im Buch mit seiner analytischen Tiefe mit, sofern er überhaupt tatsächliche Lösungen anbietet.
Deaton stellt zum Beispiel fest, dass die Armutsverringerung in China und Indien Erfolgsgeschichten seien, für die aber nicht eine minimale westliche Entwicklungshilfe verantwortlich sei, sondern die Länder selbst. Im übrigen verwässerten diese beiden Erfolgsgeschichten in globalen Betrachtungen der Weltbank die tatsächlich noch bestehende extreme Armut in der Süd-Sahara erheblich.

Entwicklungshilfe = Kolonialimus

Die Entwicklungshilfe westlicher Staaten vor allem in Afrika geißelt Deaton als neue Form des Kolonialismus: Sie würde überhaupt nichts bewirken, weil die Finanzhilfen nichts veränderten. Die Geldgeber wollten sich damit nur korrupte Eliten in Afrika gewogen halten und ihre eigene Wählerschaft moralisch beruhigen.
Dabei lehnt Agnus Deaton den Kapitalismus nicht grundsätzlich ab und er hat auch nichts gegen den Reichtum einzelner. Aber die wachsende Ungleichheit in der westlichen Wohlstandsgesellschaft, wie etwa den USA, besorgt ihn.

Spannend und aufschlussreich

Lange vor Trumps Wahl – das Buch erschien schon 2013 in den USA – weist er auf die Gefahr in den USA hin, dass Politiker den Staat benutzten, um sich durch die Einkünfte von Lobbiesten zu bereichern und zu korrumpieren, - insofern erhält das Buch eine ungeahnte Aktualität.
Wenn Banker ihre Milliardeneinkünfte mit abstrusen Finanzinstrumenten erzielten, die überhaupt gar keinen gesamtwirtschaftlichen Nutzen hätten, zerstörten sie die Demokratie und den Wohlstand, so Deaton. Ein so erzeugtes Wachstum erzeuge für viele Bürger dann keine Verbesserung des Lebensstandards mehr, sondern eher eine Verschlechterung. Eine spannende und aufschlussreiche Lektüre für jeden, den die weltweiten Entwicklungsperspektiven derzeit so beunruhigen wie Trumps Wahl.

Angus Deaton: Der große Ausbruch. Von Armut und Wohlstand der Nationen
übersetzt von Stephan Gebauer und Thorsten Schmidt
Klett-Cotta, 2017
464 Seiten, 26 Euro

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