Angela Merkel

Die Marathonfrau

Angela Merkel und Barack Obama während ihrer Pressekonferenz am 09.02.2015 im Weißen Haus.
Angela Merkel und Barack Obama während ihrer Pressekonferenz am 09.02.2015 im Weißen Haus. © Michael Kappeler, dpa picture-alliance
Von Peter Lange, Chefredakteur von Deutschlandradio Kultur · 14.02.2015
Die zurückliegende Arbeitswoche der Bundeskanzlerin illustriert die Belastungen, die mit der größeren Verantwortung Deutschlands in der Welt verbunden sind. Doch Angela Merkel kennt seit bald zehn Jahren ohnehin nur den Krisenmodus, meint Peter Lange.
Was für eine Woche! Zwei parallele Dramen in Minsk und in Brüssel, zwei Krisenherde, die es einzuhegen gilt, beide mit großer zerstörerischer Energie und dem Potential zu Kettenreaktionen, deren Folgen von niemandem absehbar sind. Und mittendrin und vorneweg: Die deutsche Bundesregierung mit Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier an der Spitze.
Vom Bundespräsidenten abwärts ist in den letzten Jahren immer wieder eine größere Verantwortung Deutschlands in der Weltpolitik beschworen worden. In dieser Woche ist das handfeste Realität geworden und so deutlich wie kaum jemals zuvor. Europa muss sich selber kümmern – um den kriegerischen Konflikt zwischen der Ukraine und Russland, um das Verhältnis zu Griechenland, wo eine vom Wahlsieg berauschte neue Regierung wohl erst einmal ausgenüchtert werden musste. Da waren sie bei der deutschen Kanzlerin an der richtigen Adresse.
Wenn Angela Merkel angesichts dieser besonderen Woche für ihre physische Belastung bedauert und für ihre Kondition bewundert wird – das geht bald 10 Jahre so. 2007 war sie es, die den Teilnehmern des G 8-Gipfels in Heiligendamm einen Kompromiss zur Klima-Politik abgerungen hat. In der deutschen EU-Ratspräsidentschaft war sie es, die die Kaczinskis aus Polen integrierte und so ein Scheitern der EU-Reformen verhinderte. 2008 dann die von den USA exportierte Hypotheken-Krise, die das Bankensystem ins Wanken brachte, daraus erwachsen die Staatsschulden- und Eurokrise, die uns bis heute beschäftigt. Krisen, die in Koalitionsverträgen und Politik-Lehrbüchern nicht vorgesehen waren und bei denen man auf Sicht fahren mußte.
Moderieren, einbinden, mitnehmen
Diese Kanzlerin kennt seit bald zehn Jahren nur den Krisenmodus mit allenfalls kurzen Verschnaufpausen. Wenn sie jetzt auch von ihren langjährigen Kritikern über die Maßen gepriesen wird, sagt das mehr über das Urteilsvermögen dieser Kritiker aus als über die Kanzlerin. Angela Merkel hat in den letzten Tagen nichts anderes getan als das, was sie immer tut – nach innen wie nach außen: verhandeln, vermitteln, moderieren, einbinden, mitnehmen; schauen, was geht und was nicht. Sich nicht in unerreichbare Ziele verbeißen, und für Visionen ist sowieso der Arzt zuständig.
So ist ihr Führungsstil. Er entspricht ihrem Temperament und ihrem Verständnis von Politik; sie ist sich da immer treu geblieben. Und anders als behauptet geht sie dabei zuweilen beträchtliche persönliche Risiken ein. Natürlich wird man ihr nach Abschluss des nächsten Verhandlungspokers mit Griechenland vorwerfen können, dass sie die Ausgangsposition nicht zu 100 Prozent gehalten hat.
Die Beckmesser stehen schon bereit
Und in der Ukraine ist jetzt schon klar, dass das Ergebnis bestenfalls einer dieser eingefrorenen Konflikte sein wird, die uns Wladimir Putin zum Beispiel in Georgien beschert hat. Geklärt ist nichts, aber es wird hoffentlich nicht mehr geschossen. Das sollte all die Verhandlungen wert sein und auch neue, wenn sie nötig sind. Die Verabredung von Minsk hat das Potential zum Scheitern, zumal die Hauptkontrahenten nach wie vor auf eine militärische Lösung setzen.
Das würde die Kanzlerin und ihren Außenminister schon düpieren, wenn nicht gar beschädigen, jedenfalls ihre Position in der nächsten Runde schwächen. Die Beckmesser stehen schon bereit und die Stichworte "Münchner Abkommen" und "Appeasement-Politik" sind bestimmt schon geschrieben. Aber das wissen die beiden auch und riskieren es trotzdem, und das ist gut so.
Merkel und Steinmeier verkörpern den Verantwortungsgeist, der in den Zukunftsreden immer beschworen wurde: Deutschland als eine im Kern zivile Macht, die auf Verhandlungen, Dialog und Kompromisse setzt. Militärische Kraftmeierei ist ihr fremd. Das unterscheidet sie übrigens auch von Partnern, die das eigene Land noch nie zerstört gesehen haben und deshalb mit Kriegen weniger Skrupel haben, solange sie in fernen Ländern stattfinden. So gesehen ist diese Woche von Minsk und Brüssel das sichtbare Muster für die Rolle, die Deutschland in Zukunft spielen wird. Und die jetzige Bundesregierung spielt diese Rolle nicht schlecht.
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