Andreas Dresen über Timm Thaler

"Schon als Kind dachte ich: ein toller Märchenfilm!"

Timm Thaler (Arved Friese) in seinem neuen Zimmer.
Aus Andreas Dresens Neuverfilmung: Timm Thaler (Arved Friese) in seinem neuen Zimmer. © 2016 Constantin Film Verleih GmbH/Gordon Mühle
Andreas Dresen im Gespräch mit Susanne Burg · 01.02.2017
Bereits als Kind fesselte der Roman "Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen" Andreas Dresen unter der Bettdecke. Als Jahrzehnte später Produzent Bernd Eichinger den Regisseur fragte, welchen Film er drehen wolle, fiel ihm die Antwort leicht - und ein Zufall machte einen Traum wahr.
Dieter Kassel: Ich muss ja zugeben, dass ich selber bei Timm Thaler immer noch eigentlich permanent an Tommi Ohrner denke, denn der hat ihn damals gespielt, 1979 in der ZDF-Fernsehserie, und ich bin bis heute überrascht, dass Ohrner inzwischen eigentlich wieder ganz gut lachen kann, denn es geht ja in der Serie und auch in dem Jugendbuch von James Krüss, nach dem sie entstanden ist, um einen Jungen, der sein Lachen verkauft, damit er dann jede Wette gewinnt.
Und genau darum geht es natürlich auch in der Neuverfilmung dieser Geschichte von Regisseur Andreas Dresen, der bisher eher mit Filmen für Erwachsene wie "Halbe Treppe" oder "Sommer vom Balkon" sehr erfolgreich war. Meine Kollegin Susanne Burg hat mit Andreas Dresen gesprochen, der ja in diesem Fall zum ersten Mal einen Film für Jugendliche gedreht hat, und hat ihn gefragt, warum er das überhaupt gemacht hat.

"Das war viele Jahre ein geheimer Wunsch von mir"

Andreas Dresen: Das war ehrlich gesagt schon viele Jahre so ein geheimer Wunsch von mir, mal für Kinder drehen zu dürfen, weil ich das irgendwie auch gar nicht verstehen kann, dass es in Deutschland wie so verschiedene voneinander abgegrenzte Szenen sind. Es gibt die, die machen halt Filme für Kinder, und die anderen machen die für Erwachsene.
Bei mir war es so, ich hatte viele Jahre diesen geheimen Wunsch und hab dann ein Projekt für Erwachsene entwickelt, gemeinsam mit Bernd Eichinger damals und einer Autorin. Daraus ist leider nichts geworden, wir haben das Drehbuch nicht hingekriegt und haben es nach vier Jahren irgendwie gemeinsam beerdigt. Und bei diesem Gespräch hat mich Bernd Eichinger gefragt, was ich eigentlich gern mal machen würde – das fragen einen Produzenten ja doch eher selten leider. Und ich hab gesagt, ich würde gerne für Kinder arbeiten. Und als er mich etwas verwundert anschaute und dann fragte, und was da so?, hab ich gesagt, ich wundere mich eigentlich immer, dass das schöne Buch von James Krüss "Timm Thaler" noch nie verfilmt wurde fürs Kino. Und dann sagte er, da haben wir die Rechte. Und so kam das Projekt auf die Reise.
Susanne Burg: Wow, okay, das war also Ihre Idee Tatsache, denn es ist ja wirklich ein großes Projekt. "Timm Thaler" war ja, als der Roman erschien 1962 in der Bundesrepublik, drei Jahre später dann auch in der DDR ein total beliebtes Buch. Wann ist Ihnen das eigentlich das erste Mal untergekommen?

"So faszinierend, dass ich unter der Decke weitergelesen habe"

Dresen: Also mir ist das untergekommen in der DDR, da war ich vielleicht zehn oder ein bisschen kleiner sogar, keine Ahnung. Ich hatte eine Paperbackausgabe von "Timm Thaler", die ist dann später auch total zerfallen und zerfleddert gewesen in einzelne Seiten, weil ich hab das, glaube ich, zwei-, dreimal gelesen und fand das so faszinierend, dass ich damals auch unter der Bettdecke weitergelesen habe. Ich weiß, ich fand das schon spannend und auch eine ganz schön gruselige Geschichte, und ich dachte immer, wenn ich mir vorstelle, man gibt sein Lachen weg an den Teufel und dann diese Reise und die ganzen gruseligen Wetten und wie man das dann wiederkriegt – also ich fand das ganz faszinierend.
Ich erinnere mich aber, dass ich schon als Kind – und da hatte ich noch nicht mal den Berufswunsch – dachte, das muss doch eigentlich einen tollen Märchenfilm geben, und hab mir natürlich nicht zu träumen gewagt, dass ich das mal machen darf.
Der Regisseur Andreas Dresen posiert im August 2016 im Filmpark Babelsberg in Potsdam im Szenenbild seines Filmes "Timm Thaler oder das verkaufte Lachen".
Der Regisseur Andreas Dresen posiert im August 2016 im Filmpark Babelsberg in Potsdam im Szenenbild seines Filmes "Timm Thaler oder das verkaufte Lachen". © dpa / picture alliance / Ralf Hirschberger
Burg: Dann gab es zwar keinen Film, aber eine Serie, eine Fernsehserie, die ja in der Bundesrepublik total beliebt war, 1979, in 13 Teilen, ich bin damit auch aufgewachsen. Die war nun wiederum in der DDR nicht zu sehen, und trotzdem muss man sich als Regisseur, wenn man es jetzt später verfilmt, daran abarbeiten. War das eine Herausforderung?
Dresen: Also um ehrlich zu sein, ich hab damals in der DDR durchaus viel und exzessiv Westfernsehen geguckt, und aus irgendeinem mir aus heutiger Sicht unerklärlichem Grund ist diese Serie komplett an mir vorbeigegangen, ich hab die nicht gesehen. Und als ich angefangen habe, mich mit dem Film jetzt hier zu beschäftigen, hab ich sie dann natürlich gesehen und muss allerdings auch sagen, da gab's jetzt für mich nicht so furchtbar viel abzuarbeiten, weil unser Ansatz natürlich ein komplett anderer ist. Wir hatten ja erst mal nicht die Möglichkeit, über dreizehn Teile zu gehen, sondern mussten in anderthalb Stunden fertig werden irgendwie. Die Serie hat ja damals den Clou auch gehabt, dass diese Geschichte übersetzt wurde in das Gegenwartsmilieu der Bundesrepublik Ende der 70er-Jahre – also Timm Thaler auf dem Skateboard, die Familie im kleinen Reihenhäuschen.
Alexander Adolph, der Drehbuchautor, und ich, wir waren von Anfang an eigentlich der Meinung, wir wollen einen klassischen Märchenfilm drehen, also die Geschichte in dem Setting lassen, wo auch James Krüss sie hingetan hat, nämlich die 20er-Jahre. Das sind natürlich nicht die 20er-Jahre im historischen Sinne, also nicht die Weimarer Republik und nicht der aufkommende Faschismus, sondern es ist eher so die Kostüm- und Ausstattungswelt der 20er-Jahre, würde ich sagen, auf der James Krüss da aufbaut. Und das fanden wir auch durchaus reizvoll, weil das einem die Möglichkeit gibt, den Film in gewisser Weise auch zeitlos zu machen.

"Man kann auch Kindern gegenüber von Werten sprechen"

Burg: Und doch hat man so ein bisschen das Gefühl, Sie holen ihn in die Jetztzeit. Da gibt es zum einen in dem Ort diese Gasse, wo Timm Thaler groß wird, die Pferderennbahn und dann, darauf will ich kommen, die Machtzentrale des Bösen, da wo der Baron lebt, die nicht nach 20er-Jahre aussieht, die sehr futuristisch wirkt. Wollten Sie dann doch verschiedene Zeitebenen einbauen, es nicht ganz historisch anlegen?
Dresen: Natürlich. Je mehr wir die Welt des Barons betreten, ist es natürlich eine fantastische Welt, weil den Teufel in dem Sinne, im direkten Sinne gab es in den 20er-Jahren natürlich auch nicht. Das ist eine Märchengestalt, der kann sich über alles hinwegsetzen, der in dem Fall aber auch schon von James Krüss sehr viel moderner aufgefasst ist – also nicht in dem Sinne, der Höllenfürst mit dem Pferdefuß und dem Dreizack in der Hand, sondern das ist schon jemand, der in dem Sinne dafür steht, was in der Welt an geschäftlichen Dingen, an Bösem in dem Sinne stattfindet, wie Menschen ausgebeutet, ausgenommen werden.
Das war bei James Krüss sicherlich ein Reflex auf die Wirtschaftswunderzeit, auf das wieder prosperierende Nachkriegsdeutschland, und der wollte dem etwas entgegenstellen und gerade für die Kinder wahrscheinlich sagen, guckt mal, es gibt auch andere Werte, die vielleicht wichtig sind, nicht nur Geld und viel Geld zu verdienen. Und das haben wir uns im Prinzip in sehr verkürztem Sinne zunutze gemacht und haben gesagt, okay, wer ist denn eigentlich der Teufel, wenn man aus heutiger Sicht das betrachtet. Wohlstand, Geld haben ist ja erst mal etwas, was viele Leute anfixt, weil es dem Wertekanon entspricht, in dem wir leben. Und Timm merkt erst nach und nach, was für Defizite damit einhergehen. Insofern ist es eine Geschichte, die von Werten handelt, und der Teufel steht im Prinzip, im symbolischen Sinne, für die Gegenwerte, für die negativen Werte.
Ich finde, in der Welt, in der wir leben, kann man auch Kindern gegenüber von Werten sprechen, und das sollte man dann auch nicht zu verklausuliert tun, finde ich, damit die Nachricht dann auch den Adressaten erreicht. Und es war ein schöner Aspekt für mich, dass der Teufel diese menschlichen Eigenschaften – schöne Augen und Lachen – sich zum einen natürlich holt, um auch ein bisschen gemocht zu werden, dieses Bedürfnis hat er ganz offensichtlich auch, wie jeder Mensch, aber zum anderen benutzt er diese Dinge ja auch in dem Fall, und er sagt es in seiner Rede da das, um Dinge zu verkaufen, aber auch um Leute übers Ohr zu hauen. Und der Alexander Adolph hat da dieses Beispiel aus Afrika mit dem Wasser konstruiert, da steckt ein internationaler Großkonzern im realen Leben dahinter, den wir alle kennen sozusagen. Also es sind ein paar Beispiele, die einem vertraut sind, wenn man politisch interessiert ist.
Kassel: Der Regisseur Andreas Dresen im Gespräch mit meiner Kollegin Susanne Burg. Dresens Film "Timm Thaler oder das verkaufte Lachen" kommt morgen in die deutschen Kinos.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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