"... an die gesamte französische Musik des 18. Jahrhunderts"

Von Björn Gottstein · 17.01.2012
Wohl um sich ein wenig abzulenken, hatte Maurice Ravel 1914 mit der Arbeit an "Le Tombeau de Couperin" begonnen. Er steckte mitten in der Komposition seines Klaviertrios und kam nicht recht damit voran, da las er in der Zeitschrift "Revue musicale" einen Aufsatz über die barocke Tanzform der Forlane samt dem Notenbeispiel einer Forlane von François Couperin.
Etwa zur selben Zeit verfolgte Ravel amüsiert eine öffentliche Diskussion, die Papst Pius X. angestoßen hatte. Er hatte den Tango als "unsittlich" verboten und stattdessen angeregt, die als harmlos geltenden Forlane wiederzubeleben.

Im März 1915 wird Ravel als LKW-Fahrer eingezogen und dient bis zum Frühjahr 1917 an der Front. Nach seiner Rückkehr nimmt er die Arbeit an seiner "französischen Suite" wieder auf, und im November ist die sechssätzige Klaviersuite fertig. Ravel widmet jeden Satz einem gefallenen Kriegskameraden und die abschließende Toccata dem Musikwissenschaftler Joseph de Marliave, dessen Witwe Marguerite Long am 11. April 1919 die Uraufführung spielte.

Trotzdem ist "Le Tombeau de Couperin" weder eine Trauermusik noch eine Parodie des päpstlichen Tangoverbots. Ravel konzentriert sich vielmehr ganz auf Formen und Stile des Barock. "Tombeau" bedeutet Grabstein. In der Musik würdigt man mit einem Tombeau einen verstorbenen Meister. Ravel betonte allerdings, er habe "weniger eine Hommage an Couperin allein, als vielmehr an die gesamte französische Musik des 18. Jahrhunderts" komponiert.