An der Weser nichts Neues

Von Peter Lange · 22.05.2011
An der Weser nichts Neues. Die Menschen in der Hansestadt Bremen haben die rotgrüne Koalition bestätigt, nach einem spannungsarmen Wahlkampf, der erst durch die Atomkatastrophe in Japan an Fahrt gewonnen hat.
Von der Mobilisierungskraft dieses Themas haben ein weiteres Mal die Grünen profitiert, die in Bremen seit Jahrzehnten auf eine sowieso überdurchschnittlich große Stammwählerschaft zählen können. Für die SPD bedeutet der Wahlsieg zunächst einen Vertrauensbeweis für Bürgermeister Jens Böhrnsen. Ihm trauen die Bürger am ehesten zu, den Spagat zwischen Schuldenabbau und sozialer Gerechtigkeit hinzubekommen. Und anders als in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz speist sich die Freude der Sozialdemokraten diesmal aus einem tatsächlichen Stimmengewinn, und nicht nur aus der Schadenfreude über die Verluste von Schwarz-Gelb.

Die CDU-Führung mag versucht sein, die Niederlage an der Weser als unabwendbares Schicksal kleinzureden. Für die Union gab es im kleinsten Bundesland selten etwas zu gewinnen. Aber Bremen ist eben kein Betriebsunfall, sondern reiht sich als ein Glied ein in die Kette der Wahlniederlagen, die die CDU seit NRW vor einem Jahr hinnehmen musste. Und selbst da, wo die Partei mal Stimmen hinzugewinnt wie in Rheinland-Pfalz, fehlt ihr ein ausreichend starker Partner, um den Regierungswechsel zu bewerkstelligen.

Zum taktischen Dilemma kommt ein Inhaltliches hinzu – der Kurswechsel in der Energiepolitik. Dass die Union nun auch für einen raschen Atomausstieg plädiert, macht die einst bekämpften Positionen der Grünen nur noch glaubwürdiger. Das gilt genauso für die FDP, bei der sich Streitereien im Landesverband mit dem Konflikt um die Führung der Bundespartei überlappt haben. Philipp Rösler und seine Partei durchwandern ein tiefes Tal, dessen Sohle noch nicht erreicht sein muss.

Für den frischgewählten Chef der Liberalen kann es nur besser werden. Bleibt die Frage, wie lange die Geduld einer entnervten CDU-Basis reicht, die wie einst die SPD von Gerhard Schröder eine Niederlage nach der anderen einfährt. Wenn es Angela Merkel bei den letzten Wahlen in diesem Jahr im September nicht gelingt, den negativen Trend zu stoppen, wird es für sie unangenehm werden. Bei einem Verlust der Regierungsbeteiligung in Mecklenburg-Vorpommern und einem Ergebnis Bremer Art bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin könnte der Geduldsfaden reißen.

Bremen war heute auch ein Experimentierfeld, denn erstmals durften auch junge Leute ab 16 Jahren mitwählen. Der Wahlbeteiligung wird das nicht aufgeholfen haben, dazu waren es zu wenige. Aber das Wahlverhalten der Jungwähler könnte ein Fingerzeig sein, ob mit dem Stimmrecht die emotionale Distanz zur Politik verkleinert werden kann. Nur soll man sich da nichts vormachen. Das Stimmrecht ist dafür vielleicht eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Es braucht dazu authentische Politiker, die die jungen Leute auch emotional erreichen und mit ihnen auf Augenhöhe verkehren können, ohne sich anzubiedern. Wenn die fehlen, hilft auch das Stimmrecht nichts.
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