An der Bildung darf man nicht sparen! Aber Geld ist nicht alles!

Von Grit im Brahm · 05.07.2010
Ehrgeizige Ziele bei den Investitionen in Bildung stehen angesichts der Finanzkrise auf der Kippe. Doch beim Thema Schulversagen geht es nicht nur ums Geld, sondern auch ums (falsche) Prinzip.
Der Aufschrei nach der Veröffentlichung der ersten PISA-Studie klingt noch in meinen Ohren – "Deutschland droht die Bildungskatastrophe". Deutschland wurde wachgerüttelt, denn die OECD bescheinigte uns zugleich ein Qualifizierungs-, ein Förder- und Gerechtigkeitsdefizit im Schulsystem.

Es gab nichts Wichtigeres, als solche Maßnahmen zur Verbesserung des Schulsystems anzustoßen, die dazu beitragen würden, dass alle Schüler in Deutschland die Möglichkeit erhalten, ihr persönliches Bildungspotential auszuschöpfen! Dass dafür auch höhere Bildungsinvestitionen erforderlich sind, wurde widerspruchslos unterstützt. Bildung ist schließlich die Zukunftsinvestition schlechthin!

Dieser aufgefrischte Fokus auf Bildung führte 2008 beim Bildungsgipfel in Dresden dazu, dass Bund und Länder beschlossen, bis 2015 die öffentlichen und privaten Ausgaben für Bildung und Forschung von derzeit 8,4 Prozent auf 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern.
Diese ehrgeizigen Ziele stehen nun auf der Kippe, da sich Bund und Länder aufgrund der Finanzkrise nicht auf klare Finanzierungsvereinbarungen einigen konnten. Der weitere Ausbau wichtiger Bildungsangebote – zum Beispiel im Bereich der Kitas und Kindergärten – scheint gefährdet, ebenso wie die Überzeugung, dass Investitionen in Bildung eine Investition in den zukünftigen Wirtschaftsstandort Deutschland sind!

An der Bildung darf nicht gespart werden! Aber Geld ist auch nicht alles. Hohe Bildungsausgaben allein sichern keine Qualität. Daher ist es gerade in Zeiten finanzieller Krise wichtig, bestehende Bildungsausgaben einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Verdeutlicht werden kann dies am Thema Klassenwiederholung: Das Sitzenbleiben kostete Deutschland allein im Schuljahr 2007/08 etwa eine Milliarde Euro – Geld, das viel sinnvoller in tatsächliche Fördermaßnahmen investiert werden sollte. Denn die Forschung betont seit langem, dass die Klassenwiederholung weder mittel- noch langfristig zu einer Leistungssteigerung von Schülern beiträgt und letztlich das Risiko erhöht, die Schule ohne Schulabschluss zu verlassen.

Und damit sind wir beim Thema Schulversagen! In Deutschland beenden rund 8 Prozent eines Jahrgangs ihre Schulkarriere ohne Schulabschluss. Die öffentlichen Ausgaben für Schulen je Schüler betragen in Deutschland rund 5000 Euro. Umgerechnet auf eine 10-jährige Schullaufbahn, verschwenden Bund und Länder rund 50.000 Euro für jeden einzelnen Jugendlichen, der die Schule ohne Abschluss verlässt.

Verschärft wird dies durch den Blick auf den Arbeitsmarkt. Jugendliche ohne Schulabschluss werden auf diesem wahrscheinlich nie aktiv teilnehmen und daher den Staat auch künftig finanziell belasten. Den Jugendlichen bleibt allein die Möglichkeit, über den zweiten Bildungsweg einen qualifizierten Abschluss nachzuholen.

Doch warum lassen wir es überhaupt dazu kommen, dass so viele Jugendliche ihre erste Chance nicht nutzen können? Die Antwort liegt auf der Hand: Wir setzen zu sehr auf Selektion und zu wenig auf Förderung! Wir sollten endlich damit aufhören, im Schulsystem Geld für das Aussortieren von Schülern zu verschwenden, anstatt es für die Förderung unserer Kinder einzusetzen – denn nur dann kann Investition in Bildung auch eine sinnvolle Investition in die Zukunft unseres Landes sein!

Dr. Grit im Brahm, Jahrgang 1975, ist seit 2008 Juniorprofessorin für Empirische Bildungsforschung und Unterrichtsentwicklung an der Ruhr-Universität Bochum. Schwerpunkt ihrer wissenschaftlichen Arbeiten ist die Selektion und Förderung im deutschen Schulsystem, also die Förderung sowohl hochbegabter als auch leistungsschwacher Schüler, und die Bedeutung der Klassengröße in Schule und Unterricht.
Grit im Brahm
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