Amanda Lee Koe: "Ministerium für öffentliche Erregung"

Vom Scheitern der Liebe

Singapurs Skyline bei Nacht
In Singapur mit seinen imposanten Hochhäusern, mondänen Bars und aufgeräumten Parks spielen die Erzählungen von Amanda Lee Koe. © picture-alliance / dpa / Wallace Woon
Von Katharina Borchardt · 02.01.2017
Die hässliche Büroangestellte, die den hübschen Kioskverkäufer aushält. Der arme Musiker, der vergeblich um die Hand seiner Liebe anhält. Amanda Lee Koes "Ministerium für öffentliche Erregung" erzählt vom Scheitern der Liebe. Kulisse des Erzählbands: die Hochhäuser und mondänen Bars Singapurs.
Sechzehn Storys über verfehlte Liebe. Die scharfkantigste Geschichte in diesem Band ist sicherlich "Karussell & Kastell", in der ein Künstler das Scheitern aller Liebe anhand zweier Pferdehälften darstellt, die durch eine mechanische Einrichtung im Kreis durch die Galerie geschleift werden. Die gegenüber montierten Körperhälften erreichen einander nie, sondern lösen sich auf dem Galerieboden langsam auf. Ein Pferdekunstwerk als Bild für menschliche Sehnsucht im Erzählband "Ministerium für öffentliche Erregung" der erst 29-jährigen Amanda Lee Koe aus Singapur: Verbundenheit wird zwar – im schlimmsten Fall bis zur Selbstzersetzung – ersehnt, doch nie oder nur in ganz kurzen Momenten erreicht.

Von Einsamkeit und Verlust

Die Geschichte "Karussell & Kastell" liegt in ihrer Härte sicherlich am äußeren Ende der Gefühlsskala, die Amanda Lee Koe in ihren "Storys", wie diese Erzählungen auf dem Buchcover angemessen kühl heißen, bespielt. Andere Geschichten fallen sanfter, melancholischer aus, etwa die von Deddy Haikel, der in "Flamingo Valley" als mittelloser Musiker keine Chance hat, die geliebte Ling Ko Mui zur Frau zu bekommen. Zumal er bloß Malaie, sie aber chinesischer Abstammung ist.
Er vergisst sie nie und trifft sie viele Jahrzehnte später in einer Art Rehaklinik wieder. Sie hat Alzheimer und erkennt nicht einmal mehr ihre eigenen Angehörigen. Deddy Haikel aber rührt etwas Verborgenes in ihr an, das tiefer liegt als alles, was Familie heißt. Dennoch: Ihrer beider Leben ist so gut wie vorbei, die Liebe wurde verpasst.

Hartschalige Storys mit verletzlichem Kern

Obwohl "Flamingo Valley" einen vergleichsweise zarten Ton anschlägt, erzählt auch diese Geschichte von einem Machtgefälle. Oft sind es soziale, ethnische oder rein finanzielle Unterschiede, die bei Amanda Lee Koe die Liebe verhindern: Da geht eine unansehnliche Büroangestellte mit einem hübschen Kioskverkäufer aus. Sie besitzt ein höheres soziales Ansehen und ein umfangreicheres Einkommen, er aber sieht besser aus. Schnell wandelt sich Zuneigung in ein Bezahlverhältnis. In einer anderen Geschichte ist ein indonesisches Hausmädchen ihrem Dienstherrn in allem zu Willen und wundert sich, dass er sich – als ihr Verhältnis entdeckt wird – nicht für sie, sondern für seine hellhäutige Ehefrau entscheidet. Das Dienstmädchen wird nach Hause zurückschickt.
Singapur mit seinen imposanten Hochhäusern, mondänen Bars und aufgeräumten Parks bildet stets die Kulisse von Amanda Lee Koes Geschichten, deren innere Konflikte auch auf den ethnischen Mix und die koloniale Vergangenheit des südostasiatischen Stadtstaats rekurrieren. Allerdings geht es der Autorin nicht in erster Linie um ein Porträt ihrer Heimat, sondern um das emotionale Leben ihrer Figuren, die nun einmal diesem Kosmos entstammen.
In ihren Storys entwirft sie eine pessimistische Phänomenologie der Liebe, der sie aber stets eine flattrige Spur echter Sehnsucht und Hingabe lässt. Lakonisch – von Zoë Beck gewandt in ein konzentriertes und doch frisches Deutsch gebracht – erzählt Amanda Lee Koe hartschalige Storys mit verletzlichem Kern.

Amanda Lee Koe: "Ministerium für öffentliche Erregung"
Aus dem Englischen von Zoë Beck, Verlag CulturBooks, Hamburg 2016, 222 Seiten, 22,00 Euro

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