"Am Wasser genesen"

Von Peter Kaiser · 28.11.2009
Die Geschichte des Wassers ist sowohl eine Geschichte der Menschheit, als auch eine Geschichte des christlichen Glaubens. Denn verehrt als Urelement des Lebens, sprießend aus dem Schoß der Erde, steht Wasser für Fruchtbarkeit und Reinigung, aber auch für Vergänglichkeit und den Ursprung allen Seins.
Scheytt: "Von der Entstehungstheorie her sieht es so aus, dass die ersten Vorkommen von Wasser weitgehend, sage ich mal, im Dunkeln liegen."

Blum: "Der Geist Gottes ruhte über dem Wasser, und da können wir davon ausgehen, hier ist die Vorstellung die, dass Wasser die erste Materie war, immer schon da."

Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. / Das Buch Genesis, 1

Engler: "Menschen, die an Gott glauben, haben eine andere Form von Wasser, was den Durst stillen kann."

Blum: "Eine alte Gleichung, die uns heute eher fremd ist, ist auch die Gleichsetzung von Geist und Regen oder Wasser, die dem alten Testament sehr geläufig ist. Gott gießt seinen Geist aus, das meint häufig Gott sendet Regen."

Dalchow: "Wir können auf vieles verzichten, aber nicht auf Wasser. Das heißt, wir haben auch als Kirche eine Verantwortung dafür, dass das Wasser ausreichend und in gereinigter Form den Menschen weltweit zur Verfügung steht."

Engler: "Das tägliche Wasser nehme ich zum Händewaschen, zum Trinken, das gehört zu meinem Alltag dazu…"

Bei seiner Einleitung zu PLATSCH, dem Familienfest zum Beginn der Sommerferien…

Engler: "…möchten wir euch herzlich zu PLATSCH, dem Familienfest, begrüßen","

sagt Steffen Engler, der Leiter des "Christlichen Vereins junger Männer", CVJM, dass ein Fest wie dieses rund um das Thema Wasser auch den Sinn hat, sich wieder an die Bedeutung des Elementes für Christen zu erinnern. Denn vergessen wird oft, dass das lebendige Wasser, dieses Wort Gottes….

Engler: ""diese Beziehung zu Gott essentiell sind, wichtig sind für jeden Menschen."

Johann Wolfgang Goethe: "Das menschliche Wesen kann am Wasser genesen."

Wasser hat in der christlichen Tradition eine zentrale Bedeutung. Es ist das Urelement des Lebens. Alles ist aus dem Wasser entstanden. Die Welt, die Menschen. Wasser steht für Mutterschaft und Fruchtbarkeit, Vergehen und Entstehen, Ursprung und Anfang einer unverbrauchten Reinheit. Und Gottes Wort - wird immer wieder gesagt – ist wie reines Wasser.

Auch in anderen Religionen hat das Element Wasser einen hohen Stellenwert. Im Islam etwa bei der rituellen Gebetswaschung, bevor der Gläubige die Moschee betritt, oder für die Hindus beim Bad im Ganges.

Und so gut wie jede jüdische Gemeinde besitzt eine Mikwe, ein Ritualbad mit fließendem reinen Wasser.

Schlägt man die Bibel auf, so beginnt alles mit dem Wasser. Denn in der ersten Schöpfungsgeschichte schwebt am Anfang der Welt der Geist Gottes über dem Ur-Wasser.

Blum: ".... und da können wir davon ausgehen, hier ist die Vorstellung die, dass Wasser die erste Materie war. Das finden Sie interessanterweise auch schon in ägyptischen Schöpfungserzählungen. Auch da spricht man von einem sogenannten Urwasser, das dann von einem Gott geteilt wurde."

Matthias Blum ist Professor am Seminar für Katholische Theologie der Freien Universität Berlin.

Blum: "Das spielt sowohl in den beiden Schöpfungserzählungen, im Buch 'Genesis' in den ersten und zweiten Kapiteln eine große Rolle, wie auch in den Sintfluterzählungen. Hier wird sowohl die Leben spendende Kraft des Wassers besonders deutlich, als auch die lebensbedrohliche Bedeutung des Wassers."

Doch woher kam dieses Ur-Wasser in der Bibel? Und wie kann es Wasser vor dem Wasser gegeben haben? Der Geologe Traugott Scheytt von der Technischen Universität in Berlin erläutert die Entstehung von Wasser generell.

Scheytt: "Von der Entstehungstheorie her sieht es so aus, dass die ersten Vorkommen von Wasser weitgehend, sage ich mal, im Dunkeln liegen. Es gibt keinen direkten Zeugen."

"Dann sprach Gott: Ein Gewölbe entstehe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser." Buch Genesis, 6

Scheytt: "Als indirekte Möglichkeiten (...) ist das Vorkommen von entsprechenden Mineralen, die in ihrem Kristallgitter bereits Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff enthalten."

Aus einer Urwolke, sagen die Wissenschaftler, formte sich unsere Welt. Dabei habe es bereits Wasseratome gegeben. Als die Erde fest wurde, sich die Atmosphäre bildete, entstand Salz- und Süßwasser. Doch stehen die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse nicht in einem Widerspruch zu den biblischen Aussagen?

Blum: "Das ist nicht sozusagen verstanden in einem historischen Sinne, sondern mehr in einem Sinne, wie sich die Menschen damals die Welt an sich vorgestellt haben, und wie sie sich auch vor allen Dingen vorgestellt haben, wie Gott für eine Welt sorgt, und für das Zusammenleben der Menschen. Und da hatte Wasser eine ganz elementare Bedeutung."

Wenn auch Wasser im Alten Testament nicht nur Leben schafft, sondern auch strafen kann, wie etwa bei der Sintflut, die nur Noah in der Arche verschont, damit das Leben neu möglich ist, oder Moses mit dem Volk Israel durch das von Gott geteilte Rote Meer fliehen kann und Wasser und Wasserstellen - wie man im Buch Genesis nachlesen kann – sogar Grund für kriegerische Auseinandersetzungen sind, letztlich geht es darum, dass Wasser ein Segen Gottes, ein Geschenk ist. Denn es heißt: "Wohin der Fluss kommt, dort bleibt alles am Leben."

Die Seele, heißt es, braucht das Wort Gottes, wie der Leib das frische Wasser. Und Gottes Wort ist wie fließendes, reines Quellwasser. Das ist die klare Botschaft der Bibel.

Doch auch im Neuen Testament ist das "Lebens-Mittel" Wasser nicht nur direkte Nahrung. Vielmehr wird mit der Taufe der Mensch in die Christengemeinschaft aufgenommen. Dabei ist die Taufe gleichzeitig Wandlung und Neuwerdung des Menschen, denn der Täufling bekennt sich mit diesem Akt von nun an zur Gemeinschaft in Jesu gehörend.

Und nicht zu vergessen symbolisiert gleichzeitig die Taufe die Gnade Gottes, die Sünden zu vergeben und einen Neubeginn zu ermöglichen.

Im Laufe der Jahrhunderte hat das Ritual der Taufe Veränderungen erfahren. Früher, bei der sogenannten Immersion, wurde der Täufling komplett untergetaucht.

Blum: "Heutzutage ist es ja eher ein Besprengen mit Wasser. Gleichzeitig wird auch das Erleben dieser Taufe visuell nicht mehr so deutlich, wie es deutlich wird, wenn ich ganz untertauche. Das findet sich ja beispielsweise noch bei den Baptisten, (...) die machen das ja noch."

Das vollkommene Untertauchen bei der Taufe, schon bei den Ur-Christen bekannt und für viele darum wohl auch die wirkliche authentische Taufe, soll daran erinnern, dass der alte Mensch durch das Untertauchen stirbt, und sich sinnbildlich im Wasser auflöst. In dem Moment, wo er wieder rein auftaucht, ist er befreit von Sünden. Er kann nun ein neues Leben mit einer reinen Seele im Sinne Jesu führen.

Blum: "In der griechisch-orthodoxen Kirche habe ich mal einer Taufe beigewohnt, die lief auch ähnlich ab. Also dass der Täufling dann wirklich in ein großes Becken einsteigt, und das dann dieser Neubeginn des Lebens ganz augenscheinlich einem noch einmal bewusst wird. Man legt, das wird dann auch noch durch die Kleidung verdeutlicht, man legt die alten Kleider ab vorher, taucht unter, und zieht hinterher einen Anzug an, ein schönes Kleid, und dann beginnt das neue Leben sozusagen in dem neuen Glauben, in Christus, der einen durch die Erlösung von den Sünden gerettet hat."

Doch es gab und gibt noch die Taufe, die das dreimalige Ausgießen von Wasser über dem Haupt des Täuflings beinhaltet. Und dann jene, bei der der Täufling mit Wasser besprengt wird.

Blum: "Das wäre in ursprünglicher historischer Betrachtung auch eine Erklärung dafür, warum eigentlich das Christentum so attraktiv sein konnte. Das ist eine Frage, die bis heute ja noch nicht geklärt ist. Und manche sagen, vielleicht hat ja auch die Taufe ihr Übriges dazu getan. In einer Taufformel heißt es dann auch: 'Ihr seid alle eins in Jesus Christus, egal ob ihr Mann oder Frau seid, egal ob ihr Jude oder Grieche seid.' Das heißt, die sozialen und religiösen Unterschiede sollten mit dem neuen Glauben nivelliert werden, eingeebnet werden. (…)"

Natürlich ist Wasser nicht nur durch die Taufe im Neuen Testament wichtig. Jesus selbst bewies, wie wichig Wasser ist und welche Macht er als Gottessohn über das Element Wasser hatte. Er lief über Wasser, und führte Heilungen durch, bei denen Wasser reinigend wirkte.

Blum: "(…) und man kann natürlich noch anknüpfen an diese reinigende Kraft, wenn Leute gesegnetes Wasser von Heilquellen auch heute noch mitbringen. Manche besprengen dann noch ihre Wohnung, ihre Häuser damit. Das hat natürlich auch noch was nicht nur von diesem rettenden Element, sondern auch schützenden Element. Wenn ich mein Haus jetzt mit Lourdeswasser eingesprengt habe, dann gehe ich davon aus, Gott schützt meine Wohnung. Das ist so eine Tradition, die sich darin noch fortgesetzt hat.""

Eine andere Tradition ist das Bekreuzigen mit Weihwasser in der katholischen Liturgie. Man benetzt seine Finger, bevor man den Gottesdienstraum betritt, im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Damit wird sichtbar, dass man sich reinigt und heiligt bevor man zum Gottesdienst kommt.

Früher wurde dem Weihwasser noch Salz und Chrisam beigefügt, eine Mischung aus Olivenöl und dem Harz des Balsambauems, und es diente dazu, lebendige und tote Dinge von negativen Mächten zu befreien.

Nicht zu vergessen sind bei allem auch die heiligen Quellen, die noch heute von Pilgern und Kranken aufgesucht werden.

Die vielleicht bekannteste Quelle ist die Quelle von Lourdes. Im Jahr 1858 erschien dem jungen Mädchen Bernadette Soubiorous in der Grotte Massabielle beim Fluss Gave du Pau die Heilige Maria. Während einer der Visionen entsprang in der Grotte einen Quelle, deren Wasser als heilkräftig gilt.

Doch auch im oberbayerischen Altötting liegt eine viel besuchte Quelle der Heilkräfte nachgesagt werden.

Dass sich hinter der Heilung von Krankheiten durch solche heiligen Quellen mitnichten reiner Aberglaube befindet, belegen moderne Mediziner. Sie sprechen aber von sogenannten Spontanremissionen, also Wunderheilungen.

Im christlichen Verständnis von Wasser als Sünden reinigendes, Leben spendendes und - im übertragenen Sinn - als "Lebens-Mittel" aus der Hand Gottes liegen viele Anknüpfungspunkte für eine heutige Beschäftigung mit dem Menschenrecht auf Wasser. Immerhin haben über eine Milliarde Menschen auf der Erde keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Dalchow: "Das heißt, wir haben auch als Kirche eine Verantwortung dafür, dass das Wasser ausreichend und in gereinigter Form den Menschen weltweit zur Verfügung steht. Wir wissen heute, und nicht umsonst hat die Europäische Union vor Jahren die Wasserrahmenrichtlinie in Gang gesetzt, und dies nicht mehr national, sondern übernational, das heißt, man orientiert sich heute an Flusseinzugsgebieten, bis 2015 soll der ökologische Zustand der Gewässer in Europa so sein, dass man von einem guten Zustand ausgehen kann. Dazu sind die Länder verpflichtet."

Reinhard Dalchow ist Pfarrer und gleichzeitig Umweltbeauftragter der Evangelischen Kirche Deutschlands.

Dalchow: "Von daher ist das Thema Wasser für uns als Kirche ein ganz wichtiges, weil es was mit Menschenrechten zu tun hat. Und Brot für die Welt hat vor einigen Jahren ja die Kampagne 'Menschenrecht Wasser' gestartet, in dem sie sagen, Wasser ist die Voraussetzung für das Leben, und wir als Kirchen müssen uns dafür einsetzen, dass Menschen ausreichend und sauberes Wasser zur Verfügung haben."

Jenseits vom Menschenrecht auf Wasser beschäftigt der Klimawandel, und damit die sich verändernden Wasserresourcen, die Kirchen noch auf eine andere Weise. Pfarrer Dalchow spricht offen darüber.

Dalchow: "(…) weil wir als Kirchen ja auch Landbesitzer sind, und wir wissen, dass Brandenburg das Land ist, das die meisten Oberflächengewässer von allen Bundesländern hat, aber auch das Bundesland ist mit den geringsten Niederschlägen. Das heißt also das, was das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung prognostiziert hat, eine Versteppung Brandenburgs ist auch ein Thema für uns Kirchen. Weil unser Land, und wir sind ja ein größerer Landbesitzer, um Beispiel dann an Wert verlieren wird. Und damit auch finanzielle Einbußen für die Kirchengemeinden, die das Land heute verpachtet haben, ja, zumindest passieren könnten. Ja, das sind alles Themen, die wir ansprechen und über die wir diskutieren."

Auch der vom Wasser- Familienfest erschöpfte Steffen Engler vom CVJM sagt, dass jeder Mensch eine Verantwortung vor Gott hat, vernünftig mit dem umzugehen, was diese Welt ihm bietet.

"Ich sehe Parallelen zu dem Wasser, was wir brauchen im Alltag, das Wasser fehlt uns, wir merken aber erst wie wichtig Wasser ist, wenn es uns fehlt. Und ich glaube, genau so ist es auch mit dem Glauben. Menschen, die verzweifelt sind, merken erst in der Verzweiflung, wie wichtig Gott sein kann in ihrem Leben."

Johann Wolfgang von Goethe: "Seele des Menschen, wie gleichst du dem Wasser."

Nur wer aus Wasser und Geist geboren ist, sagt Johannes der Täufer, kann eintreten in das Reich Gottes, in die Ewigkeit. Wohl auch darum ist die Liebe zum Wasser, die viele Menschen mehr oder weniger bewusst in sich tragen, zugleich auch eine Liebe zum Leben, zur Schöpfung Gottes.