Am Anfang war die heile Welt

Von Michael Langer · 14.11.2007
Astrid Lindgren gilt als bekannteste und erfolgreichste Kinderbuchautorin der Welt. Aus der Feder der Schwedin stammen etwa 70 Kinder- und Jugendbücher, die weltweit über 130 Millionen Mal verkauft wurden.
"Alles begann am 14. November 1907." So steht es in Astrid Lindgrens Memoiren mit dem bezeichnenden Titel "Das entschwundene Land": Da wurde sie "als zweites Kind des Pfarrhofpächters Samuel August Ericsson und seiner Ehefrau Hanna in einem alten roten Haus geboren, das von Apfelbäumen umgeben war". Am Anfang war die heile Welt.

"Demokratie und Geborgenheit - das erwarte ich von der Kinderliteratur."

"Wir waren vier Geschwister in dem roten Haus. Mein Bruder war der Älteste, dann kam ich und noch zwei Schwestern. - Wir vier Kinder spielten, spielten und spielten wie die Kinder in Bullerbü!"

Bullerbü - das war und ist für zahllose Leser der literarische Sehnsuchtsort , der Inbegriff ebenso glücklicher wie längst vergangener Kindertage.

"Unsere Eltern waren Bauern, die hart arbeiteten und die einfach keine Zeit hatten, jeden unserer Schritte zu überwachen."

Der Hof, auf dem Astrid Anna Emilia Ericsson geboren wurde und ihre selige Kindheit verbrachte, hieß nicht Bullerbü, sondern: Näs und ist im schwedischen Smaland gelegen - wo es schön war, wie die Lindgren sagte, ein Kind zu sein.

"Aber für mich war die Kindheit die beste Zeit."

So unbeschwert wie ihre Kindheit war ihr Leben nicht immer. Sie hatte es nicht leicht Ende der 20er Jahre als junge Mutter eines unehelichen Sohnes. Sie setzte sich nach Stockholm ab, um ihrer Familie die "Schande" zu ersparen, und ließ sich zur Sekretärin ausbilden. Nach ihrer Heirat mit Sture Lindgren, dem Direktor des Königlichen Automobilclubs, dessen Sekretärin sie war, bekam sie ihr zweites Kind. Ans Schreiben dachte sie die ganzen Jahre über nicht, wiewohl ihr Talent schon zu Schulzeiten aufgefallen war. Ihr erstes Buch entstand denn auch, wie sie sagte, "zufällig":

"Als meine Tochter sieben Jahre alt war, wurde sie krank, und sie wollte jeden Abend etwas von mir hören: Erzähl mir etwas, sagte sie, und dann sagte ich, ja aber was soll ich denn erzählen? Erzähl mir von Pippi Langstrumpf, sagte sie. Sie erfand den Namen in diesem Augenblick Und ich fragte nicht nach, wer Pippi Langstrumpf sei, sondern ich fing an, von einem Mädchen zu erzählen, das zu diesem Namen passen könnte. Und danach wollte sie nichts anderes mehr hören als von Pippi Langstrumpf, jeden Abend. Und auch als ihre Schulkameradinnen zu Besuch kamen, sagten sie immer: Erzähl von Pippi, erzähl von Pippi Langstrumpf!"

Astrid Lindgren war 37, als sie ihr erstes Buch zu Papier gebracht hatte. 1945 wurde "Pippi Langstrumpf" in Schweden veröffentlicht, 1949 kam es auf Deutsch heraus.

"Manche Menschen waren ja sehr entrüstet und sagten, so was könne man Kinder nicht lesen lassen. Aber alle Kinder sagten ja zu dem Buch, und es wurde ein großer Erfolg von Anfang an."

Große Erfolge wurden auch ihre vielen anderen Bücher: "Michel", "Madita", "Mio, mein Mio". Die vielfach prämierte, unter anderem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnete Schriftstellerin starb 2002 im Alter von 94 Jahren. Ihre Lebensphilosophie, die sie einem Satz Marc Aurels verdankte, ließ sie auch in ihre Bücher einfließen: "Lebe nicht so, als hättest du eintausend Jahre vor dir."

"Ja, das ist meine Lebensphilosophie: Man muss jeden Tag bereit sein, dass es plötzlich Schluss ist, und möglicherweise nicht allzuviel Elend dabei zu hinterlassen. Die Werte, für die wir leben, sind Wahrheit und Liebe."
Inger Nilsson als Pippi Langstrumpf
Inger Nilsson als Pippi Langstrumpf.© AP Archiv