Altmaier: Risiken für Offshore-Windparks überbrücken

Peter Altmaier im Gespräch mit Hanns Ostermann · 23.08.2012
Bundesumweltminister Peter Altmaier hat die geplanten Haftungsregelungen bei Anbindungsproblemen für Windparks auf hoher See verteidigt: "Es geht nicht darum, dass Risiken sozialisiert werden, es geht darum, dass Risiken überbrückt werden".
Hanns Ostermann: Wer schweres Gepäck zu schultern hat, der ruht sich in der Regel vorher aus, und das nicht zu knapp! Bundesumweltminister Peter Altmaier geht zum Teil jedenfalls einen anderen Weg: Bis gestern war er auf einer Sommerreise, die dürfte ihm endgültig gezeigt haben, überspitzt formuliert: Hinter jeder Ecke liegt ein Fallstrick, die Energiewende ist derzeit voller Widersprüche. Der Bundesumweltminister ist jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur, guten Morgen, Herr Altmaier!

Peter Altmaier: Guten Morgen!

Ostermann: "Ich habe ein sonniges Gemüt", verraten Sie dem heute erscheinenden "Stern". Ist das nach der Sommertour immer noch so?

Altmaier: Ja, auf jeden Fall. Ich bin ja in dieser Sommertour vier Tage lang unterwegs gewesen von Nord nach Süd und habe mir vor Ort vieles ansehen können. Und dann sieht man schon, dass die Energiewende eben von vielen Leuten sehr ernst genommen wird und dass sie vorangeht und dass sich sehr viel tut. Das hat mich eigentlich darin bestätigt, dass wir auf einem richtigen Kurs sind.

Ostermann: Also, so was macht Spaß. Aber vergeht Ihnen nicht das Lachen, wenn nicht nur die Opposition, sondern auch Ilse Aigner und manch anderer Politiker aus Ihren eigenen Reihen quer schießt, Stichwort Haftungsregelung für Offshorewindparks?

Altmaier: Nein, ich würde nicht von Querschüssen reden, sondern das sind ganz normale Debatten, die wir führen. Wir wissen, dass wir immer wieder vor schwierigen Entscheidungen stehen, und hier geht es konkret darum, dass bestimmte Windparks, die wir auf hoher See errichten, nicht so rechtzeitig ans Stromnetz angeschlossen werden, dass sie ihren Strom auch tatsächlich liefern können. Das hat dazu geführt, dass es ernsthafte Probleme gab im Hinblick auf die Finanzierung und die Perspektiven dieser Windparks.

Und wir haben uns zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Bundesumweltministerium darauf verständigt, dass wir sagen: Wir müssen hier für eine Überbrückung sorgen, indem wir für eine Vorfinanzierung sorgen, die dann am Ende allerdings auch wieder zurückgezahlt werden muss. Und das hat dann dazu geführt, dass wir diesen Vorschlag vorgelegt haben.

Ostermann: Und warum haben Sie um Frau Aigner, die Verbraucherschutzministerin, einen Bogen gemacht? Denn die kassiert ja das, was Sie im Augenblick vorschlagen.

Altmaier: Also, es ist, von Kassieren ist, glaube ich, keine Rede. Ich habe auch keinen Bogen darum gemacht, sondern es ist so, dass wir eine Zuständigkeit haben für diese Gespräche beim Bundeswirtschaftsminister, der federführend ist als Minister. Ich als Bundesumweltminister bin von ihm beteiligt worden und habe dann auch zugestimmt, dass wir diesen Weg gehen. Ich gehe davon aus, dass auch alle anderen Ministerien entsprechend der Geschäftsordnung der Bundesregierung beteiligt worden sind. Und das hat dann ja dann dazu geführt, dass eines der Ministerien zunächst mal auf Beamtenebene bestimmte Bedenken formuliert hat. Ich gehe aber davon aus, dass wir eine große Chance haben, dass dieses wichtige Vorhaben wie vorgesehen bis Mittwoch nächster Woche im Kabinett verabschiedet werden kann.

Ostermann: Herr Altmaier, aber Außenstehende haben schon den Eindruck, das klappt nicht bei Ihnen in der schwarz-gelben Koalition. Auch deshalb, weil jetzt die Verbraucherschützer die Bundesjustizministerin einschalten wollen, denn sie sehen die Gefahr: Gewinne – was die Haftung betrifft –, Gewinne werden privatisiert, Risiken sozialisiert.

Altmaier: Nein, das halte ich, glaube ich, für eine falsche Darstellung. Ich habe es ja eben gesagt: Es geht nicht darum, dass Risiken sozialisiert werden, es geht darum, dass Risiken überbrückt werden. Sie wissen, dass bei den erneuerbaren Energien der Staat sich entschieden hat schon vor vielen, vielen Jahren, dass jeder, der eine Windanlage oder eine Solaranlage betreibt, eine bestimmte Vergütung garantiert bekommt. Und das ist so, dass bei den Windparks auf hoher See nun eine Überbrückungsregelung gefunden worden ist oder gefunden wird für die ersten Monate, wenn es Probleme gibt.

Was dann aber gezahlt wird, wird anschließend an der Höchstförderungsdauer wieder abgezogen. Das ist, glaube ich, eine ganz normale Angelegenheit und deshalb bin ich überzeugt, dass wir auch mit Zustimmung aller Ministerien diese Regelung im Kabinett beschließen werden.

Ich halte es im Übrigen für durchaus normal, dass man über solche Fragen, wo es auch um Geld geht, durchaus intensiv diskutiert. Denn wir sollten uns Entscheidungen, wo es um Belastungen auch für Stromkunden geht, nicht einfach machen.

Ostermann: Ganz massiv die Kritik der Unionsmittelstandsvereinigung: Sie plädiert für eine Änderung der Ökostromförderung. Es sollte sich die Energieart durchsetzen, die es am besten kann. Zurück in die Steinzeit oder sehen Sie diesen Vorschlag anders?

Altmaier: Nein, nein! Wir haben in Deutschland sehr große Erfolge erzielt mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Heute kommen etwa 20 bis 25 Prozent unseres Stroms aus Windenergieanlagen, aus Solarstromanlagen, aus Wasserkraft und Biomasse. Das ist mehr als in jedem anderen vergleichbaren europäischen Land. Das wollen wir auch weiter ausbauen.

Trotzdem ist es richtig, dass wir unser Fördersystem in den nächsten Monaten und Jahren grundlegend umgestalten müssen, denn wir haben uns vorgenommen, dass wir bis zum Jahre 2020 etwa 35 Prozent unserer Energien aus diesen erneuerbaren Quellen beziehen werden, das werden wir auch schaffen.

Und dann muss überlegt werden, wie die nächste Etappe so organisiert werden kann, dass die Belastungen für den Stromkunden sich möglichst in Grenzen halten. Das wird wahrscheinlich dann auch ohne Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes nicht abgehen, das habe ich jedenfalls schon so in meinem Zehn-Punkte-Programm gesagt und ich habe dafür große Zustimmung bekommen.

Ostermann: Bleiben wir noch mal bei der ersten Etappe: Von der Tendenz her will der Süden Windkraft an Land, der Norden bevorzugt Offshoreparks. Wie kann der Bund in diesem grundsätzlichen Streit der Länder vermitteln?

Altmaier: Der Bund kann zunächst einmal nicht entscheiden, wo welche Anlage gebaut wird, das ist Sache der zuständigen Genehmigungsbehörden. Wir glauben aber, dass wir eigentlich beides brauchen. Die Windanlagen, die an Land errichtet werden, die sind sehr nahe bei den Verbrauchern, dort, wo der Strom gebraucht wird. Auf der anderen Seite ist es aber so, dass die Windanlagen auf hoher See, also die berühmten Offshorewindanlagen, eine sehr, sehr hohe Zahl von Stunden haben, wo der Wind weht, weil auf der hohen See der Wind fast immer weht, deshalb werden diese Anlagen – wie der Experte sagt – grundlastfähig. Das heißt, sie stehen ziemlich verlässlich für die Stromerzeugung zur Verfügung.

Und das brauchen wir auch, wenn wir in Zukunft keine Kernkraftwerke mehr haben, wenn wir in Zukunft weniger fossile Kraftwerke haben, dann brauchen wir verlässliche, permanente Stromerzeugung aus Windkraftanlagen. Und dazu leistet die Erzeugung auf hoher See einen wesentlichen Beitrag.

Ostermann: Sie sind demnächst 100 Tage im Amt. Sie werden ganz gewiss nicht sagen, mein Gepäck ist mir zu schwer. Aber was wollen Sie zur Bundestagswahl im kommenden Jahr konkret geschafft haben?

Altmaier: Ich habe neben einer Reihe von konkreten Punkten, die ich in meinem konkreten Zehn-Punkte-Programm benannt habe, vor allen Dingen ein Ziel: Dass wir bis zur Bundestagswahl im nächsten Jahr die Zuversicht haben, dass die Energiewende gelingen wird. Dazu bedarf es noch einer gewaltigen Anstrengung von Bund, Ländern und Gemeinden, weil es darum geht, unterschiedliche Interessen so abzustimmen, dass daraus ein geschlossenes Konzept wird. Das ist meine Aufgabe. Ich mache in diesen Tagen Antrittsbesuche in fast allen Bundesländern. Heute bin ich in Berlin, letzte Woche war ich in Brandenburg und in Mecklenburg-Vorpommern. Das zeigt: Wir müssen miteinander reden, wir müssen versuchen, die unterschiedlichen Interessen anzubinden.

Und Sie haben es ja richtig gesagt: Es gibt berechtigte Interessen im Süden, aber auch sehr valide Interessen im Norden. Die müssen unter einen Hut und am Ende müssen wir sehen, dass der Weg zu erneuerbaren Energien so gestaltet wird, dass wir Überhitzungen vermeiden, dass wir unzumutbare finanzielle Belastungen vermeiden. Und deshalb brauchen wir mehr Verlässlichkeit, wir brauchen mehr Stetigkeit. Und dafür will ich sorgen.

Ostermann: Bundesumweltminister Peter Altmaier. Herr Altmaier, danke für das Gespräch!

Altmaier: Ich danke Ihnen!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

"Links zum Thema bei dradio.de:"
Aigner bremst Windkraftgesetz

"Strom muss bezahlbar bleiben"
SPD-Umweltexperte kritisiert Altmaiers Pläne zur Energiewende (DKultur)


3800 Kilometer für die Energiewende -
Vier große Stromautobahnen durch Deutschland geplant

Strom für 50.000 Haushalte -
Erster Windpark vor deutscher Küste geht in Betrieb

"Wir brauchen mehr Wettbewerb im Strommarkt"
Professor Erik Gawel vom Helmholtz-Zentrum in Leipzig weist Kritik am EEG zurück (DKultur)


"Keine Energiewende am Ende für den Verbraucher noch viel teurer"
LichtBlick-Vorstand will Stromsparen belohnen (DKultur)
Mehr zum Thema