"Almanya - Willkommen in Deutschland"

Gesehen von Hans-Ulrich Pönack · 09.03.2011
Die aus Dortmund stammenden Schwestern türkischer Abstammung haben nach dem deutsch-persischen Schmankerl "Salami Aleikum" von Ali Samadi Ahadi von vor zwei Jahren einen weiteren "leichten", aber keineswegs seichten deutschen Film zum gesellschaftlichen Dauerthema Integration gedreht.
Denn wie ist das normalerweise so im hiesigen Lichtspiel: Wenn von türkischen Mitbürgern die Rede ist, blicken wir auf fundamentalistische Strenge, auf traditionelle Seelenenge. Auf viel, viel autoritäre Bitterkeit, Kopftuch-Düsternis und familiäre Kälte. Dass "DIE" auch lachen können und durchaus "stimmungsvoll" "zu leben verstehen", ist im deutschen Migranten-Kino die Ausnahme. Dabei gilt doch nach wie vor der berühmte Ausspruch von Max Frisch: "Wir riefen Arbeitskräfte, es kamen Menschen".

So wie anno 1964, als Hüseyin Yilmaz als Gastarbeiter aus Anatolien nach Deutschland kommt. Eigentlich ist er ja der einmillionste Zuwanderer, der in Köln "amtlich" und mit einem Moped-Geschenk zu begrüßen wäre, doch aus Höflichkeit überlässt Hüseyin dem Portugiesen Armando Rodrigues de Sá den Vortritt in der Schlange. So ist er also "nur" der Gastarbeiter Nummer Einemillionundeins, der inzwischen mit seiner nachgeholten Familie hier "eingemeindet" und nun auch mit deutschen Pässen ausgestattet ist. Die erwachsenen Kinder sind längst integriert. Der sechsjährige Cenk (Rafael Koussouris) allerdings, jüngster Spross der hier geborenen dritten Zuwanderer-Generation, versteht die Welt nicht mehr, als in der Schule die Anderen ihn weder in der türkischen noch in der deutschen Fußballmannschaft "wollen". Also stellt er Zuhause die "komische" Frage an seine deutsche Mutter und ihren türkischen Vater: "Wer oder was bin ich eigentlich – Deutscher oder Türke?"

Um ihn "zu beruhigen", erzählt ihm seine 22-jährige Cousine Canan (Aylin Tezel) die Geschichte ihres Großvaters. Wie der nach "Almanya" kam, arbeitete, die Familie nachholte, wie man sich hier "einrichtete". Und sich mit den "merkwürdigen" deutschen Gebräuchen wie "dieser Jesus am Kreuz" oder diesem "Weihnachten" mehr oder weniger "anfreundete". Als die Yilmaz-Family ganz neu in der BRD ist, sprechen im Übrigen alle Deutschen so eine seltsame Kauderwelsch-Sprache (Chaplins Rumpel-Deutsch aus "Der große Diktator" lässt charmant grüßen); ein hübscher Kunstgriff der beiden Filmemacherinnen, um zu orten, wie sich Ausländer gefühlt haben müssen, als sie hier ankamen und zurechtkommen.

Die beiden Dortmunderinnen Yasemin und Nesrin Samdereli, jeweils mit abgeschlossenem Filmhochschulabschluss (in München bzw. Berlin), haben für das Fernsehen gearbeitet (zum Beispiel für die TV-Serie "Türkisch für Anfänger"), Kurzfilme geschaffen und sich nun an ihren ersten Kinolangfilm "getraut". Er ist ihnen bestens gelungen. Liebevoll, melancholisch, feinironisch werden die beliebten Vorurteile und Klischees beider Nationalitäten unangestrengt wie köstlich unterhaltsam beleuchtet, inmitten menschlicher Lebensentwürfe und Identitäten. Von einfallsreich bis ausgesprochen komisch wird die Palette ums türkisch-deutsche Eingemachte pointiert abgeklopft. Der Film läuft übrigens in Deutsch und in Türkisch im Kino.

Deutschland 2010; Regie: Yasemin Samdereli; Darsteller: Vedat Erincin, Fahri Yardim, Lilay Huser, Demet Gül, Rafael Koussouris, Aylin Tezel, Denis Moschitto, Petra Schmidt-Schaller; Prädikat: besonders wertvoll; FSK: ab 6 Jahren; Länge: 97 Minuten

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